Der Deutsche-Bank-Chef muss mehr Mut beweisen

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Die Deutsche Bank steht gut da. Dass Deutschlands größte Privatbank in den ersten drei Monaten 2025 das beste Quartalsergebnis seit 14 Jahren abgeliefert hat, ist ein Ausrufezeichen. Eines, an das man sich erst noch gewöhnen muss. Bei der Deutschen Bank waren sonst eher Fragezeichen das vorherrschende Satzzeichen.

Ist die 2019 durch den Vorstandsvorsitzenden Christian Sewing angestoßene Restrukturierung auf einem guten Weg? Ist sie nachhaltig? Woher kommt doch wieder eine längst vergessene Altlast zum Vorschein? Seit Sewing im Amt ist, werden diese Fragen weniger.

Die Deutsche Bank ist auf neuen Wegen unterwegs, und der Kapitalmarkt geht mit. Mehr als 60 Prozent hat der Aktienkurs in den vergangenen zwölf Monaten zugelegt. Das wird vor allem diejenigen freuen, die in trüben Zeiten an Sewings Marschroute geglaubt und einstellige Aktienkurs als Einstiegskurse genutzt haben. Für alle diejenigen, die noch dreistellige Summen aufbrachten, um einst ein Deutsche-Bank-Papier zu kaufen, dürfte das ein schwacher Trost sein. Ihr Investment ist ein bis heute andauerndes Trauerspiel. Mit den aktuell gezeigten 23 Euro ist der Kurs beim Abstieg in der Finanzkrise angekommen – das war zu Beginn 2009.

Sewing erntet das Vertrauen der Kunden

Sewing hat der Bank ein striktes Kostenmanagement verordnet, er hat Sparten gestutzt und wenig lukratives Geschäft aufgegeben. Das ging auch zulasten des Glamourfaktors, der global agierende Banken umgibt. Sie drehen in der Finanzwelt ein sehr großes Rad und ziehen auch deswegen sehr große Talente und den Hang zum Größenwahn an. Sewing hat die Bank auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt und erntet nun, was er gesät hat: Quartalsgewinne, Kurssteigerungen und Vertrauen der Kunden.

Eine wichtige Frage allerdings bleibt der Vorstandsvorsitzende Sewing schuldig, dessen Vertrag gerade erst um weitere drei Jahre verlängert wurde. Wie sieht die Deutsche Bank der Zukunft aus? Solide aufgestellt, den deutschen Mittelstand im Blick? Oder wird Sewing inzwischen wieder sehr erfolgreiche Segmente ausbauen, wie das so negativ besetzte Investmentbanking, um global ein größeres Rad drehen zu können?

Mit dem bisherigen „weiter so“ wird Sewing im Mittelmaß verharren. Gemessen an der Marktkapitalisierung von 45 Milliarden Euro, ist genau das der Fall. Hierzulande ist die Deutsche Bank ein Platzhirsch, schon in Europa wird die Läuft dünn.

Die italienische Unicredit kommt auf einen Börsenwert von rund 80 Milliarden Euro, die französische Bank BNP Paribas auf 66 Milliarden Euro, die Schweizer UBS ist jenseits der 85 Milliarden, die britsche HSBC mit gut 170 Milliarden komplett enteilt. Die Deutsche Bank ist ziemlich klein.

Größe ist im Banking ein Wert an sich

Wer sich die Stärke amerikanischer Wall-Street-Banken vergegenwärtigen mag, sollte seinen Blick auf JP Morgan lenken: Sie bringt eine Marktkapitalisierung von 750 Milliarden Dollar auf die Waage. Dass deren Vorstandsvorsitzender Jamie Dimon es sich erlauben kann, den direkten Draht ins Weiße Haus zu aktivieren, um dem US-Präsidenten die Wirrungen seiner Zollpolitik zu erläutern, kann angesichts der Bedeutung kaum verwundern. Größe ist nicht nur, aber auch im Banking ein Wert an sich.

Sewing wirkt in seiner Vorwärtsstrategie zurückhaltend. Es gebe noch viel zu tun, noch mehr Kosten zu sparen, noch mehr Effizienz zu steigern. Das ist löblich und wirkt trotzdem fahrlässig. Gelegenheiten richten sich nicht nach Zeitplänen.

Gerade jetzt versucht sich Europa – notgedrungen – auf eigene Stärken zu besinnen. Inmitten geopolitischer Verschiebungen muss Europa für sich selbst sorgen. Das gilt für die Verteidigung, die Energie, auf den Feldern von Computerchips, IT und alternativen Absatzmärkten.

Europa braucht auch starke Banken

Und im Banking? Europa braucht auch starke Banken! Die Übermacht der Wall-Street-Banken ist ein Geschäftsrisiko für Kunden in einer Welt, in der der US-Präsident eine vollends unberechenbare Handelspolitik fährt. Wer hätte noch vor Monaten gedacht, dass sich renommierte US-Kanzleien von Trump so dermaßen an die Kette legen lassen, wie sie es getan haben? Wer wollte das für US-Banken ausschließen?

Das haben europäische Banken-CEOs erkannt. Unicredit-Chef An­drea Orcel will wachsen, er will die Commerzbank. BNP Paribas hat ABN Amro auf dem Radar. Es bewegt sich etwas. Und die Deutsche Bank? Konsolidiert sich und wartet auf die Vollendung der Kapitalmarktunion, die Bankenfusionen erleichtern könnte. Das reicht nicht. Sewing ist gelernter Risikomanager. Er wird mehr Mut beweisen müssen.