Renault und Stellantis wollen Erleichterung für Kleinwagen

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Die Chefs von Europas hinter Volkswagen zweit- und drittgrößten Autoherstellern, Stellantis und Renault, haben eindringlich vor dem Niedergang der europäischen Autoindustrie gewarnt. In einem gemeinsamen Gespräch mit der konservativen französischen Tageszeitung „Le Figaro“ beklagten sie die immer weiter wachsenden Regulierungsauflagen. Diese machten Autos immer teurer und für immer mehr Menschen unerschwinglich. Brüssel müsse dringend handeln und jüngsten Ankündigungen zur Deregulierung Taten folgen lassen. Schon vergangenes Jahr wurden in Europa inklusive Großbritannien und der Schweiz nur noch 15 Millionen Fahrzeuge verkauft, während es 2019 noch 18 Millionen waren.

Europas Automarkt sei „der einzige der großen Weltmärkte, der sein Vorkrisenniveau noch nicht erreicht hat“, sagte John Elkann. Der Italiener steht interimsmäßig in Personalunion der Geschäftsführung und dem Verwaltungsrat von Stellantis vor, Mutterkonzern von Peugeot, Fiat, Opel und elf weiteren Marken. „Bei der aktuellen Entwicklung könnte sich der Markt innerhalb eines Jahrzehnts mehr als halbieren“, ergänzte in Elkanns Beisein Luca De Meo, Vorstandschef des Renault-Konzerns, zu dem auch die Billigmarke Dacia gehört. Er monierte in dem Zusammenhang insbesondere die Regulierungsauflagen für Kleinwagen, die nicht zuletzt Ausfluss der Geschäftsstrategie und des politischen Einflusses der deutschen Wettbewerber seien.

Premiummarken bestimmen EU-Regulierung –verkaufen aber vor allem ins Ausland

„Bei den europäischen Herstellern gibt es zwei Denkrichtungen“, sagte De Meo, ebenfalls Italiener. Die eine verträten Stellantis und Renault. Sie machen zusammen 30 Prozent des Marktes aus und wollten in und für Europa beliebte Autos produzieren und verkaufen. Die andere Denkschule verträten Premiummarken, für die Europa zwar wichtig, deren Priorität aber der Export sei – und deren Logik seit 20 Jahren die Regulierung bestimme. „Die europäischen Vorschriften führen dazu, dass unsere Autos immer komplexer, immer schwerer und immer teurer werden und dass sich die meisten Menschen sie einfach nicht mehr leisten können“, beklagte der Renault-Chef.

Mit offener Kritik an den deutschen Wettbewerbern halten sich die Autobosse zurück. Dennoch betonen beide dezidiert, dass die Problem- und Interessenlage in Frankreich, Italien und Spanien eine andere sei. „Diese drei Länder sind am stärksten betroffen“, berichtete Elkann mit Verweis auf die gestiegenen Autopreise. Sie müssten die Förderung ihrer Industrie zu einer Priorität machen und hätten zudem mehr Gewicht als Deutschland in Bezug auf die Produktion. Mit rund 16 Prozent ist die italienische Agnelli-Familie, der Elkann angehört, größter Einzelaktionär von Stellantis. Dahinter folgen die französische Peugeot-Familie mit knapp acht Prozent und die französische Förderbank Bpifrance mit 6,7 Prozent. Der größte Einzelaktionär von Renault wiederum ist der französische Staat mit rund 15 Prozent.

„Was wir fordern, ist eine differenzierte Regelung für Kleinwagen“, sagte De Meo. Es gebe „zu viele Vorschriften für größere und teurere Autos, die es uns nicht ermöglichen, Kleinwagen unter akzeptablen Rentabilitätsbedingungen herzustellen.“ Man könne ein 3,80 Meter langes Auto nicht wie ein 5,50 Meter langes Auto behandeln. Die Mehrkosten seien bei einem Kleinwagen genauso hoch wie bei einer großen Limousine, was einen Großteil der Gewinnspanne des Kleinwagens aufzehre.

Zwischen 2015 und 2030 stiegen die Kosten für einen Renault Clio um 40 Prozent, und dieser Anstieg sei zu 92,5 Prozent auf die Vorschriften zurückzuführen. „Braucht man wirklich einen Spurhalteassistenten in Autos, die 95 Prozent ihrer Zeit in der Stadt fahren?“, fragte De Meo. „Ein Viertel unserer Ingenieure ist ausschließlich mit Vorschriften beschäftigt“, ergänzte Stellantis-Chef Elkann.