EU will neue Gaslieferverträge mit Russland verbieten

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Die Europäische Union will neue Gaslieferverträge mit Russland bis zum Jahresende verbieten und bestehende Verträge bis Ende 2027 auslaufen lassen. Bestehende Spotverträge sollen ebenfalls schon zum Jahresende verboten werden. Das ist der Kern eines „Fahrplans“ zum künftigen Umgang der EU mit russischen Gaslieferungen, den die Kommission am Dienstag in Straßburg beschlossen hat. Mit dem Vorschlag will Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen der Tatsache Rechnung tragen, dass die EU im vergangenen Jahr immer noch rund 19 Prozent ihres Gasbedarfs mit Importen aus Russland deckte. 2021 waren es noch 45 Prozent.

Nach Kommissionsangaben importierten im vergangenen Jahr noch zehn EU-Staaten insgesamt rund 52 Milliarden Kubikmeter russischen Gases, davon 32 Milliarden über (vor allem zwei türkische) Pipelines und 20 Milliarden Flüssiggas (LNG) per Schiff. Drei Staaten führten russisches Öl ein, sechs Staaten angereichertes Uran. Auch wenn sich die russischen Energieexporte seit dem Ausbruch des Kriegs in der Ukraine erheblich verringert hätten, bildeten sie immer noch eine beträchtliche Einnahmequelle für den russischen Staat, teilte die Kommission mit.

Europäischer Import-Stopp betrifft ein Drittel des russischen Gasangebots

Von der Leyen sagte, die EU müsse nun ihre Verbindungen mit einem „unzuverlässigen Energielieferanten“ vollständig kappen. Der dänische EU-Energiekommissar Dan Jørgensen fügte hinzu, Russland werde Europa nicht mehr erpressen können. Mit dem Vorschlag, neue Gaslieferverträge sowie bestehende Spotverträge bis zum Jahresende zu verbieten, dürfte nach Kommissionsschätzungen etwa ein Drittel des russischen Angebots vom europäischen Markt ferngehalten werden. Zugleich will die Kommission die Kapazitäten für LNG-Lieferungen aus anderen Staaten erheblich erhöhen.

F.A.Z.

Weil die Behörde die Abhängigkeit der EU von fossilen Brennstoffen außerdem mittel- bis langfristig generell erheblich reduzieren will, erwähnt sie ferner die „Erwartung“, dass die EU bis 2030 bis zu 100 Milliarden Kubikmeter Gas durch andere Energiequellen ersetzt. Zum künftigen Import von angereichertem Uran will die Kommission Vorschläge vorlegen, mit denen der europäische Markt weniger abhängig von russischen Lieferungen werden soll. Außerdem plant sie neue „Aktionen“ gegen die russische „Schattenflotte“ von Öltankern, die die europäischen Sanktionen unterlaufen.

Die Kommissionspläne sind in der EU nicht ganz unumstritten. Vor allem Ungarn und die Slowakei, die unverändert gute Beziehungen zum russischen Präsidenten Wladimir Putin unterhalten und aus Russland weiterhin Gas geliefert bekommen, sind gegen die Kommissionsvorschläge. Der ungarische Gesundheitskommissar Oliver Várhelyi, der als enger Vertrauter von Ministerpräsident Viktor Orbán gilt, lehnte die Pläne in der Kollegiumssitzung am Dienstag offenbar ab.

Trotz dieses Widerstandes sollten die Kommissionsvorschläge nun zügig, also bis zum Ende dieses Jahres, beschlossen werden können, heißt es. Nach Angaben von EU-Diplomaten könnten die Mitgliedstaaten den Kommissionsvorschlag binnen weniger Wochen, also noch während des im Juni 2025 endenden polnischen EU-Ratsvorsitzes, billigen. Der absehbare Widerstand Ungarns und der Slowakei werde daran nichts ändern, weil im Ministerrat mit qualifizierter Mehrheit und nicht einstimmig entschieden werde. Endgültig unter Dach und Fach käme der Vorschlag nach den Beratungen im Europaparlament im Herbst.

Der Bundesverband der deutschen Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) lobte die Brüsseler Pläne. „Es gilt, die Gasversorgung weiter zu diversifizieren. So lassen sich Konzentrationsrisiken bei einzelnen Lieferländern vermeiden und Produktions- und Lieferschwankungen ausgleichen“, sagte BDEW-Hauptgeschäftsführerin Kerstin Andreae.