Krankenkasse verzeichnet Anstieg bei Essstörungen

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Stand: 05.05.2025 14:03 Uhr

Der Trend zur Selbstoptimierung auf Social-Media-Plattformen führt offenbar zu deutlich mehr Fällen von Essstörungen – das geht aus Zahlen der KKH-Krankenkasse hervor. Vor allem Mädchen und junge Frauen seien betroffen.

Die Zahl von Essstörungen ist in Deutschland drastisch gestiegen. Das teilte die KKH Kaufmännische Krankenkasse mit. Grund sei vor allem der Trend zur Selbstoptimierung in den sozialen Medien.

Besonders unter 12- bis 17-jährigen Mädchen stieg demnach die Zahl der Fälle von Magersucht, Bulimie und Binge Eating, also krankhaften Essanfällen. Sie kletterte hier vom Vor-Corona-Jahr 2019 bis 2023 von 101 auf 150 Fälle je 10.000 Versicherte, wie die KKH mitteilte. Das sei ein Plus von fast 50 Prozent – in keiner anderen Gruppe sei der Anstieg derart deutlich. 

Die boomende Selbstoptimierungs-Szene und fragwürdige Ideale könnten besonders bei Heranwachsenden zu einem verminderten Selbstwertgefühl und sogar zu psychischen Erkrankungen wie Essstörungen führen, warnte die Kasse.

“Je intensiver die Nutzung sozialer Medien, desto größer das Risiko”

“In einer Lebensphase, in der die eigene Identität noch nicht gefestigt und das Selbstwertgefühl oft nur schwach ausgeprägt ist, können solche übersteigerten Ansprüche an das eigene Aussehen zu einer großen Belastung werden”, sagte die KKH-Psychologin Franziska Klemm. Sie warnte: “Je intensiver die Nutzung sozialer Medien ist, desto größer ist auch das Risiko für eine Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper und damit verbundene Essstörungen.”

Für die Untersuchung wertete die Krankenkasse die Daten eigener Versicherter aus den Jahren 2019 bis 2023 aus. Basis seien rund 1,66 Millionen KKH-Versicherte im Jahr 2023, darunter seien rund 90.300 Mädchen und Jungen im Alter von zwölf bis 17 Jahren. Die KKH hat nach eigenen Angaben derzeit rund 1,5 Millionen Versicherte.

Besonders Mädchen anfällig

Besonders anfällig sind nach Einschätzung der Psychologin Klemm Mädchen. Sie würden von derartigen Videos nicht nur direkt angesprochen, sondern beschäftigten sich auch mehr mit sich selbst als Jungen. Sie verglichen sich häufiger in den sozialen Medien und verspürten einen höheren Druck, Schönheitsidealen zu entsprechen. Außerdem sei vielen nicht bewusst, dass das Leben auf Social Media in der Regel inszeniert sei – gerade auch, weil in sozialen Medien “eine gewisse Nahbarkeit” suggeriert werde. 

Bei gleichaltrigen Jungen dagegen stagnierte den Angaben zufolge die Zahl der Betroffenen beinahe: Registriert wurde ein Plus von gut vier Prozent oder ein Anstieg von 34 auf 36 Fälle je 10.000 Versicherte. 

Unter den 18- bis 24-jährigen Frauen stellte die Kasse einen Anstieg um 25,1 Prozent fest. Insgesamt stieg die Zahl der betroffenen Frauen um 10,4 Prozent. Laut Hochrechnung der Versicherung hatten 2023 fast 460.000 Menschen in Deutschland eine diagnostizierte Essstörung – 7,5 Prozent davon waren Mädchen zwischen zwölf und 17 Jahren. 

“Kritischen Umgang mit Schönheitsidealen stärken”

In zahllosen Videos erzählten schlanke Frauen von ihrer “Reise zum Idealkörper”, gleichzeitig prangere eine “virtuelle Beauty-Polizei” Schönheitsmakel wie runde, volle Gesichter (“Cortisol Face”) oder gar übergewichtige große Zehen (“Toebesity”) an, warnte die Kasse.

“Aufklärung allein hilft da nicht”, betonte Klemm. Wirksamer sei es, ein positives Selbstbild zu fördern und den kritischen Umgang mit Schönheitsidealen zu stärken: “Das alles schützt nachweislich vor der Entwicklung einer Essstörung.”

Neben der Teilnahme an Präventionsprogrammen könnten Jugendliche selbst viel tun, sagte Klemm: “Wichtig ist, sich der Diskrepanz zwischen geschönten Online-Darstellungen und der Realität bewusst zu werden. Ganz konkret heißt das, rauszugehen und zu schauen, wie die Menschen wirklich sind.” Besonders wichtig sei zudem ein sensiblerer Umgang mit sozialen Netzwerken – also weniger Zeit damit zu verbringen.