Halbleiterkonzern in der Krise: Intels verlorene Jahre

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Als Pat Gelsinger vor knapp vier Jahren den Vorstandsvorsitz des US-Halbleitergiganten Intel übernahm, wurde das weithin als triumphales Comeback gewertet. Er kehrte zu seinem ehemaligen Arbeitgeber zurück, wo er einst als Teenager seine Karriere begonnen hatte. Ihm wurde zugetraut, an die Zeiten anzuknüpfen, als Intel den Chipmarkt dominierte. Er verbreitete selbst Aufbruchstimmung und kündigte Megainvestitionen an, darunter Chipfabriken in Magdeburg. Aber die Gelsinger-Ära sollte sich als kurz und enttäuschend erweisen.

Er blieb die erhoffte Wende schuldig, stattdessen verdüsterte sich das Bild weiter, und Intel rutschte in eine der größten Krisen seiner Geschichte. Das Unternehmen verliert im Wettbewerb an Boden, seine Umsätze schrumpfen, im jüngsten Quartal erlitt es einen Rekordverlust. Es entließ Tausende von Mitarbeitern, legte das Projekt in Magdeburg auf Eis und wurde zuletzt sogar als Übernahmekandidat gehandelt. Jetzt hat es Konsequenzen gezogen und Gelsinger abgelöst. Wer immer ihm nachfolgt, hat eine gewaltige Herausforderung vor sich. Die Zukunft einer tief gefallenen Unternehmensikone steht auf dem Spiel.

Intel ist aus der Geschichte des Silicon Valleys nicht wegzudenken. Gegründet 1968, war das Unternehmen ein Pionier im Halbleitergeschäft. Das in dieser Branche verwendete Silizium gab der kalifornischen Technologieregion ihren Namen. Intel machte seine Computerchips zum Industriestandard und wurde dank Werbeslogans wie „Intel Inside“ auch selbst zu einer Marke. Lange schien der Konzern unangreifbar. Seine Produkte und seine Fertigungstechniken galten als überlegen, wenngleich ihm ruppige Methoden nachgesagt wurden. Gegen ihn wurden Kartellstrafen wegen Missbrauchs seiner marktbeherrschenden Stellung verhängt.

Vorteil nicht genutzt

Von seiner früheren Dominanz ist Intel heute weit entfernt. In der jüngeren Vergangenheit häuften sich Fehltritte und verpasste Chancen. Intel schaffte es zum Beispiel nicht, seine starke Position im Markt für Personalcomputer auf mobile Geräte wie Smartphones und Tablets auszuweiten. Wiederholt kam es auch zu Verzögerungen in der Entwicklung neuer Chipmodelle, die Konkurrenz gewann Marktanteile.

Als Gelsinger 2021 den Vorstandsvorsitz übernahm, stand Intel schon unter reichlich Druck. Seine Strategie war es, in die Offensive zu gehen. Er kündigte den Bau von Werken in den USA und Europa an und gründete eine neue Sparte, in der Intel fortan jenseits seiner eigenen Chips auch die Fertigung für externe Kunden übernehmen wollte. Damit sagte er Auftragsherstellern wie dem taiwanischen TSMC-Konzern den Kampf an. TSMC produziert Chips für Intel-Wettbewerber wie Nvidia oder Advanced Micro Devices, die keine eigenen Fabriken haben.

Auch Künstliche Intelligenz brachte keinen Erfolg

Gelsinger wurde aber recht schnell von einer nüchternen Realität eingeholt. Nach einem pandemiebedingten Schub schwächte sich der Chipmarkt ab, und Intel tat sich schwer, für seine neue Auftragsfertigung Kunden zu gewinnen. Vor allem aber versäumte es der Konzern ein weiteres Mal, ein Wachstumsfeld zu besetzen, als Chipsysteme für Anwendungen rund um Künstliche Intelligenz zu einem Milliardengeschäft wurden. Hier ist Nvidia der dominierende Anbieter, und auch AMD liegt noch weit vor Intel. Erst kürzlich gab Gelsinger zu, Intel werde die Umsatzziele für seine KI-Chipreihe Gaudi verfehlen. Dabei waren diese Vorgaben im Wettbewerbsvergleich ohnehin sehr niedrig.

Intel kann heute weder mit seinen Chips noch mit seiner Fertigungstechnologie Innovationsführerschaft reklamieren und ist in vielerlei Hinsicht ins Mittelmaß der Branche abgerutscht. Das ist für das einst ruhmreiche Unternehmen eine bittere Erkenntnis. Gelsingers Nachfolger oder Nachfolgerin wird schwierige Entscheidungen zu treffen haben – und womöglich auch größere Weichenstellungen wie einen Abschied aus der Auftragsfertigung oder gar einen Verkauf in Erwägung ziehen müssen.

Derweil bringt der bevorstehende Regierungswechsel in den USA einen weiteren Unsicherheitsfaktor. Gelsinger hat eine enge Verbindung zum scheidenden Präsidenten Joe Biden kultiviert und Intel erhebliche staatliche Finanzhilfen aus dem „Chips and Science Act“ gesichert. Donald Trump, der im Januar ins Weiße Haus zurückkehrt, hat dieses Gesetzespaket scharf kritisiert. Andererseits betont er oft, wie wichtig ihm die verarbeitende Industrie sei, entsprechend sollte er ein Interesse daran haben, dass Intels Bauprojekte fortgesetzt werden und auch in amerikanischer Hand bleiben. Eine Unabhängigkeitsgarantie für Intel ist das freilich nicht.