Das Wetter ist heiter in Hamburg, der Rahmen ist festlich zur Taufe des neuesten Kriegsschiffs für die Bundesmarine – und die Stimmung wirkt manchmal fast fröhlich. „Eine Insel mit zwei Bergen“ schmettert das Musikkorps auf Wunsch der Patenstadt Augsburg, Namensgeberin der neuen Korvette. Doch über der Feier hängt die unheilvolle Bedrohung durch Russland und das Bewusstsein, dass es angemessen wäre, das Schiff bald in Betrieb nehmen zu können, um die Ostsee sicherer zu machen. Fakt ist: Dieses Jahr wird es nicht mehr klappen mit der Ablieferung der Korvette Augsburg an die Marine. Mehr noch: Das gilt auch für die Korvetten Köln, Emden und Karlsruhe, baugleiche Schiffe des Typs K130, die in den vergangenen drei Jahren schon getauft wurden.
Das Thema Tempo ist so bedeutend, dass es nur ein paar Sätze braucht, bevor Tim Wagner in seiner Festansprache zum Punkt kommt: „Gerne würden wir die Boote schneller abliefern“, sagt der Vorstandschef der Werftengruppe NVL, die gemeinsam mit TKMS (Thyssenkrupp Marine Systems) und GNYK (German Naval Yards Kiel) insgesamt fünf Korvetten bauen – Kriegsschiffe, von denen jedes einzelne fast 600 Millionen Euro kostet. Der Wille, die Boote schnellstmöglich der Marine zur Verfügung zu stellen, müsse aber alle erreichen, fordert Wagner: Management und Fertigung ebenso wie „die Abnahme“ – sprich die Bundeswehr.
„Russland mit seinen Streitkräften ist eine schnell wachsende Gefahr“
Dort, in der Bundeswehr, sieht man die Verantwortung für die verspätete Fertigstellung offenbar anders, was etwa daran deutlich wird, dass von „industriell bedingter Verzögerung“ die Rede ist. Dass Geschwindigkeit jetzt wichtig sei, betonten in ihren Ansprachen zur Taufe aber sowohl Konteradmiral Christoph Joachim Müller-Meinhard, Kommandeur im Marinekommando Rostock, wie auch Flottillenadmiral Andreas Czerwinski vom Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr. „Russland mit seinen Streitkräften ist eine reale und schnell wachsende Gefahr“, sagte Müller-Meinhard. Das bedeute für die Marine: „Wir müssen noch wachsamer, vor allem aber viel schneller und innovativer werden.“
Ziel der Marine sei es daher, die Flotte bis zum Jahr 2035 vollständig zu modernisieren. Nahziel sei es, die Bestandsflotte bis spätestens 2029 kriegstüchtig zu machen. Ein Meilenstein dafür sei die Taufe der Korvette Augsburg, sagte Müller-Meinhard, forderte aber ebenfalls mehr Tempo: „Wir müssen auf allen Seiten viel häufiger über unsere prozessualen und vertraglichen Schatten springen. Denn es geht um die Sicherheit unseres Landes und seiner Menschen.“
Die IT-Systeme sollten gegen Cyberattacken möglichst immun sein
Was den in Hamburg auf der zu NVL gehörenden Werft Blohm+Voss liegenden Kriegsschiffen noch fehlt, ist nicht im Detail bekannt. Neben der Luftaustausch-Rate wurden offenbar auch Getriebe und Kupplungen bemängelt. Das wichtigste Problem scheint jedoch darin zu liegen, die IT-Systeme für die Waffensysteme und Sensorik gegen Cyberattacken immun zu machen. Dass hier nachgearbeitet werden muss, hängt schon damit zusammen, dass der Auftrag für die Korvetten im Jahr 2017 erteilt wurde, als die Gefahrenlage eine völlig andere war.
Hundertprozentige Perfektion passt nicht mehr
Durch den Ukraine-Krieg hat sich vor allem in jüngster Zeit das Entwicklungstempo in Sachen Kriegstechnik erheblich beschleunigt. Die Zyklen seien so schnell, dass hundertprozentige Perfektion überhaupt nicht möglich sei, sagte Wagner. „Wir müssen prüfen, ob für eine frühere Nutzung in Teilbereichen auch 80 Prozent reichen, wenn dadurch die Funktion und die Sicherheit der Korvetten nicht gefährdet sind“, forderte Wagner: „Es braucht dafür einen klaren Willen, den richtigen Vertrag und die Absicht und das Vertrauen, diesen gemeinsamen Weg zu gehen.“

Zwischen den Zeilen fordert Wagner damit eine grundsätzliche Veränderung der Vergabeverfahren für solche Großprojekte. Dieses Thema hat für die gesamte Marine und damit auch für die ausführenden Werften eine erhebliche Relevanz, denn eine Reihe von weiteren, noch viel größeren Kriegsschiffen soll schnell gebaut werden. Haushaltsmittel für die Projektierung der nächsten Fregatten-Generation F127 sind schon freigegeben. NVL hat zusammen mit TKMS schon einmal ein Gemeinschaftsunternehmen gegründet, um schnell loslegen zu können, sofern der Auftrag erteilt wird.
Weil sich die Bedrohungsarten schnell änderten, seien starre Spezifikationen nicht hilfreich, erklärte der NVL-Chef am Rande der Taufzeremonie gegenüber Journalisten: „Wir brauchen mehr Flexibilität, weil wir eben zukünftig auch auf neue Bedrohungslagen reagieren wollen, und nicht erst die Schiffe fertig bauen, um sie dann mal nach zehn bis fünfzehn Jahren wieder umzurüsten, wie das früher der Fall war.“
Die K130-Korvetten, zu denen die „Augsburg“ zählt, werden in der Marine als „Arbeitstier“ bezeichnet. Hauptaufgabe der 89 Meter langen Schiffe ist die Überwachung und Aufklärung sowie der Kampf in Küstengewässern. Die Korvetten sind schwer zu orten, können ihrerseits Radar und Videosensoren einsetzen und zudem mit Drohnen den Aufklärungsradius erweitern.
Die Hauptbewaffnung ist ein Lenkflugkörper mit GPS-Steuerung und eigenen Sensoren, der nicht nur Ziele auf der See, sondern auch an Land ansteuern kann. Eine Schnellfeuerkanone kann auch gegen Luftziele eingesetzt werden. Zudem gibt es eine Reihe von Waffen zur Abwehr von Booten und Flugkörpern, für Täuschungsmanöver und zur Nahverteidigung.
Für die Auslieferung der fünf Korvetten stellte NVL-Chef Tim Wagner gegenüber Journalisten in Aussicht, die Schiffe ab dem Jahr 2026 sukzessive aufzuliefern und die Auslieferung im Jahr 2027 abzuschließen.