Wen wählen die Kardinäle im Konklave? Keinen Franziskus II., aber einen Seelsorger

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Aus dem Schornstein auf dem Dach der Sixtinischen Kapelle ist am Mittwochabend schwarzer Rauch aufgestiegen. Im ersten Wahlgang des Konklaves, zu dem sich 133 Kardinäle im Vatikan versammelt haben, hat noch kein Kandidat die erforderliche Zweidrittelmehrheit erhalten. Das ist keine Überraschung. Der erste Wahlgang dient in erster Linie als erstes Stimmungsbild für die Papstwähler, welche Kandidaten aussichtsreich sein könnten.

In den Versammlungen vor der Papstwahl, dem sogenannten Vorkonklave, haben sich die Kardinäle kennengelernt und ihre Erwartungen an einen künftigen Papst formuliert. Nach dem Vorkonklave lässt sich daher zumindest schon etwas klarer eingrenzen, wer als Kandidat infrage käme.

Dass die Versammlungen dafür ein guter Indikator sind, hat sich bei der Papstwahl 2013 gezeigt. Damals artikulierten die Kardinäle in den Versammlungen vor dem Konklave deutliche Kritik an Zentralismus und Selbstherrlichkeit der vatikanischen Behörden. Und gewählt wurde Jorge Mario Bergoglio, der im Vorkonklave die Vision einer Kirche gezeichnet hatte, die an die Ränder geht.

Viele Kardinäle fordern offenbar Fortsetzung der Reformen

Aber worüber haben die Kardinäle, die am Nachmittag zum Konklave in die Sixtinische Kapelle eingezogen sind, in ihren zwölf Zusammenkünften diesmal gesprochen? Streng genommen darf laut Konklavevorschriften auch aus den Versammlungen vor der Papstwahl nichts nach außen dringen, aber der Vatikan selbst teilte wie schon 2013 täglich in Stichworten mit, worüber die Kardinäle gesprochen haben. Etliche Kardinäle geben zudem bereitwillig Interviews, bleiben allerdings in ihren Aussagen zumeist vage. Wer was gesagt hat, verraten sie darin in der Regel nicht. Eine Debatte kam in den Versammlungen dem Vernehmen nach nicht auf. Die Kardinäle hätten nacheinander ihre Stellungnahmen verlesen, ohne auf die Redebeiträge ihrer Vorgänger einzugehen, heißt es.

Die Angaben des vatikanischen Pressesprechers Matteo Bruni sollen dem Vernehmen nach im Großen und Ganzen zuverlässig sein. Das Themenspektrum war demnach weit – es reichte von Missbrauch über Sekten bis hin zur Finanznot des Vatikans, über die Kardinal Reinhard Marx sprach, der auch Koordinator des vatikanischen Wirtschaftsrates ist. Aber es dominierten insgesamt Themen, die eng mit Franziskus verbunden sind. Der Papst müsse ein Seelsorger sein, ein Brückenbauer, „das Gesicht einer samaritanischen Kirche“, „ein Zeichen der Barmherzigkeit, Synodalität und Hoffnung“ lauteten nur einige Stichworte, die der vatikanische Pressesprecher den Journalisten mitteilte.

Oft sind in diesen Tagen in Rom sinngemäß Formulierungen zu hören, es könne zwar keinen Franziskus den Zweiten geben, aber einen Seelsorger, der nahe an den Menschen ist, den wünschten sich die Kardinäle. In diesem Sinne ließ sich auch die schlicht gehaltene Predigt von Kardinaldekan Giovanni Battista Re in dem letzten Gottesdienst der Kardinäle vor dem Konklave deuten: Er verzichtete auf programmatische, theologische oder kirchenpolitische Aussagen. Es gehöre zu den Aufgaben des Papstes, die Gemeinschaft zu festigen, sagte Re. Dies dürfe keine „selbstbezogene Gemeinschaft“ sein, sondern müsse eine sein, „die ganz auf die Gemeinschaft zwischen Menschen, Völkern und Kulturen“ ausgerichtet sei. Außerdem hob Kardinal Re Jesu Geste der Fußwaschung hervor, die eng mit Franziskus verbunden ist, der am Gründdonnerstag Strafgefangenen und Migranten die Füße wusch – ohne jedoch Franziskus zu nennen.

Auffallend war auch, wie deutlich das offiziöse vatikanische Nachrichtenportal „Vatican News“ Position bezog. „Die Kardinäle fordern eine Fortsetzung der Reformen von Franziskus“ titelte es am Vorabend des Konklaves. Für die inhaltliche Ausrichtung des Portals ist ein Franziskus-Anhänger verantwortlich, den der Papst auf diesen Posten berufen hat.

Vieles spricht nicht für Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin

Aber welche Kandidaten würden diesem Anforderungsprofil entsprechen? So viel scheint zumindest klar: Dieses Profil spricht jedenfalls nicht unbedingt für Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin. Der Italiener wird zwar allseits als freundlich und bescheiden im persönlichen Umgang geschildert, er hat aber nie ein Bistum geleitet und nahezu seine komplette kirchliche Laufbahn als vatikanischer Diplomat bestritten.

Nicht mitgeteilt hat der Vatikan indes eine Episode, die kein gutes Licht auf Parolin wirft. Sein Agieren in der Causa von Kardinal Giovanni Becciu habe ihm bei den Kardinälen geschadet, heißt es. Der Vatikan hatte 2020 mitgeteilt, dass der Papst Becciu 2020 die mit Kardinalswürde verbundenen Rechte entzogen habe, ein offizielles Dokument dazu wurde jedoch nie veröffentlicht. Der aus Sardinien stammende Kardinal war 2023 wegen Betrugs und Veruntreuung in erster Instanz von einem vatikanischen Gericht zu einer Gefängnisstrafe von fünfeinhalb Jahren verurteilt worden.

Becciu bekundete nach dem Tod von Franziskus die Absicht, am Konklave teilzunehmen. Weil den Kardinälen zunächst kein offizielles päpstliches Dokument bekannt war, in dem der Papst Becciu ausdrücklich das Papstwahlrecht entzieht, erschien klärungsbedürftig, ob die vatikanische Pressemitteilung aus dem Jahr 2020 als Grundlage für einen Ausschluss ausreiche. Erst nachdem die Kardinäle schon mehrere Tage darüber beraten hatten, wie mit Becciu zu verfahren sei, soll Parolin dann zwei Dokumente vorgelegt haben, die von Franziskus mit einem „F“ unterzeichnet worden sind. Aus ihnen soll zweifelsfrei hervorgehen, dass der Papst ihm auch das Wahlrecht entzogen hat.

Konservative Kardinäle traten kaum in Erscheinung

Oder die anderen Favoriten? Eine alles überragende Rede soll es dem Vernehmen nach während der Kardinalsversammlungen nicht gegeben haben, aber durchaus einige, die größere Beachtung gefunden haben. Genannt werden hier etwa die Namen des Vorsitzenden der Italienischen Bischofskonferenz, Matteo Zuppi, und des Erzbischofs von Marseille, Jean-Marc Aveline. Beide liegen auf der Linie von Franziskus. Von anderer Seite heißt es aber, Zuppi sei zu eng mit der katholischen Gemeinschaft Sant’Egidio verbunden, das schade ihm, und Aveline könne kein oder zumindest nicht gut genug Italienisch, um mehrheitsfähig zu sein.

Bemerkenswert war, dass die Gruppe der dezidiert konservativen Kardinäle vor dem Konklave öffentlich kaum in Erscheinung trat. in Rom ist die Einschätzung zu hören, dass sie nicht über ein Drittel der Stimmen verfügt, um einen Kandidaten zu verhindern. Als ihr Wortführer tritt der deutsche Kardinal Gerhard Ludwig Müller auf. Ausgerechnet jene Gruppe, die Franziskus mehr gefördert hat als jede andere, die Repräsentanten entlegener Staaten wie der Mongolei, der kapverischen Inseln und Osttimor, hat dem Vernehmen nach bisher noch keinen Wortführer oder gar gemeinsamen Kandidaten. Aber bis weißer Rauch aufsteigt, kann sich noch einiges ändern.