Das sagt die internationale Presse

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Der holprige Start der Regierung Merz hat auch im Ausland für Aufsehen gesorgt. Das zeigen Pressestimmen aus einigen Nachbarländern. Der Schweizer „Tages-Anzeiger“ aus Zürich schreibt an diesem Mittwoch:

„Die Merz-Gegnerinnen und -Gegner aus den eigenen Reihen spielten im ersten Wahlgang in verantwortungsloser Weise mit der Stabilität der deutschen Demokratie. Ein halbes Jahr ist seit dem Bruch der vorherigen Koalition schon vergangen, nicht nur Deutschland wartete seither auf eine handlungsfähige Regierung. Ganz Europa wartete. Die Weltlage ruft nach schneller Neuorientierung, weil Donald Trump die Hilfe für die Ukraine und den Schutz für Europa infrage stellt und die Welt in einen Handelskrieg verwickelt. In diesem Ringen der Mächte geht es um nicht weniger als um die Zukunft Europas. Aber auch in Deutschland steht enorm viel auf dem Spiel: Schafft es die demokratische Mitte nicht mehr, stabile Regierungen zu bilden, ergötzt das nur die politischen Kräfte am Rand, die ohnehin schon stärker sind denn je. Die Leute aus dem eigenen Lager, die Merz im ersten Wahlgang eine schwere Niederlage beifügten, haben das im zweiten gerade noch rechtzeitig eingesehen. Der Schaden für Merz und für Deutschland aber, der bleibt.“

„Schwere Blessuren“

Auch die Schweizer „Neue Zürcher Zeitung“ kommentiert am Mittwoch die Geschehnisse rund um Merz’ Amtsantritt:

„Merz tritt sein Amt als zehnter Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland mit schweren Blessuren an. Dass er die erforderliche Kanzlermehrheit erst nach einer Zitterpartie erhalten hat, lässt auch für die Stabilität seiner Regierung nichts Gutes ahnen. Das verwundert nicht. Das Bündnis aus CDU, CSU und SPD ist schließlich aus der Not geboren. Weil Merz eine Minderheitsregierung und Gespräche mit der AfD ausschloss, blieben nur die Sozialdemokraten. Doch stimmen die Partner weder in der Beschreibung der Probleme (Migration, Wirtschaft, Sozialstaat) wirklich überein noch in ihrer Behebung. (…) Merzens demütigender Amtsantritt muss aber auch die europäischen Partner beunruhigen. Die Europäische Union benötigt eine handlungsfähige deutsche Regierung, die die Führungsrolle des Landes entschlossen und von Tag eins an annimmt. Merz hat dies angekündigt. Als starker Bundeskanzler betritt er die europäische Bühne nun nicht. Wo Merz in Warschau und Paris aber noch auf Nachsicht aus Zweckoptimismus hoffen kann, ist das international anders. Donald Trump, der amerikanische Präsident, wird auf einen derart schwach gestarteten Kanzler Merz kaum mit Achtung blicken. Auch Russlands Präsident Wladimir Putin wird die Vorgänge in Berlin genau betrachten und seine Schlüsse daraus ziehen, was den Rückhalt anlangt, den Merz wirklich hat.“

„Der Kanzler ist beschädigt“

Die österreichische Tageszeitung „Die Presse“ aus Wien meint:

„Das gab es noch nie in der Bundesrepublik. Aber zumindest die Reaktion war bekannt. Denn die Abstimmungspleite zur ,Staatskrise’ und zur ,Katastrophe für Deutschland’ (CDU-Sozialflügel) hochzujazzen ist typisch deutsch. Ein Akt der kollektiven Hyperventilation. Sechs Stunden dauerte diese angebliche deutsche ,Staatskrise’ letztlich, bevor Merz im zweiten Anlauf doch noch gewählt wurde. Aber selbst wenn man die vielen Übertreibungen abzieht: Dieser Dienstag wird Deutschland noch länger in den Knochen stecken. Der neue Kanzler ist beschädigt. (…) Das Debakel ist eine schlechte Nachricht für Deutschland. Und für Europa. Denn die Berliner Turbulenzen kommen zur Unzeit. In der Ukraine herrscht Krieg. Amerika wendet sich von Europa ab. Zumindest auf Deutschland, das mächtigste Land Europas, sollte daher Verlass sein.“

„Leichtsinnig und politisch schlecht vorbereitet“

Die italienische Tageszeitung „La Stampa“ meint zum Start des neuen Bundeskanzlers Friedrich Merz:

„Willkommen zurück in der Politik, Friedrich Merz. So viele Jahre außerhalb des Parlaments und in den Kreisen der Großfinanz haben sicherlich dazu beigetragen, seine Fähigkeiten und seinen Blick zu erweitern. Aber sie haben ihn sicherlich auch jener harten Konfrontation im Tiefflug entwöhnt, ohne Rücksicht auf Benchmarks und Aktien-Portfolios, bei der keineswegs sicher ist, dass Untergebene den Anweisungen der Chefs folgen. So aber geschah es. Dass Merz sich im parlamentarischen Betrieb nicht wohlfühlt, war schon bei seinen ersten Auftritten klar – etwa als das Gesetz zur Begrenzung des Migrantenzustroms nach dem Tabubruch des Bündnisses mit der AfD abgelehnt wurde. Das war nicht nur ein Scheitern in der Gesetzgebung, sondern auch in der Politik. Damals wie heute überraschte, wie leichtsinnig und politisch schlecht vorbereitet die Abstimmung war.“