„Bei der Bahn gibt es eine Fülle von Herausforderungen“

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Das Management der Deutschen Bahn um den Vorstandsvorsitzenden Richard Lutz scheint vom neuen Verkehrsminister eine Schonfrist zu bekommen. Ein schneller Wechsel an der Spitze des Konzerns ist damit nicht wahrscheinlich. „Bei der Bahn gibt es eine Fülle von Herausforderungen“, sagte Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder (CDU) im Gespräch mit der F.A.Z.

Dabei gehe es nicht nur um eine personelle Neuaufstellung beim DB Konzern und der InfraGo, sondern auch um rechtliche und organisatorische Maßnahmen, die man ergreifen müsse. „Unser Ziel ist es, die Qualität des Schienenverkehrs deutlich zu verbessern. Das Geld, das wir in die Schiene investieren wollen, soll auch dort ankommen, wo es gebraucht wird.“

Was ist in zehn Jahren?

Union und SPD hatten sich im Koalitionsvertrag darauf geeinigt, dass sowohl der Aufsichtsrat als auch der Vorstand des DB-Konzerns und der Tochtergesellschaft InfraGO neu aufgestellt werden sollen. Konkrete Namen wurden nicht genannt. Aber die ungewöhnliche Formulierung nährte den Verdacht, dass die neue Regierung anders als der ehemalige Verkehrsminister Volker Wissing nicht mehr an Lutz festhalten wolle. Denkbar ist auch, dass der achtköpfige Vorstand verkleinert wird und im Aufsichtsrat mehr Fachleute und weniger Politiker sitzen werden.

Zunächst soll also die künftige Strategie im Zentrum stehen. „Wichtig ist, dass wir den richtigen Weg einschlagen“, sagt Schnieder. „Wie soll die Bahn in fünf oder zehn Jahren aussehen und wo soll sie stehen?“

Wie die Riedbahn?

Schon während der feierlichen Amtsübergabe mit Wissing hatte der 57 Jahre alte promovierte Jurist aus der Eifel deutlich gemacht, dass er keine Revolutionen im Verkehrsbereich plane, sondern die positiven Veränderungen in der letzten Legislaturperiode beibehalten wolle. „Der Eifler ist kein Revolutionär“, sagte er am Mittwoch. Das scheint auch für die Bahn zu gelten: Das, was er vorhabe, wolle er sorgfältig vorbereiten, bekräftigte er nun in dem Interview.

Auch das Konzept der Generalsanierung von 40 hochbelasteten Strecken könnte unter Schnieder noch einmal angepasst werden. Mit der Generalsanierung hatte sein Vorgänger das größte Sanierungskonzept in der Geschichte der Deutschen Bahn angestoßen, damit die Züge künftig wieder verlässlicher und pünktlicher fahren. Ursprünglich sollte es bis 2030 dauern, aber schon jetzt deutet sich an, dass es länger dauern und einen substanziellen Teil des 500-Milliarden-Euro-Sondervermögens verschlingen wird. „Wir halten an der Sanierung der Hochleistungskorridore fest“, versprach Schnieder.

Aber ob jede Sanierung wie bei der Riedbahn mit einer Vollsperrung erfolgen muss, sollte man sich auch noch einmal genau anschauen. Auch die Wettbewerber der Bahn im Güterverkehr pochen darauf, dass die Planungen noch einmal überprüft werden. Ihnen sind die Vollsperrungen, die mitunter wie bei der nächsten Sanierung zwischen Hamburg und Berlin sogar neun Monate dauern sollen, ein besonderer Dorn im Auge. Wichtig sei auch, dass unter der Sanierung nicht der Ausbau des Netzes in der Fläche leiden dürfe, betont Schnieder.

Auch den Autoverkehr einbeziehen

Das alles wird viel Geld kosten, die Bahn hat für die kommenden Jahre eine Finanzierungslücke von 150 Milliarden Euro ausgemacht, wenn auch der Aus- und Neubau des Netzes sowie eine umfassende schnelle Digitalisierung geplant sein soll. Von dem neuen Sondervermögen sollen allerdings auch noch die dringend notwendige Brücken- und Straßensanierung sowie die Energienetze profitieren. Außerdem gehen 100 Milliarden Euro an die Bundesländer und Kommunen. Wissing hat deshalb zum Ende seiner Amtszeit gewarnt, dass sich die neue Bundesregierung schon bald weitere Gedanken darüber machen müsse, woher sie mehr Geld beschaffe. Das könnte auch Schnieder so sehen. Jedenfalls machte er deutlich: „Wir haben enorme Aufgaben vor uns und werden auch in Zukunft im Haushalt anders priorisieren müssen.“

In der nächsten Legislaturperiode will er alle Verkehrsträger in den Blick nehmen – auch den Autoverkehr. Wiederholten Forderungen der Grünen, das Geld vor allem in die Sanierung von Brücken und Schienen zu stecken, erteilt er damit eine Absage. Als Beispiel nannte er die Autobahn A1. „Der Lückenschluss auf der A1 ist ein gutes Beispiel dafür, dass Investitionen in die Autobahn auch zu einer Reduktion von Lärm, Abgasen und CO2 beitragen können.“ Dabei geht es konkret um eine Autobahn-Lücke von rund 26 Kilometern zwischen der Ostsee und Frankreich. „Der Ausbau der Autobahn kann auch eine sinnvolle Klimaschutzmaßnahme sein, da bei einer effizienteren Streckenführung CO2 eingespart werden kann. Gleichzeitig können wir hier den Anwohnern mehr Lebensqualität schenken.“

Am Deutschlandticket, das Wissing als Flatrate für den gesamten Öffentlichen Personennahverkehr in Deutschland eingeführt hat, wollen SPD und Union festhalten, das hatten sie schon im Koalitionsvertrag vermerkt. Aber dort wird auch klargestellt: Die Finanzierung über das Jahr 2025 hinaus muss zwischen Bund und Ländern noch geklärt werden. Spätestens ab 2029 werden Nutzer stärker zur Kasse gebeten.

Das stark verbilligte Abo hatte im Mai 2023 einen Einstiegspreis von 49 Euro im Monat und kostet seit Anfang des Jahres 58 Euro. Rund 14 Millionen Menschen nutzen es inzwischen. Doch auch schon vor 2028 könnte der Preis weiter steigen, wenn sich Bund und Länder weiter so vehement über die Finanzierung streiten. Im Deutschlandticket sieht Schnieder Vorteile, vor allem sei es einfach zu handhaben. Aber man müsse auch eine ehrliche Bilanz ziehen, denn im ländlichen Raum seien nicht viele neue Nutzer hinzu gekommen.