Nach dem Rückschlag im milliardenschweren Übernahmeverfahren um den Heizkostenableser Techem denken die designierten Käufer über einen Plan B nach. Die beteiligten Finanzinvestoren erwögen Dealkonstruktionen, welche die Übernahme noch retten könnten, erfuhr die F.A.Z. übereinstimmend von Personen, die auf unterschiedliche Weise mit der Transaktion zu tun haben. Der Druck ist auf Käufer- wie auf Verkäuferseite hoch. Es geht nach Berechnung des F.A.Z.-Archivs um die fünftgrößte Übernahme durch Private Equity in Deutschland; Techem wird dabei mit 6,7 Milliarden Euro bewertet.
Wie berichtet, hat der US-Investor TPG seine Anmeldung auf kartellrechtliche Freigabe bei der Europäischen Union (EU) zurückgezogen. Das geht aus einer Notiz der Kommission im Internet hervor. TPG will – gemeinsam mit dem singapurischen Fonds GIC – Techem von einem Konsortium unter Führung der schweizerischen Beteiligungsgesellschaft Partners Group übernehmen. Es war im vergangenen Jahr die viertgrößte angekündigte Transaktion mit deutscher Beteiligung – hinter Covestro/Adnoc, Schenker/DSV und Altair/Siemens.
Kartellrechtlicher Paukenschlag
Käufer und Verkäufer loten in solchen Milliardenvorhaben stets früh aus, wo Kartellprobleme drohen. Daher wurden sie dem Vernehmen nach davon überrascht, dass die EU eine vertiefte Prüfung der Übernahme wollte. Die entsprechende Bekanntgabe der EU habe am Donnerstag angestanden. TPG zog dann tags zuvor den Antrag zurück.
Die Prüfung auf den Wettbewerb in einzelnen Ländern und auch auf regelwidrige Drittstaatssubventionen lief anscheinend problemlos. Was die EU dem Vernehmen nach aber im Auge hat: TPG ist neuerdings auch Eigentümer von Aareon, der ehemaligen IT-Tochtergesellschaft des Wiesbadener Immobilienfinanzierers Aareal Bank. Sie bietet großen Wohnungsvermietern Software zur Verwaltung von Immobilien und Mietzahlungen an – und ist ihrerseits Kunde von Ablesekonzernen wie Techem, denn die liefern Daten. Hier will die EU dem Vernehmen nach beleuchten, ob TPG als Eigner sowohl Aareons wie auch Techems den Wettbewerb beeinträchtigte.
Eine vertiefte Prüfung würde aber Monate dauern – während die Transaktion in der ersten Jahreshälfte abgeschlossen sein sollte; unter anderem laufen die Kreditvereinbarungen mit den Banken nicht ewig. Andererseits haben alle Beteiligten ein Interesse an dem Deal. Auf Verkäuferseite musste Partners Group länger als erhofft nach einem Käufer suchen, die ursprüngliche Preisvorstellung ließ sich bei Weitem nicht durchsetzen. Das designierte Käuferduo bot dem Vernehmen nach am Ende den höchsten Preis. Auf Käuferseite will man nicht monatelang Ressourcen fruchtlos aufgewendet haben, außerdem stehen Private-Equity-Fonds generell unter Anlagedruck.
Gibt es eine zweite Runde?
Die Frage stellt sich nun, ob und, wenn ja, wie der Deal gerettet werden kann. „Nach der Überraschung schütteln die sich jetzt erst mal“, sagte eine Person, die mit dem Verfahren vertraut ist. In Finanzkreisen wurden verschiedene Varianten für eine mögliche Lösung gehandelt. Die Beteiligten könnten die künftige Eignerstruktur ändern, um die vertiefte Kartellprüfung doch noch zu vermeiden. TPG könnte theoretisch in eine Minderheitsposition gehen – wobei die Amerikaner allerdings üblicherweise Kontrollbeteiligungen wollen. Umgekehrt ist GIC eher als Minderheitseigner bekannt. Oder aber die Beteiligten könnten versuchen, mit Fremdkapitalgebern längere Kreditfristen auszuhandeln – um doch eine vertiefte Prüfung hinzunehmen. Welche konkreten Maßnahmen zur Diskussion stehen, ist derzeit Spekulation. Versichert wurde aber von mehreren Seiten, dass die Transaktion nicht endgültig vom Tisch sei. In diesem Sinne dürfte auch eine Stellungnahme von Techem zu interpretieren sein, die da lautete: „Wir stehen in engem Austausch mit allen beteiligten Parteien, um Klarheit über die nächsten Schritte zu schaffen.“ Dass die Transaktion stark wackelt – das ist am Markt allerdings ebenso unisono zu hören. TPG äußerte sich nicht.
Alter Bekannter für Private Equity
Techem erfasst wie sein großer deutscher Konkurrent Ista den Wärme- und Wasserverbrauch in Mehrfamilienhäusern und berechnet die Kosten für die einzelnen Haushalte. Kunden sind Wohnungsbaugesellschaften, Hausverwaltungen und Eigner in Mehrfamilienhäusern. Das Unternehmen wurde 1952 gegründet und ging ab 1996 schon durch die Hände mehrerer Finanzinvestoren. Es erzielt etwa eine Milliarde Euro Jahresumsatz und bedient mehr als 13 Millionen Wohnungen in 18 Ländern.