In der späten Altsteinzeit muss der Himmel voller Polarlichter gewesen sein. Das Leuchten war vermutlich überall auf der Erde zu sehen. Der Grund für das Schauspiel: Damals erlebte das Erdmagnetfeld eine außergewöhnliche Schwächephase. Für einige Jahrhunderte waren insbesondere Europa, Afrika und große Teile Asiens kosmischer Strahlung und energiereichen Partikeln der Sonne ausgesetzt, die die starken Leuchterscheinungen in der Atmosphäre auslösten. Das berichtet eine internationale Forschergruppe in der Zeitschrift „Science Advances“.
Normalerweise entstehen Polarlichter in der Nähe der magnetischen Pole, also in hohen nördlichen beziehungsweise südlichen Breiten. Nur dort, in einer etwa 3000 Kilometer großen Zone – den „Polarlichtovalen“ –, ist das Erdmagnetfeld durchlässig für geladene Teilchen, die Moleküle in der oberen Atmosphäre zum Leuchten anregen.
Modellierung liefert realistisches Bild
In den 1960er-Jahren fanden Geologen Hinweise, dass das Erdmagnetfeld vor rund 41.000 Jahren schwächer war als heute und seine Pole Richtung Äquator gewandert sind. Benannt ist diese „geomagnetische Exkursion“ nach dem Laschamp-Lavafeld in Zentralfrankreich. Es ist zur gleichen Zeit entstanden und hatte bei seinem Erstarren das vorherrschende geomagnetische Feld in den darin enthaltenen Metallen der Lava konserviert.
Die Wissenschaftler um Agnit Mukhopadhyay von der University of Michigan kombinierten Daten von paläomagnetischen Gesteinen des Laschamp-Ereignisses mit Computermodellen, die das Zusammenspiel des Erdmagnetfelds mit dem Sonnenwind und der Erdatmosphäre beschreiben. Die Ergebnisse liefern ein detailliertes Bild der Laschamp-Exkursion: Demnach schwächte sich die globale Magnetfeldstärke auf zehn Prozent ihres heutigen Werts ab, gleichzeitig wanderte der magnetische Nordpol nach Nordafrika, sein südliches Gegenstück an einen Ort nordöstlich von Australien.
Auf dem Höhepunkt dieser Phase erstreckte sich der magnetische Schutzschirm unseres Planeten nur 15.000 Kilometer ins All in Richtung Sonne; heute reicht es rund 70.000 Kilometer weit. Die Polarlichtovale wuchsen auf fast das Dreifache ihrer heutigen Größe, geladene Teilchen von der Sonne hatten praktisch freien Eintritt in die Erdatmosphäre.

„Die hochenergetischen Partikel trugen zum Abbau der Ozonschicht bei“, sagt Mukhopadhyay. Das wiederum habe zu einer spürbar höheren Ultraviolettstrahlung auf der Erde geführt – und das in besonderem Maße in Regionen, in denen nachweislich frühe Menschen lebten.
UV-Schutz in der Altsteinzeit
Raven Garvey, Anthropologieprofessorin in Michigan und Mitautorin der Studie, vermutet, dass sich die höhere Strahlung auf das Verhalten unserer Vorfahren ausgewirkt hat. So habe der Homo sapiens um diese Zeit möglicherweise Ocker, ein natürliches Pigment aus Eisenoxid, als eine Art Sonnencreme aufgetragen. Außerdem nutzten die Menschen der Altsteinzeit zunehmend maßgeschneiderte Kleidung als zusätzlichen Schutz – anders als Neandertaler, deren Aussterben mit dem Zeitpunkt der Laschamp-Exkursion zusammenfällt. Dies mag ein Zufall sein, meint Garvey, es könne sich aber lohnen, genauer zu untersuchen, ob es einen kausalen Zusammenhang gibt.
Joseph Stoner von der University of Oregon, der nicht an der Studie beteiligt war, beurteilt die Arbeit als innovativ, warnt aber davor, allzu weitreichende Schlussfolgerungen zu ziehen: „Es gibt nur vergleichsweise wenige hochwertige Aufzeichnungen über das geomagnetische Feld während der Laschamp-Exkursion.“ Ob das irdische Magnetfeld damals also genau die Gestalt hatte, wie es die Simulationen nahelegen, sei spekulativ. Erklären, was die geomagnetische Störung vor 41.000 Jahren ausgelöst hat, können die Forscher um Mukhopadhyay in ihrer Studie nicht. „Die Mechanismen, die magnetische Exkursionen verursachen, sind eine offene Frage der Geophysik.“