Vorne mittig sitzen Putin und sein wichtigster Gast, Chinas Präsident Xi Jinping. Beide tragen das schwarz-orangefarbene „Georgsband“ auf der Brust. Es steht nicht nur für den Sieg über NS-Deutschland, sondern schon seit 2014 für die Aggression gegen die Ukraine. Auch viele andere Gäste haben sich die Schleife anheften lassen. So der brasilianische Präsident Luis Inácio Lula da Silva, der ägyptische Machthaber Abd al-Fattah al-Sisi und die Militärherrscher von Myanmar und Burkina Faso.
Manche Gäste tragen Putins Abzeichen indes nicht. So Serbiens Präsident Aleksandar Vučić, dessen Land ein Beitrittskandidat der EU ist, und der slowakische Ministerpräsident Robert Fico, dessen Land EU- und NATO-Mitglied ist, wie das Staatsfernsehen hervorhebt. Es zeigt die Gäste wie Trophäen und Belege dafür, dass Russland nicht isoliert sei. Auch Armeniens Ministerpräsident Nikol Paschinjan, der einen EU-Beitritt anstrebt, trägt kein „Georgsband“ am Mantel, nicht einmal Alexandr Lukaschenko, Putins belarussischer Gewährsmann.
Die Ukraine wird nicht beim Namen genannt
Doch die Präsenz in Moskau an diesem Tag ist Symbol genug. Die Regie suggeriert über die gesamte Dauer der mehr als eine Stunde dauernden Parade, dass der vor 80 Jahren gewonnene Krieg und der aktuelle Krieg zusammenhingen. Sie hat unter die Staatsgäste alte Männer mit Orden an der Brust – zwei von diesen flankieren Putin und Xi auf der Tribüne – und junge Krieger mit Orden gemischt. In der Kreml-Darstellung haben sie alle gleichermaßen Verdienste im Kampf gegen Nationalsozialisten erworben.
Der Sprecher sagt, unter den mehr als 11.500 russischen Teilnehmern der Parade seien mehr als 1500 in der „speziellen Militäroperation“ gewesen, wie der Angriffskrieg gegen die Ukraine genannt wird. Mehr denn je also. Bei der ersten Parade nach dem Überfall von 2022 war gar keine Zahl zu den aktuellen Kriegsteilnehmern gefallen; 2023 war von 530, im vergangenen Jahr von mehr als 1000 die Rede. Nun vermischt der Sprecher die historische Rolle einzelner Einheiten auf dem Roten Platz mit Aufgaben im aktuellen Krieg, bei denen Soldaten „Heldentaten“ vollbrächten, Siegeswillen zeigten, Feinde vernichteten.

Die Ukraine wird kein einziges Mal beim Namen genannt, auch nicht in Putins Rede, als wäre das Land schon von der Karte getilgt. 2022 hatte Putin noch den Donbass und die Krim erwähnt, 2023 dem Westen die Schuld an der „Katastrophe, die jetzt das ukrainische Volk durchlebt“ gegeben. Schon 2024 war die Ukraine dann aus Putins Skript verschwunden. „Russland ist und bleibt eine unzerstörbare Barriere gegen Nazismus, Russophobie und Antisemitismus und wird die von den Verfechtern dieser aggressiven und zerstörerischen Ideen begangenen Schandtaten bekämpfen“, sagt er nun in seiner Ansprache.
Russen sollen dabei an die Ukraine und den Westen denken. Land, Gesellschaft und Volk unterstützten die Teilnehmer der „speziellen Militäroperation“, sagt Putin. „Wir sind stolz auf ihren Mut und ihre Entschlossenheit, diese Geisteskraft, die uns immer nur den Sieg gebracht hat.“ Wohl mit Rücksicht auf die Annäherung des amerikanischen Präsidenten Donald Trump, von der sich der Kreml weiter ein Ende der Militärunterstützung für Kiew zu versprechen scheint, unterlässt Putin dieses Mal anders als in den vergangenen drei Jahren direkte Ausfälle gegen den Westen.
Einige Herrscher hatten spontan abgesagt
Neuerlich beansprucht er den Sieg der Sowjetunion für Russland: „Als Erben der Sieger“ feiere man den Sieg als eigenen, sagt er. Die Rotarmisten „bleiben in der Weltgeschichte auf ewig als russische Soldaten“, sagt er, lobt aber später, offenbar mit Rücksicht auf die entsprechenden Gäste, den Beitrag der „Bewohner Zentralasiens und des Südkaukasus“ sowie „das mutige Volk Chinas“ und indirekt auch die westlichen Alliierten der Sowjetunion: „Wir werden uns immer daran erinnern, dass die Öffnung der zweiten Front in Europa – nach den entscheidenden Schlachten auf dem Gebiet der Sowjetunion – den Sieg nähergebracht hat.“
Nach Putins Rede ziehen Einheiten „befreundeter Staaten“ an der Tribüne vorbei, auch aus Aserbaidschan und Laos, deren Herrscher kurzfristig doch nicht nach Moskau gekommen sind, laut Kreml wegen anderer Termine respektive einer Covid-Erkrankung. Chinas Präsident Xi steht für seine Ehrenformation auf, Sisi für seine Militärpolizei. Bald rollen Panzer über den Platz, und auf Lastwagen zum ersten Mal auch Kampfdrohnen, die laut dem Regime „alle breit und effektiv“ in der „Spezialoperation“ eingesetzt würden.
Es folgen Iskander-M-Raketen. Eine solche schoss Putins Militär etwa Anfang April auf die ukrainische Stadt Krywyj Rih ab; nach russischer Darstellung tötete sie „bis zu 85 ukrainische Soldaten und Offiziere ausländischer Staaten“, nach ukrainischen Angaben dagegen 20 Zivilisten, unter ihnen neun Kinder auf einem Spielplatz. Ihrer wird hier nicht gedacht. Nach der Parade spricht Putin kurz mit nordkoreanischen Militärs auf dem Roten Platz, es ist eine neuerliche Anerkennung für Pjöngjangs lange geleugnete, erst Ende April zugegebene Waffenhilfe im Kursker Gebiet. Dann legen Putin und seine Gäste Rosen am Grab des unbekannten Soldaten nieder, die Sonne scheint, das Militärorchester spielt auf.