Wie Amerika auf die Wahl von Papst Leo XIV. reagiert hat

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Die Amerikaner zählen sich selten zu den Hinterbänklern. Doch als in Rom am Donnerstag weißer Rauch aufstieg, rechnete in den Vereinigten Staaten niemand damit, dass gleich der erste amerikanische Papst der Geschichte bekanntgegeben würde. Zu einflussreich sei das Land, als dass man ihm auch noch den Papsttitel zugestehen würde, hieß es bis dahin immer. An der Basilika in Washington läuteten die Glocken, nachdem der Name Leo XIV. gefallen war. Ein Video zeigte eine überdimensionale amerikanische Flagge am Glockenturm der größten katholischen Kirche des Landes. Walter Rossi, der Rektor der Basilika, äußerte später, man bete künftig in allen Messen für „Leo, unseren Papst“.

In einer Zeit, in der die amerikanische Gesellschaft sich über viele Themen entzweit, einte die Amerikaner am Donnerstag eines: die Überraschung über die Personalie. Präsident Donald Trump hatte erst am Wochenende mit einem KI-generierten Bild Aufmerksamkeit auf sich gezogen, das ihn im Papstgewand zeigte, und das über die Social-Media-Kanäle des Weißen Hauses verbreitet wurde. Später hieß es, er habe damit „nichts zu tun“ gehabt.

„Welch große Ehre für unser Land“

Am Donnerstag gehörte Trump zu den ersten Gratulanten des neuen Papstes. „Was für eine Freude und welch große Ehre für unser Land“, schrieb der Präsident auf seiner Plattform Truth Social. Er freue sich darauf, Papst Leo XIV. kennenzulernen. Es werde ein „bedeutsamer Moment“ sein. Auch Vizepräsident J.D. Vance, ein konvertierter Katholik, sprach Kardinal Robert Prevost aus Chicago seine Glückwünsche aus. Er sei gewiss, „dass Millionen amerikanischer Katholiken und anderer Christen für seine erfolgreiche Arbeit an der Spitze der Kirche beten werden“.

Doch es dauerte nicht lang, da holte die amerikanische Politik auch die Papstwahl ein. Keine zwei Stunden nach der Bekanntgabe der Personalie entspann sich in den sozialen Netzwerken schon ein Streit darüber, welchem Lager Leo XIV. zuzuordnen sei. Er hatte sich als Kardinal mehrfach kritisch über die Migrationspolitik Trumps geäußert.

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Vor drei Wochen etwa teilte er auf X den Artikel eines Washingtoner Bischofs, in dem dieser das „sich entfaltende Elend“ durch Trumps Abschiebungskampagne kritisierte. Kurz vorher hatte er einen Beitrag kommentiert, in dem es um Vance’ Aussagen zur christlichen Nächstenliebe ging, die zuerst der Familie und den Nächsten gelten müsse. Der Vizepräsident liege „falsch“, schrieb er, und schlug sich damit auf die Seite des verstorbenen Papst Franziskus.

Im Jahr 2018 teilte der amerikanische Kardinal auf dem damals noch Twitter genannten X außerdem einen Beitrag des Erzbischofs von Chicago, in dem dieser die Familientrennung der Regierung kritisierte. Dort hieß es, eine Politik, die Eltern ihre Kinder wegnehme, habe „nichts mit christlichen oder amerikanischen Werten“ zu tun und sei moralisch nicht vertretbar.

Wut der MAGA-Anhänger

Das reichte, um in den sozialen Netzwerken einen Sturm glühender Trump-Anhänger loszutreten. Die rechte Aktivistin und Verschwörungstheoretikerin Laura Loomer kommentierte etwa, Papst Leo sei „Anti-Trump, Anti-MAGA, für offene Grenzen und ein totaler Marxist“ wie Papst Franziskus. „Eine weitere marxistische Marionette im Vatikan“.

Der Influencer Matt Wallace, der in seinem Podcast häufig Verschwörungstheorien verbreitet, schrieb auf X, der neue Papst unterstütze „Massenmigration in den Westen“. Trumps früherer Chefberater Steve Bannon äußerte, Papst Leo sei „die schlimmste Wahl für MAGA-Katholiken“. Viele linksliberale Kommentatoren wiederum jubelten: Biete mit Papst Leo jemand Trump künftig endlich öffentlich die Stirn?

2024 spricht Robert Prevost noch als Kardinal in einer Kirche in New Lenox, Illinois.
2024 spricht Robert Prevost noch als Kardinal in einer Kirche in New Lenox, Illinois.Midwest Augustinian Province of Our Mother of Good Counsel via AP

Einige Beobachter mutmaßen, Leo werde zurückhaltender vorgehen als Franziskus, der auf Vance’ Äußerungen zur Nächstenliebe in einem Brief an die amerikanischen Bischöfe reagiert hatte, wenn auch ohne Namensnennung. Ein Großteil der etwa 53 Millionen Katholiken in den Vereinigten Staaten gilt als konservativ, vor allem diejenigen, die noch in die Kirche gehen. Franziskus hatte die katholische Kirche in den Vereinigten Staaten im vergangenen Jahr als „sehr stark reaktionär“ und rückwärtsgewandt bezeichnet.

Neben der politischen Debatte, die sich über Papst Leos Haltung entspann, trug seine Geburtsstadt Chicago ihren Stolz am Donnerstag mit Humor zur Schau. Der Bürgermeister der Stadt, Brandon Johnson, schrieb auf X: „Alles Coole kommt aus Chicago, sogar der Papst!“ Der Bruder des neu ernannten Papstes, John Prevost, klärte in einem Interview die wichtigste Frage für viele Chicagoer: Der Papst sei sein Leben lang Fan des Baseball-Teams der White Sox gewesen – nicht der Cubs. Er wisse nicht, wie sich diese Falschinformation verbreitet habe.

Er habe vor dem Konklave am Dienstag noch mit seinem Bruder gesprochen. Der habe selbst nicht geglaubt, er könne jemals Papst werden. Aber er soll vorher gerade noch den Film „Konklave“ fertig geschaut haben.

In den sozialen Netzwerken kursierten derweil schon KI-Bilder des neuen Papstes mit Klassikern aus Chicago: der Deep-Dish-Pizza etwa. Ein Benutzer schrieb, mit Papst Leo gebe es statt Messwein künftig Goose Island IPA. Das Bier wird in Chicago gebraut.