Es ist eine Alltagsweisheit, wird in Schulen unterrichtet und ist mit ein bisschen gesundem Menschenverstand erklärbar: Ein fallendes Ei, das hochkant – also auf eines seiner spitzen Enden – aufprallt, bleibt eher intakt als eines, das seitlich aufkommt. Klingt logisch. Doch dank einer aktuellen Studie, die im Magazin „Communications Physics“ erschienen ist, muss man sagen: Das war eine Alltagsweisheit. Eine Gruppe von Ingenieuren des Massachusetts Institute of Technology (MIT) hat die Sache in mehreren Experimenten genauer unter die Lupe genommen – und die gängige Annahme überlegt.
Die Idee kam den Forschern nach einem Ereignis, bei dem die Frage nach der Widerstandsfähigkeit der Eierschale besonders relevant ist: bei einer „Egg Drop Challenge“. Diese Wettbewerbe sind an Schulen beliebt, etwa im Physikunterricht. Die Schüler bauen aus Alltagsgegenständen wie Styropor, Strohhalmen und Folien spezielle Schutzhüllen und Fluggeräte, mit denen rohe Eier aus einer gewissen Höhe geworfen werden und dann möglichst unbeschadet aufkommen. Dabei lohnt es sich auch, auf die richtige Ausrichtung des Eis beim Aufprall zu achten.

Am MIT ist der Wettbewerb Bestandteil der Orientierungskurse für neue Maschinenbaustudenten. Tal Cohen, einer der Autoren der aktuellen Studie und Leiter der Forschungsgruppe, die den Wettbewerb veranstaltet, erinnert sich laut einer Pressemitteilung: „Jedes Jahr folgen wir der wissenschaftlichen Literatur und sprechen mit den Studenten darüber, wie das Ei positioniert werden muss, damit es beim Aufprall nicht zerbricht.“ Doch vor etwa drei Jahren kamen den Wissenschaftlern Zweifel: „Wir begannen uns zu fragen: Ist senkrecht wirklich stabiler?“
Das war der Beginn eines Forschungsprojekts. Die Ingenieure nahmen die nach dem Wettbewerb übrig gebliebenen Eier und begannen zwei Experimente. In einem davon ließen sie Eier aus verschiedenen Höhen auf eine harte Oberfläche fallen: acht, neun und zehn Millimeter. Schon dabei zeigte sich, dass Eier, die aufrecht aufprallten, öfter platzten. Bei acht Millimetern bekam beispielsweise die Hälfte der Eier, die auf eine der spitzen Seiten fielen, einen Sprung. Bei denen, die seitlich aufkamen, zerbrachen hingegen nur zehn Prozent. Anders als bislang angenommen halten die Eier seitlich somit mehr aus.

Beim zweiten Experiment untersuchten die Forscher mittels einer speziellen Presse, wie viel Druck die Eier standhalten. Sie fanden heraus, dass die Ausrichtung dabei egal war. Seitlich zusammengedrückte Eier hielten so viel aus wie hochkant gequetschte. Jedoch gab es einen entscheidenden Unterschied: Die seitlich zusammengedrückten Eier ließen sich bei gleicher Kraft mehr zusammendrücken. Seitlich sind die Eier also flexibler als hochkant.

So sind die Forscher nach 180 Eiern nicht nur der perfekten Fallrichtung auf die Spur gekommen. Sie haben auch einen Grund für die weitverbreitete falsche Annahme gefunden, dass ein hochkant fallen gelassenes Ei nicht so leicht zerbräche. Es liegt an der Verwechslung der Eigenschaften Steifigkeit und Zähigkeit. Eier sind steifer, wenn sie hochkant zusammengedrückt werden. Aber das bedeutet nicht unbedingt, dass sie in dieser Richtung auch zäher sind, also besser halten.
„Diese Ergebnisse und die damit verbundene Analyse zeigen, wie gefährlich es ist, im Physikunterricht an ‚Alltagsweisheiten‘ zu appellieren“, schreiben die Forscher in ihrer Studie. Die Erkenntnisse dürften aber auch im Ingenieurwesen bei Schalenstrukturen Anwendung finden – und natürlich auch bei der nächsten „Egg Drop Challenge“.