Die Rhetorik zur Ankündigung des amerikanisch-britischen Handelsabkommens hätte bombastischer kaum sein können. Sowohl Donald Trump als auch Keir Starmer zogen direkte Parallelen zum Kriegsende in Europa vor genau 80 Jahren. „Wir haben den Sieg zusammen erreicht“, sagte der amerikanische Präsident am Donnerstag im Weißen Haus bei der Verkündung seines Deals mit den Briten. Handelsminister Howard Lutnick sprach von „einer neuen Ära in unserer Beziehung zum Vereinigten Königreich, unserem großartigen Verbündeten“.
Premierminister Starmer, der den Reden im Weißen Haus telefonisch lauschte, schien dann Trump in eine Reihe mit Churchill zu rücken. Fast auf die Stunde genau vor 80 Jahren habe der Kriegspremier „Victory in Europe“ verkündet, die Menschen hätten auf den Straßen gefeiert. Und nun die Einigung zum Handel: Es sei „ein echt phantastischer, historischer Tag“, schwärmte Starmer. Das Abkommen werde „dem Handel einen Schub geben“ und „Tausende Jobs in Schlüsselbranchen sichern“, sagte er. Zur Verkündung des Handelsdeals war Starmer in eine Fabrik von Jaguar Land Rover in Solihull in den englischen Midlands gereist.
Viele Details bleiben offen
Doch obwohl Trump behauptete, es sei ein „vollständiges und umfassendes“ Handelsabkommen mit dem Vereinigten Königreich geschlossen worden, ist der „Deal“ in Wahrheit nach Ansicht von Fachleuten eher begrenzt. Viele Details sind nach wie vor offen. Der von Trump im April verkündete Basiszollsatz von zehn Prozent auf fast alle Warenimporte bleibt. Starmer konnte erreichen, dass die britischen Automobilhersteller von Trumps 25-Prozent-Zoll weitgehend befreit werden. 100.000 Fahrzeuge – so viele wie im Vorjahr – dürfen die Briten jährlich zum Basiszoll von zehn Prozent in die USA exportieren. Stahl und Aluminium werden von Zöllen komplett befreit, was für das jüngst quasi-verstaatlichte Unternehmen British Steel wichtig ist.
Umgekehrt betonte Trump einen „dramatisch verbesserten“ Marktzugang für die amerikanischen Landwirte in Großbritannien. Handelsminister Lutnick sprach von fünf Milliarden Dollar zusätzlichen Exportchancen für Landwirte und Viehzüchter. Künftig können sie zollvergünstigt Rindfleisch ins Königreich exportieren, wobei Starmer mehrfach betonte, dass „rote Linien“ bei den Lebensmittelstandards gewahrt würden.
Zudem können die Vereinigten Staaten künftig bis zu 1,4 Milliarden Liter Ethanol zollfrei ins Vereinigte Königreich liefern. Der britische Bauernverband zeigte sich über beides nicht glücklich. „Unsere größte Sorge ist, dass diese zwei landwirtschaftlichen Bereiche ausgewählt wurden, um die Hauptlast zu schultern, damit die Zölle für die anderen Industrien entfernt werden“, sagte Tom Bradshaw, Präsident der National Farmers’ Union.
US-Autoverband kritisiert: Britische Hersteller werden bevorzugt
In den Vereinigten Staaten meldete sich der Verband der Automobilindustrie kritisch zu Wort und monierte die Senkung der Einfuhrzölle für britische Autos. Damit würden die Hersteller aus Großbritannien gegenüber der heimischen Industrie bevorzugt, die auf Autoteile aus Mexiko oder Kanada weiterhin 25 Prozent Zoll zahlen müssen, kritisierte der Branchenverband AAPC, der die großen Autohersteller Ford , General Motors und Stellantis mit Marken wie Jeep und Dodge vertritt. Aus Großbritannien kommen überwiegend Luxus- und Sportwagen von Herstellern wie Jaguar Land Rover, Bentley , Aston Martin oder McLaren . Diese waren in den vergangenen Wochen wegen des drohenden 25 Prozent US-Zolls alarmiert und hatten vor Verlusten und Entlassungen gewarnt.
Teil des Handelsabkommens sind Vereinbarungen zu Flugzeugen und Triebwerken. Rolls-Royce darf seine Flugzeugmotoren künftig wieder zollfrei in die Vereinigten Staaten liefern, woraufhin der Aktienkurs um fast vier Prozent stieg. Umgekehrt werden die Briten für mehrere Milliarden Dollar Maschinen vom Flugzeughersteller Boeing bestellen, hob Lutnick hervor.
Starmer schaffte als Erster Handelsdeal mit Trump
Am Freitag erklärte der Mutterkonzern IAG von British Airways, dass er 32 Boeing-Langstreckenmaschinen vom Typ 787-10 bestelle. IAG ordert aber zugleich weitere 21 Airbus-Flugzeuge vom Modell A330-900 neo, sodass von einer rein amerikanischen Bestellung keine Rede sein kann. Unklar ist, welche der Aufträge ohnehin geplant waren. Doch stellte Lutnick es so dar, als sei die Boeing-Bestellung ein besonderes Verdienst von Trumps „Deals“.
Noch keine Vereinbarung wurde für den Tech-Sektor geschlossen. Washington dringt auf eine teilweise Befreiung von der britischen Steuer auf Digitaldienste (Digital Services Tax), die fast eine Milliarde Pfund im Jahr einbringt und hauptsächlich von amerikanischen Konzernen gezahlt wird. Auch über den Pharmasektor wird weiter verhandelt, die Zollausnahme für Medikamente bleibt vorerst.
Premierminister Starmer kann sich als Erfolg gutschreiben, dass es ihm gelungen ist, als erstem mit Trump ein Handelsabkommen zu schließen, zwei Tage nach dem britischen Handelsabkommen mit Indien. Andere Länder wie Japan, Südkorea und Indien verhandeln intensiv mit Washington. Die Trump-Regierung spricht von bis zu achtzig Ländern.
Alles in allem bleibt aber der britisch-amerikanische Handelspakt gesamtwirtschaftlich von sehr begrenzter Bedeutung. Der Londoner Aktienindex FTSE 100 stieg am Freitag um knapp ein halbes Prozent. Entgegen Trumps Behauptung ist es kein umfassendes Freihandelsabkommen. Verhandlungen darüber würden üblicherweise nicht Wochen, sondern Jahre dauern.
Der handelspolitische Sprecher der oppositionellen britischen Konservativen, Andrew Griffith, monierte, das Abkommen sei „nur Diät-Cola, nicht die echte Sache“. Die Tory-Vorsitzende Kemi Badenoch schimpfte: „Wir wurden über den Tisch gezogen.“ Journalisten fragten Starmer in Solihull, ob Großbritannien nicht immer noch schlechter dastehe als vor ein paar Monaten. Der Premier hob lieber die positive Seite hervor. „Es wurden Jobs gerettet, noch nicht der Job erledigt.“ Man werde weiter verhandeln.