Mit Nvidia-Verbot riskiert Trump riskiert Vorsprung

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Die Trump-Regierung verbietet dem Branchenführer Nvidia den Verkauf von KI-Chips nach China. Und bald wird der Export von Chips in Länder wie die Schweiz begrenzt. Auch ihnen misstraut Trump. Machen die USA so weiter, beenden sie ihre Tech-Vorherrschaft gleich selbst.

KI-Chips von Nvidia werden in Servern von Datenzentren weltweit verbaut, sofern es die amerikanische Regierung erlaubt.

KI-Chips von Nvidia werden in Servern von Datenzentren weltweit verbaut, sofern es die amerikanische Regierung erlaubt.

Stephen Nellis / Reuters

Donald Trump ist ein berechenbarer, konsequenter und vorausschauender Politiker. Zumindest, wenn es um den Technologiekrieg mit China geht.

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Trump mag den weltweiten Freihandel und alte Allianzen infrage stellen. Im Technologiebereich aber führt er den harten Kurs weiter, den die USA seit Jahren verfolgen. Kürzlich untersagte Trumps Regierung dem amerikanischen KI-Chip-Designer Nvidia, den Chinesen das von ihnen bevorzugte Chipmodell zu verkaufen. Und am 15. Mai tritt eine Regulierung in Kraft, die die Ausfuhr amerikanischer Chips in die meisten Länder der Welt stark beschränkt, auch in die Schweiz.

Beide Massnahmen passen in die Logik der amerikanischen Strategie. Denn Technologie ist einer der entscheidenden Aspekte im Grossmachtwettbewerb zwischen den USA und China. Und die neusten Schritte der USA sollen die eigene Führerschaft in diesem Bereich sichern und China zurückbinden.

Doch so berechenbar und konsequent Trumps Vorgehen deshalb scheint, so falsch ist es. Denn die Vormachtstellung der USA basiert darauf, dass ihre Technologie von Dutzenden Verbündeten genutzt wird. Sie profitieren von der amerikanischen Technologie wie etwa KI-Chips und tragen gleichzeitig dazu bei, dass sie alternativlos bleibt. Die kommende Regulierung stellt dieses weitverzweigte Ökosystem ohne Not infrage. Und die USA sind nur so lange die Tech-Macht Nummer eins, wie auch ihre Tech-Unternehmen den Weltmarkt dominieren. Trumps Vorgehen unterminiert diese Dominanz zugunsten chinesischer Unternehmen.

Damit befeuert Trump Chinas Wandlung vom unterlegenen Herausforderer zum ebenbürtigen Gegner im Kampf um technologische Vorherrschaft.

Die USA haben die Massnahmen regelmässig verschärft

Der Technologiekrieg ist fast so alt wie die strategische Neuausrichtung Washingtons gegenüber Peking, die unter Präsident Obama vollzogen wurde: Statt wie bis anhin einen potenziellen Partner sahen die USA in China nunmehr einen Herausforderer und Rivalen.

Spätestens ab 2018 resultierte aus diesem Gesinnungswandel im Technologiebereich ein hartes Vorgehen gegen China. Sein Zugang zu modernsten Computerchips sollte fortan so stark wie möglich eingeschränkt werden. Denn diese Chips sind für Technologien wie KI und zahlreiche militärische Anwendungen essenziell.

Zunächst entschied die Trump-Regierung damals, dass China keine modernsten Maschinen zur Chipproduktion bekommen soll. Ein Jahr später verhängte Trump umfassende, bis dahin beispiellose Exportrestriktionen gegen den chinesischen Technologiekonzern Huawei.

Trumps Nachfolger Joe Biden ging einen grossen Schritt weiter. 2022 beschloss er weitreichende Exportkontrollen im Chipbereich gegen China und verschärfte diese ein Jahr später. Seit Biden lautet die offizielle Losung der USA, Chinas technologischen Fortschritt zu verlangsamen und zu verteuern. Und amerikanische Technologie soll nicht zur Weiterentwicklung des chinesischen Militärs beitragen.

Und bisher ist das den USA gelungen. Chinesische Chips sind etwa auf dem Stand, auf dem westliche 2018 waren. Gegenwärtig sind chinesische Unternehmen nicht in der Lage, modernste Chips wirtschaftlich zu produzieren.

China kann zwar KI-Chips herstellen, doch sind diese deutlich weniger leistungsfähig als jene des amerikanischen Chipdesigners Nvidia.

China kann zwar KI-Chips herstellen, doch sind diese deutlich weniger leistungsfähig als jene des amerikanischen Chipdesigners Nvidia.

China Daily / Reuters

Dem beeindruckenden Sprachmodell der chinesischen Firma Deepseek liegen ältere Nvidia-Chips zugrunde. Deepseek schloss damit zwar kurzzeitig zu Open AI und Co. auf, es gelingt chinesischen Firmen unter den gegenwärtigen Restriktionen aber nicht, die amerikanische Konkurrenz zu überholen.

Die USA stellen Verbündete unter Generalverdacht

Doch mit diesem Resultat geben sich die USA nicht mehr zufrieden. Stattdessen verschärfen sie ihre Massnahmen noch einmal deutlich. Das mag in der amerikanischen Logik immer noch konsequent und vorausschauend wirken. Tatsächlich bedrängen die Amerikaner mit den neuen Massnahmen aber ihre Verbündeten weltweit und ihre Technologieführer zu Hause in einem Masse, das den amerikanischen Interessen mehr schadet als nutzt.

Auf die Partner im Ausland zielen die USA mit dem AI Diffusion Framework. Präsident Biden hatte das Regelwerk kurz vor Ende seiner Amtszeit präsentiert. Derzeit ist davon auszugehen, dass Trump das Framework wie von seinem Vorgänger vorgezeichnet umsetzen wird.

Die Regulierung hat zum Ziel, die Verbreitung von amerikanischer KI-Technologie streng zu kontrollieren. Das soll verhindern, dass amerikanische KI-Chips in Länder wie Russland, Iran oder eben China gelangen. Im Framework werden achtzehn enge Partner, darunter Deutschland, Frankreich, Grossbritannien, Japan, Südkorea oder Taiwan, als «trusted countries» aufgeführt. Die Schweiz fehlt auf der Liste. Für sie und alle anderen nicht aufgelisteten Länder wird es ab dem 15. Mai deutlich schwieriger, amerikanische KI-Chips zu importieren.

Mit dem AI Diffusion Framework stellen die USA zahlreiche Länder unter Generalverdacht, die mit den USA enge wirtschaftliche Beziehungen pflegen. Die Amerikaner scheinen den Schweizer Behörden nicht zuzutrauen, dass sie einen Weiterverkauf von amerikanischen Chips nach China verhindern können. Die Schweiz und alle anderen «untrusted countries» müssen strenge Auflagen erfüllen, damit sie weiterhin uneingeschränkt Chips importieren können. Sie müssen den amerikanischen Behörden beispielsweise detaillierte Informationen über die Chip-Endnutzer liefern. Es wird sich zeigen, wie viele Länder willens und fähig sind, die amerikanischen Vorgaben zu erfüllen.

Wahrscheinlich werden sich aber zahlreiche Staaten China zuwenden, wenn sie ihre amerikanischen Chipkontingente ausgeschöpft haben. Denn Chips des chinesischen Herstellers Huawei stellen mittlerweile in vielen Bereichen eine valable Alternative zu jenen von Nvidia dar. In Staaten, die eigentlich lieber auf amerikanische Technologie gesetzt hätten, könnte sich so ein chinesisches KI-Ökosystem etablieren. Das würde die chinesische Position im Technologiekrieg mit den USA unweigerlich stärken.

Trumps Entscheid ist ein Angriff auf den eigenen Technologieführer

Ohnehin wird Nvidia von den Massnahmen härter getroffen als jeder Verbündete der USA. Durch das AI Diffusion Framework dürfte der amerikanische Wegbereiter der KI-Revolution vielerorts Marktanteile verlieren. Und durch Trumps jüngstes Exportverbot droht Nvidia den gesamten chinesischen Markt zu verlieren.

Heute beschert China Nvidia einen Viertel seiner Einnahmen ausserhalb der USA. Das entspricht 13 Prozent von Nvidias Gesamterträgen.

Nun verweigert die Regierung Trump Nvidia Exportlizenzen für eines der wenigen Chipmodelle, die Nvidia überhaupt noch nach China verkaufen durfte. In der Folge hat das Unternehmen 5,5 Milliarden Dollar abgeschrieben. Nvidia hatte das Modell eigens für den chinesischen Markt konzipiert. Jetzt sind die bereits eingegangenen sowie die prognostizierten Bestellungen dafür nichtig und die Investitionen in den Fertigungsprozess des Modells verloren.

Der Nvidia-CEO Jensen Huang versuchte bisher erfolglos, bei US-Präsident Trump für die Interessen seines Unternehmens zu werben.

Der Nvidia-CEO Jensen Huang versuchte bisher erfolglos, bei US-Präsident Trump für die Interessen seines Unternehmens zu werben.

Ken Cedeno / Keystone

Trump mag mit diesem Entscheid die amerikanische Strategie weiterführen, China den Zugang zu amerikanischer Technologie zu erschweren. Doch um China weh zu tun, ohrfeigt er seinen eigenen Technologieführer.

Nvidia ist im Bereich der KI-Chips derzeit das weltweit führende Unternehmen. Es steht wie kaum eine andere amerikanische Firma für die technologische Vormachtstellung der USA im KI-Bereich. Wenn Nvidia nun auf 13 Prozent seiner Einnahmen verzichten muss, wird es in der Folge weniger Geld für Forschung und Entwicklung zur Verfügung haben. Damit dürfte es schwieriger werden, die marktdominierende Stellung beizubehalten.

Wer im chinesischen Markt derweil Nvidias Lücke füllen wird, ist offensichtlich: Huawei. Kaum war das Exportverbot für Nvidia bekannt, kündigte Huawei die massenhafte Auslieferung seines neusten KI-Chips an. So wird auch diese Massnahme die amerikanische
Position im Technologiekrieg schwächen und jene Chinas stärken.

Die USA sollten sich auf amerikanische Tugenden besinnen

KI ist einer der Bereiche, in denen die USA im Grossmachtwettbewerb mit China noch unbestritten in Führung liegen. Entsprechend konsequent ist es aus amerikanischer Sicht, dass die USA ihren Rivalen hier ausbremsen wollen. Das Vorgehen ist eingebettet in eine Gesamtstrategie, mit der die USA Chinas Macht eindämmen wollen. Doch die jüngsten Massnahmen im Tech-Bereich haben den gegenteiligen Effekt und werfen Fragen auf.

Washington geht gegen seine Verbündeten und Unternehmen vor, als wäre seine Technologieführerschaft existenziell bedroht. Und agiert deshalb mit Zwang. Seine Verbündeten sollen die amerikanische Strategie im Technologiekrieg gegen China vollends mittragen. Seine Tech-Unternehmen sollen nicht mit dem Feind wirtschaften. Das zeugt von Angst und wenig Selbstvertrauen – beides Dinge, die den USA normalerweise fremd sind.

Wer bei den bedeutendsten Innovationen wie KI weltweit führend sein will, muss stattdessen innovative, selbstbewusste Politik machen und sie laufend dem Stand der Technologie anpassen. Im Umgang mit KI-Chips heisst das: den Verbündeten mehr Vertrauen entgegenbringen und ihnen höhere Chipkontingente zugestehen. So bleiben sie den USA gewogen und zementieren gleichzeitig die amerikanische Technologieführerschaft.

Nvidia sollte in China zumindest ältere Chips verkaufen dürfen. Denn heute sind selbst diese noch deutlich besser als die modernsten von Huawei. Und jeder in China verkaufte Chip bringt Nvidia Geld ein und bremst Huaweis Aufstieg. In China und weltweit.

So berechenbar und konsequent Präsident Trump bis jetzt die amerikanische Strategie im Technologiekrieg verfolgt: Mit Blick auf Partnerländer und Nvidia wäre etwas Inkonsequenz äusserst wünschenswert.