“Skinny Tok”: TikTok-Trend schadet der Gesundheit

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Experten warnen vor “Skinny Tok”

Neuer Internettrend bringt alten Schlankheitswahn zurück


Aktualisiert am 09.05.2025 – 11:13 UhrLesedauer: 3 Min.

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Das Dünnsein wird verherrlicht: Auf TikTok kursiert der problematische Trend “Skinny Girl Mindset”. (Quelle: bymuratdeniz/getty-images-bilder)

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Auf TikTok verbreitet sich eine bedenkliche Bewegung, die extremes Abnehmen und Hungern idealisiert. Gesundheit spielt dabei keine Rolle.

Mit harmlos klingenden Tipps für ein “leichteres Leben” befeuern Influencerinnen auf TikTok einen gefährlichen Trend. Sie propagieren extrem dünne Körper als Schönheitsideal und rufen zur Selbstkontrolle beim Essen auf. Was auf den ersten Blick wie gesunde Motivation klingt, birgt in Wahrheit ein hohes Risiko für Körper und Psyche – vor allem bei Jugendlichen.

Sichtbare Knochen, ausgemergelte Körper, Hungern bis zur Erschöpfung – all das feiern junge Frauen unter dem Hashtag #skinnytok auf der Social-Media-Plattform TikTok. Sie wollen auch andere zum Abnehmen anregen und teilen Sprüche wie “Eat small to be small” (“Iss wenig, um dünn zu sein”), “Nichts schmeckt so gut, wie sich dünn sein anfühlt” oder “Was du heimlich isst, trägst du öffentlich”. Manche posten sogar manipulierte KI-Bilder ihres “Traumbodys”, um sich selbst und andere unter Druck zu setzen.

Der neue Schlankheitstrend setzt dabei nicht auf harte Diäten, sondern auf eine bestimmte Lebenseinstellung: das “Skinny Girl Mindset”. Wer “dünn denken” lernt, glaubt, automatisch dünn zu werden. Dazu gehören Tipps wie:

  • immer kleinere Portionen essen,
  • emotionale Snacks vermeiden,
  • auf Belohnungen verzichten.

“Der TikTok-Algorithmus ist gnadenlos”, warnt Prof. Eva-Maria Skoda, Fachärztin für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie an der LVR-Universitätsklinik Essen in einem Interview mit der “Apotheken Umschau”. Wer einmal ein Video gelikt oder zu lange angeschaut hat, bekommt immer mehr davon angezeigt. “So geraten vor allem Jugendliche schnell in eine Spirale aus extremen Inhalten”, sagt Skoda.

Besonders gefährdet sind laut Experten junge Menschen, die ohnehin mit Selbstwertproblemen kämpfen. “Wenn der Körper das Einzige ist, worüber man sich definiert, ist das gesellschaftlich eine besorgniserregende Entwicklung”, so Skoda.

Auch andere Fachleute schlagen Alarm: “Skinny Tok” könne Magersucht, Bulimie oder Binge-Eating (Essanfälle ohne Erbrechen) fördern. Neue Zahlen zeigen, dass Essstörungen in Deutschland stark zunehmen – vor allem unter Mädchen. Sie verglichen sich häufiger in sozialen Medien und verspürten einen höheren Druck, Schönheitsidealen zu entsprechen.

Belgien, Frankreich und andere EU-Staaten haben die Gefahr erkannt. Sie fordern von der EU-Kommission ein härteres Vorgehen gegen TikTok. “Warnhinweise unter den Videos reichen nicht aus”, kritisierte die belgische Digitalministerin Vanessa Matz. Die Kommission untersucht TikTok bereits wegen des Verdachts, Minderjährige nicht ausreichend zu schützen. Bei Verstößen drohen dem Konzern ByteDance hohe Strafen.

TikTok selbst wies die Vorwürfe zurück. Es sei auf der Plattform verboten, Essstörungen oder gefährliches Abnehmverhalten zu zeigen. Wer nach Begriffen wie “Anorexie” (Magersucht) suche, bekomme Tipps und Links zu Beratungsstellen angezeigt. Ein Schnelltest zeigt jedoch: Wer nach “Skinny Tok” sucht, erhält keine solchen Hinweise.

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Anfällig für “Skinny Tok”: Auf TikTok finden sich zahlreiche Videos mit Abnehmtipps bis hin zur Verharmlosung von Magersucht. (Quelle: fcafotodigital/getty-images-bilder)
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Bei der “Skinny Tok”-Bewegung wird Hunger fälschlicherweise als “Erfolg” gefeiert. Doch anhaltendes Hungern schadet Körper und Geist. Typische Folgen sind:

  • Haarausfall
  • brüchige Nägel
  • Konzentrationsprobleme und “Gehirnnebel” (brain fog)
  • schwaches Immunsystem
  • Stoffwechselprobleme, Muskelabbau und Organstörungen

Methoden wie das Essen nur einer Mahlzeit pro Tag oder das Unterdrücken des Hungergefühls durch Kaffee und Wasser können zudem gefährliche Mangelerscheinungen auslösen.

Soziale Medien lassen sich im Alltag von Jugendlichen nicht vermeiden. Umso wichtiger ist es, mit den Kindern ins Gespräch zu kommen. “Eltern sollten sich dafür interessieren, was ihre Kinder anschauen – und erklären, dass viele Inhalte inszeniert sind”, rät Fachärztin Skoda. Auch Medienkompetenz in der Schule spielt eine zentrale Rolle. Junge Menschen sollten lernen zu hinterfragen, was sie sehen – und dass ihr Selbstwert nicht vom Körpergewicht abhängt.

Wer sich Sorgen macht, sollte den Jugendlichen behutsam ansprechen – ohne ihn direkt auf Gewicht oder Essen zu reduzieren. Erste Anlaufstellen für Hilfsangebote sind Haus- oder Kinderärzte sowie spezialisierte Beratungsstellen.