Pünktlich um 9 Uhr hat der Lastwagenhersteller Daimler Truck am Freitag in seinen deutschen Fabriken die Bänder angehalten. Über Bildschirme in den Werkhallen und im Intranet startete ein Video, in dem Vorstandsmitglied Achim Puchert gemeinsam mit dem Gesamtbetriebsratsvorsitzenden Michael Brecht Einzelheiten zu dem Sparprogramm „Cost Down Europe“ vorstellte.
Kern der zwischen Arbeitnehmervertretern und Unternehmen ausgehandelten Vereinbarung sind ein Stellenabbau, eine zeitweise Absenkung der Tariflöhne sowie flexiblere Arbeitszeitregeln. Im Gegenzug verzichtet Daimler Truck bis Ende 2034 auf betriebsbedingte Kündigungen und verpflichtet sich, bis 2030 zwei Milliarden Euro in das deutsche Produktionsnetzwerk zu investieren. Die Zahl der Stellen, die wegfallen sollen, nannte das Unternehmen nicht.
„Unser Ziel ist es, Daimler Truck in Europa nachhaltig wettbewerbsfähig aufzustellen und starke Erträge für Investitionen in die Zukunft zu erzielen“, sagte ein Sprecher. Das Sparprogramm hat ein Volumen von rund einer Milliarde Euro, die Verhandlungen mit der Arbeitnehmervertretung liefen seit Anfang März. „Die Gespräche waren schwierig und zäh. Am Ende steht ein Kompromiss, bei dem sich beide Seiten bewegt haben“, sagte Gesamtbetriebsratschef Brecht der F.A.Z. „Wir haben alle Standorte erhalten und mit Zukunftsbildern versehen. Das war kein Selbstläufer. Hier hatten wir schwierige Diskussionen. Wir haben die bestehende Zukunftssicherung verlängert. Damit sind betriebsbedingte Kündigungen bis Ende 2034 ausgeschlossen, also für fast zehn Jahre.“ Am Ende stehe ein Kompromiss, bei dem sich beide Seiten bewegt haben. In Summe habe der Betriebsrat der Belegschaft in Deutschland Sicherheit in unsicheren Zeiten geschaffen.
Sparprogramm betrifft 28.000 Mitarbeiter
In dem Video erläuterte Puchert, der im Vorstand die Marke Mercedes-Benz Trucks verantwortet, dass die vereinbarten Maßnahmen für 28.000 Mitarbeiter des Lastwagenherstellers in Deutschland und vor allem für Mercedes-Benz Trucks gelten. „Von dem Programm ist sowohl die Produktion als auch die Zentrale, die Verwaltung, der Vertrieb und die Entwicklung an allen deutschen Standorten betroffen“, sagte Puchert. Daimler Truck hat Fabriken in Wörth am Rhein (Fahrzeuge), Kassel (Achsen), Mannheim (Motoren) und Gaggenau (Getriebe) und unterhält ein Vertriebszentrum in Berlin. Die Zentrale ist in Leinfelden-Echterdingen bei Stuttgart.
Das Sparvolumen von einer Milliarde Euro bezieht sich nur zu einem Teil auf den Abbau von Stellen, es geht auch um Einsparungen beim Materialeinkauf sowie andere Effizienzmaßnahmen in Abläufen und Prozessen. In die Entscheidung, ob Komponenten von Daimler Truck künftig selbst gefertigt oder an Zulieferer vergeben werden, muss der Betriebsrat der Einigung zufolge einbezogen werden. Das sei der Grund, dass die Anzahl der Stellen, die wegfallen, auch noch nicht feststeht. Wie Puchert in dem Video weiter sagte, werde man in der Produktion weitestgehend mit der natürlichen Fluktuation und Altersteilzeit bei der Reduzierung der Personalkosten hinkommen. „In den anderen Funktionen werden wir um einen sozialverträglichen Personalabbau nicht herumkommen.“ Die Details für das Abfindungsprogramm werden in den nächsten Wochen geregelt.
USA läuft gut, Europa schlecht
Während das Geschäft vor allem in den USA gut läuft, ist die Nachfrage in Europa und im Heimatmarkt Deutschland schwach. Das Unternehmen hatte in den vergangenen Monaten mehrfach angedeutet, dass Prozesse beschleunigt und Strukturen überprüft werden müssen, weil der Hersteller nach der Trennung vom Autohersteller Mercedes vor drei Jahren sehr schnell eine eigene Organisation habe aufbauen müssen. Zudem bereitet sich Daimler Truck darauf vor, dass künftig auch chinesische Hersteller in Europa Fuß fassen werden. „Wir brauchen in Deutschland und Europa schlankere und effektivere Strukturen“, erklärte Vorstandschefin Karin Rådström bei der Bilanzpressekonferenz Mitte März. „Es ist nicht einfach, unsere Kostenstrukturen an die niedrigeren Verkaufszahlen anzupassen.“ Der Absatz der in Europa verkauften Lastwagen der Marke Mercedes-Benz Trucks sank 2024 um 20 Prozent auf 126.477 Fahrzeuge.
Hintergrund des Sparpakets sind aber auch die Renditeziele von Daimler-Truck-Aufsichtsratschef Joe Kaeser, der anlässlich der Vorstellung von Karin Rådström im Oktober gesagt hatte: „Mittel- bis langfristig wollen wir nicht nur der größte Truck-Anbieter der westlichen Welt sein, sondern auch margenführend.“ Im Blick hatte Kaeser Wettbewerber wie Volvo und Scania. In Volvos Truck-Geschäft betrug die bereinigte Rendite im Gesamtjahr 2024 rund 12,7 Prozent, bei der VW-Tochtergesellschaft Scania 14,1 Prozent. Daimler Truck kommt im gleichen Zeitraum nur auf eine Rendite von 8,6 Prozent. Bei einem Umsatz von 54 Milliarden Euro erwirtschaftete das Unternehmen einen operativen Gewinn (Ebit) von 4,7 Milliarden Euro.