Die Geduld der Lufthansa-Aktionäre schwindet

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Ein besonderer Fuchs soll der Kernmarke der Deutschen Lufthansa zufriedenere Kunden bescheren. Mit „Fox“ ist kein Tier bezeichnet, die drei Buchstaben stehen für „Future Onboard Experience“, also dafür, wie Passagiere künftig ihren Lufthansa-Flug erleben. Neue Kissen auf Langstrecken oder eine neue Speisenauswahl sollen dazu gehören, Tests auf regulären Flügen laufen an.

Und zur Rückkehr in die Profitabilität der Kernmarke, die 2024 nichts zum Konzerngewinn von 1,3 Milliarden Euro beitrug, soll das Programm „Turnaround“ führen: mehr als 700 Einzelmaßnahmen. Die sollen im laufenden Jahr der Kernmarke wieder einen positiven Abschluss bringen und bis 2028 gar Kosten- und Erlösoptimierungen von 2,5 Milliarden Euro.

„Im Unternehmen passiert sehr, sehr viel“, fasste es Carsten Spohr, der Lufthansa-Vorstandsvorsitzende, während der virtuellen Hauptversammlung für die Aktionäre des Konzerns kurz zusammen. Das Problem am Dienstag war allerdings, dass Anteilseigner darauf verwiesen, dass sich ihre Geduld dem Ende entgegen neige. „Schalten Sie den Autopiloten ab, und ziehen Sie die Lufthansa wieder hoch“, forderte beispielsweise Ingo Speich von der Fondsgesellschaft Deka Spohr auf.

„Aktionäre funken Mayday“

Der Kranich, das Logotier der Lufthansa, stehe als „Pechvogel“ dar, sagte Hendrik Schmidt von der Fondsgesellschaft DWS. Im Jahr der Rekorderlöse von 37,6 Milliarden Euro war der Überschuss um 18 Prozent gesunken, die Kernmarke flog defizitär. „Die Aktionäre funken Mayday“, lautete Schmidts Kurzformel, da der Konzern zweimal seine Prognosen nach unten korrigiert hatte.

„Die Ergebnisse für 2024 machen es uns alles andere als leicht, für die Entlastung des Vorstands zu stimmen“, sagte er. Letztlich votiere er aber doch dafür, da 2024 vier Vorstände ausgeschieden und drei neue neben Spohr und Personalvorstand Michael Niggemann getreten seien. Es klang wie eine gerade noch eingeräumte Bewährungszeit. Auch Speich befand: „Nach dem großen Vorstandsumbau wollen wir Erfolge sehen.“

„Bester Jahresauftakt seit zehn Jahren“: Lufthansa-Vorstandschef Carsten Spohr
„Bester Jahresauftakt seit zehn Jahren“: Lufthansa-Vorstandschef Carsten SpohrDeutsche Lufthansa

Spohr entgegnete, dass es schon aufwärts gehe. „Gäste haben zu oft nicht die Zuverlässigkeit und Pünktlichkeit erlebt, die sie zu Recht erwarten“, sagte er. 2025 sei in den ersten vier Monaten im Betrieb aber der beste – also störungsärmste – Jahresauftakt seit zehn Jahren gelungen. Nachdem der Konzern zu Jahresbeginn bei der italienischen ITA eingestiegen war, versprach Spohr „die schnellste Integration, die wir je in der Lufthansa hatten.“ Binnen 18 Monaten sollen Betrieb und IT-Systeme komplett abgestimmt sein.

Neue Sitze ein “absolutes Desaster“?

Von 41 Boeing-Langstreckenflugzeugen, auf die Lufthansa wegen Lieferverzögerungen teils seit Jahren wartet, sollen erste 787-Jets nun im dritten Quartal fliegen. Mit den neuen Fliegern steigt die Zahl der Flugzeuge mit der neuen Allegris-Einrichtung, die zu zufriedeneren Kunden führen soll. Allegris war für Speich ein weiteres Stichwort für Kritik. Die Einführung sei ein „absolutes Desaster“. Nach jahrelanger Planung habe man offenbar „voller Überraschung“ festgestellt, dass für einige Sitze in 787-Flugzuegen noch keine Zertifizierung vorliege. Lufthansa plant, die Flugzeuge zunächst mit gesperrten Plätzen einzusetzen.

Rückdeckung bekamen Spohr und seine Vorstandskollegen von Aufsichtsratschef Karl-Ludwig Kley. Der Vorstand „stellt die richtigen Weichen“, sagte Kley. Raum für Interpretationen ließ er mit der Formulierung, der Aufsichtsrat trage die Strategie des Vorstands „in Summe“ mit. Aktionäre brachten indes auch Ungeduld mit Kley zum Ausdruck, da völlig offen erscheint, wer auf den 73 Jahre alten Manager folgen soll.

Kandidiert nicht abermals: Lufthansa-Aufsichtsratschef Karl-Ludwig Kley
Kandidiert nicht abermals: Lufthansa-Aufsichtsratschef Karl-Ludwig KleyDeutsche Lufthansa

Ursprünglich schien es so, dass Kley noch während seiner aktuellen Amtszeit die Amtsübergabe einleiten werde. Als möglicher Nachfolger galt der frühere Airbus-Chef Tom Enders, der aber nun mit der Hauptversammlung, an der er nicht mehr teilnahm, auf eigenen Wunsch aus vorzeitig dem Gremium ausschied. Kley dürfte insgeheim mit Enders geplant haben und dürfte nun seine Amtszeit voll erfüllen. Er erklärte aber, 2026 nicht abermals zu kandidieren.

Marc Tüngler von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) sagte, er wolle Kley zwar nicht loswerden, „aber das Thema der Nachfolge steht im Raum“. DWS-Vertreter Schmidt urteilte: „Bei Betrachtung des aktuellen Aufsichtsrats lässt sich kein natürlicher Nachfolger erkennen.“ Kley beteuerte, es laufe ein „geordneter Prozess“, rechtzeitig werde ein Kandidat benannt. „Ich sehe aber keine Notwendigkeit, das jetzt zu tun.“

„Immer sollen es andere gewesen sein“

Einen Eindruck von Spannungen im Konzern bekamen Aktionäre durch die Wortmeldungen von Vertretern der Flugbegleitergewerkschaft UFO und der Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit (VC), die selbst Lufthansa-Aktien halten. Sie empfahlen, den Vorstand nicht zu entlasten. VC-Finanzvorstand Arne von Schneidemesser beklagte, es werde zu wenig Verantwortung für aktuelle Schwierigkeiten übernommen, stattdessen „sollen es immer andere gewesen sein.“

Dass neue Flugzeuge fehlten, liege nicht nur an Lieferverzögerungen, die Flottenmodernisierung wäre eher anzugehen gewesen. Da die Kernmarke Lufthansa nun länger ältere Flieger einsetze, liefen Betriebskosten aus dem Ruder. Im Betriebshochlauf nach Corona sei gezögert worden, statt rechtzeitig in Personal zu investieren. Die neuen Sitze seien komplex und zum „Symbol der strategischen Überforderung“ geworden. Die VC hatte zuletzt Gespräche über die Alter- und Übergangsversorgung der Piloten der Kernmarke gefordert. Sollten die scheitern, drohen Streiks.

Auch UFO-Vorstand Katharina Berndt mahnte Strategie-Korrekturen an. Der Aufbau von Tochtergesellschaften mit niedrigeren Beschäftigungskonditionen wie beim Urlaubsflieger Discover oder der Betriebseinheit Lufthansa City sei kein ganzheitlicher Ansatz. Er führe zu „Insellösungen“ und einem „konzerninternen Wettbewerb um die niedrigsten Stückkosten“. Letztlich wurde der Vorstand doch mit mehr als 98 Prozent der abgegebenen Stimmen entlastet. Mit 76 Prozent wesentlich weniger Zustimmung fand das Ansinnen, Aktionärsversammlungen weiter rein online abzuhalten. Eine Ausnahme soll es aber 2026 geben: Dann besteht die Marke Lufthansa 100 Jahre.