Der Outsider ist der größte Gewinner im neuen Kabinett Merz: Eben noch hat Karsten Wildberger die Elektronikmarktketten Mediamarkt und Saturn auf Vordermann gebracht, jetzt knöpft er als neuer Bundesminister für Digitalisierung und Staatsmodernisierung (BMDS) seinen Kabinettskollegen weitreichende Kompetenzen ab. Insgesamt sechs Ministerien müssen Aufgaben an den 55 Jahre alten promovierten Physiker abgeben, damit Deutschland beim Digitalen vorankommt.
Dazu musste der Politikneuling Wildberger gar nicht selbst in die Konfrontation mit den Amtskollegen gehen, das Wesentliche regelt ein „Organisationserlass“ aus dem Bundeskanzleramt, den das Kabinett in seiner ersten Sitzung am späten Dienstagabend beschlossen hat. Bei der Modernisierung des Staates setzt der neue Kanzler Friedrich Merz (CDU) auf Zentralisierung und Kontrolle. „Im BMDS bündeln wir erstmals IT-Steuerung, IT-Sicherheit, IT-Betrieb und die Netze des Bundes sowie die Kontrolle über die IT-Ausgaben im Bund in einem Haus“, erläutert Markus Richter in einer Mitteilung auf dem Portal Linkedin. Er selbst wechselt als beamteter Staatssekretär vom Bundesinnenministerium ins neue Haus. Die Mühen der zersplitterten Ressortzuständigkeit und mangelnden Kontrolle hat er in den vergangenen Jahren am eigenen Leib gespürt. „Das ist wegweisend“, findet er deshalb. „Denn nur, wenn diese zentralen Pfeiler gemeinsam gedacht und gesteuert werden, schaffen wir es, leistungsfähige, sichere und nutzerfreundliche Angebote für Bürgerinnen, Bürger und Unternehmen bereitzustellen.“
Neben dem bisherigen Ministerium für Verkehr und Digitales muss auch das Bundesinnenministerium Federn lassen: Der gesamte Bereich der Verwaltungsdigitalisierung, geregelt im „Onlinezugangsgesetz“, soll nun von Wildberger vorangetrieben werden. Gerade auf diesem Feld spüren die Bürger die schleppende Digitalisierung deutlich. Viele Anträge, etwa für das Elterngeld, für BAföG oder Arbeitslosengeld, können zwar schon digital gestellt werden, allerdings sind für viele Kontakte zu Behörden noch immer mühselige Besuche auf dem Amt notwendig. Wer einen Führerschein oder einen Personalausweis beantragen möchte, muss noch immer persönlich vorstellig werden.
Digitalministerium kann regulierend eingreifen
Ann Cathrin Riedel, Geschäftsführerin des Netzwerks für Verwaltungsdigitalisierung Next, sieht das neue Ministerium nach dem Organisationserlass stark aufgestellt. „Es ist gut, dass es jetzt einen Minister für Digitalisierung und gerade auch in Kombination mit Staatsmodernisierung gibt, die weitaus mehr ist als Digitalisierung.“ Sie erinnerte daran, dass der neue Minister die anderen Kabinettskollegen nicht von ihrer Führungsverantwortung für die Transformation entlastet. „Alle müssen begreifen, dass sie ihre Politik nur umsetzen werden können, wenn sie ihre Verwaltung transformieren.“
Digitalfachleute versprechen sich auch einen deutlichen Schub durch die Kontrolle von Geldflüssen – auch wenn es dazu im Detail noch offene Fragen gibt. Aber grundsätzlich ist klar: Das Ministerium erhält einen Zustimmungsvorbehalt für alle wesentlichen IT-Ausgaben der unmittelbaren Bundesverwaltung, mit Ausnahme von Bereichen wie Verteidigung sowie Sicherheits- und Polizeiaufgaben. Das Ministerium übernimmt also künftig die Kontrolle über die Finanzierung und Priorisierung von IT-Projekten, kann also auch regulierend eingreifen, wenn – wie schon häufiger geschehen – zwei Ministerien an ähnlichen digitalen Projekten arbeiten.
Solche Parallelprojekte gibt es auch auf Länderebene zuhauf, schließlich können die Länder in vielen Bereichen eigenständig entscheiden, wie sie die Digitalisierung vorantreiben – und daran wird auch der neue Minister vorerst nichts ändern können, warnt Lena-Sophie Müller, Geschäftsführerin von D21, dem nach eigenen Angaben größtem gemeinnützigem Netzwerk für die digitale Gesellschaft in Deutschland. „Die große Aufgabe von Wildberger wird deshalb sein, Ideen zu entwickeln und Allianzen zu schmieden.“