10.000 Demonstranten gehen gegen Netzagentur auf die Straße

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Ein Meer aus knallgelben Westen zieht sich den Bürgersteig der Helmut-Kohl-Allee vor dem Gebäude der Bundesnetzagentur entlang. Rund 10.000 Beschäftigte der Energiewirtschaft sind nach Polizeiangaben nach Bonn gekommen, um vor der Zentrale der Regulierungsbehörde zu demonstrieren; die meisten von ihnen sind in einem von 155 Reisebussen aus verschiedensten Orten Deutschlands angereist. Der per Audio zugeschaltete Verdi-Vorsitzende Frank Werneke ruft der Menge zu: „Das ist die größte Aktion der Energiewirtschaft seit vielen, vielen Jahren!“ Die Bundesnetzagentur sei „auf der komplett falschen Spur, weil sie die Beschäftigten vor den Kopf schlägt“.

Auf dem von der Gewerkschaft Verdi organisierten und unter dem Namen „BNetzAktionstag“ beworbenen Event wehren sich an diesem Donnerstag Mitarbeiter der Energienetzbetreiber gegen eine Neuordnung, die von 2029 an gelten und den monopolistischen Anbietern strengere Regeln auferlegen soll. Die Protestteilnehmer befürchten, dass sie dadurch Privilegien verlieren könnten. Eine Kundgebung von solcher Größenordnung ist für die Bundesnetzagentur (BNetzA) ein Novum. Ähnliche Demonstrationen fanden früher in Berlin statt, mittlerweile aber ist die Bonner Behörde ein politischer Spieler geworden, mit unabhängiger Entscheidungsgewalt, die in den konkreten Arbeitsalltag Tausender Menschen hineinreicht.

„Noch mehr über die Lohnkosten konkurrieren“

Was die Energie-Beschäftigten so wütend macht: eine geplante Änderung der so genannten Anreizregulierung. Energienetze sind natürliche Monopole. Durch die Anreizregulierung sollen die Netzbetreiber trotzdem eine Motivation erhalten, sich kosteneffizient aufzustellen. Dafür werden so genannte Effizienzvergleiche zwischen den Anbietern gemacht. Doch nicht alle Kosten fließen bislang dort ein. So müssen sich die Betreiber nicht mit ihren Konkurrenten messen, wenn es um betriebliche Leistungen für Mitarbeiter geht, etwa um Lohnzusatzkosten oder Weiterbildungen.

Für die Zukunft allerdings muss die Behörde den Regulierungsrahmen für die Strom- und Gasnetzbetreiber vor dem Hintergrund eines Urteils des Europäischen Gerichtshofs neu setzen. Mehrere Leistungen für Mitarbeiter sollen dann nicht mehr unter die „dauerhaft nicht beeinflussbaren Kosten“ fallen und Teil des Effizienzvergleichs werden. Verdi schreibt im Internet zu den befürchteten Folgen: „Unsere Unternehmen sollen also in Zukunft noch mehr über die Lohnkosten miteinander konkurrieren. Das werde „zu vielen Verschlechterungen“ führen.

Verdi argumentiert, die BNetzA mische sich in die Tarifautonomie ein und der zusätzliche Druck gefährde den Betriebsfrieden und die Wettbewerbsfähigkeit der Branche. Die BNetzA hingegen versichert gegenüber der F.A.Z.: „Wir haben keinen Zweifel, dass die Netzbetreiber ihren Beschäftigten auch zukünftig sehr attraktive Arbeitsbedingungen bieten können.“

„Schutz der Haushalte und anderer Netznutzer“

Die Gründe, warum der Ausnahmenkatalog für den Effizienzvergleich kürzer werden soll, gehen aus einem Brief von Netzagenturchef Klaus Müller an Betriebsratsvorsitzende hervor, der der F.A.Z. vorliegt. Kosten, die exogen, also vom Netzbetreiber nicht beeinflussbar sind, sollen demnach auch in Zukunft außen vor bleiben, ebenso wie Kosten, die zwischen den einzelnen Anbietern nicht vergleichbar oder sehr volatil sind. Nach Ansicht der Behörde treffen diese Kriterien für Lohnzusatzkosten, Kosten für Betriebsratstätigkeit, für Aus- und Weiterbildung und für Betriebs-Kitas aber nicht zu.

Übergeordnetes Ziel ist, dass die ohnehin steigenden Energiepreise nicht durch hohe Netzkosten aus dem Ruder laufen. „Dies dient dem Schutz der Haushalte und anderer Netznutzer“, schreibt Müller, schließlich könnten sie sich „ihren jeweiligen Netzbetreiber nicht aussuchen“.