Mit Spannung wird erwartet, wie stark Wadephul bei seinem Antrittsbesuch eine Akzentverschiebung im Vergleich zu seiner Vorgängerin vornehmen wird. Die Grüne Annalena Baerbock hatte im Verlauf des Krieges und der sich verschlechternden humanitären Lage im Gazastreifen immer kritischere Töne gegenüber Israel angeschlagen, was auch zu Spannungen mit der israelischen Seite führte. In der früheren Bundesregierung kam es aufgrund der Bedenken der Grünen sogar zu Verzögerungen bei Rüstungsexporten an Israel. Wadephul hatte dies als Oppositionspolitiker kritisiert.
Allerdings macht auch die neue Bundesregierung Bedenken geltend mit Blick auf die humanitäre Lage im Gazastreifen und das israelische Vorgehen. Als Bundeskanzler Friedrich Merz am Donnerstag mit Netanjahu telefonierte, habe er den brutalen Terrorangriff der Hamas vom 7. Oktober auf das Schärfste verurteilt. Wie ein Sprecher der Bundesregierung mitteilte, habe Merz auch Besorgnis über das Schicksal der Geiseln und die humanitäre Not im Gazastreifen geäußert. Er habe seine Hoffnung zum Ausdruck gebracht, dass bald Verhandlungen über einen Waffenstillstand in Gang kommen.
„In unseren beiden Demokratien gehören kritische Diskussionen über die Politik der eigenen Regierung und befreundeter Nationen dazu“, sagte Wadephul vor Abflug. „Dies darf aber nie für Antisemitismus missbraucht werden.“ Zugleich sei Raum für sachliche Kritik „ein unverzichtbares Merkmal unserer freiheitlichen Gesellschaften“. Wadephul sagte: „Um diese Balance und Differenzierung müssen wir immer wieder neu ringen.“
Die neue Bundesregierung hatte abermals die Sicherheit Israels als Staatsräson ausgegeben. Merz hatte Netanjahu trotz eines Haftbefehls des Internationalen Strafgerichtshofs zugesagt, dass er Deutschland besuchen könne, ohne eine Verhaftung befürchten zu müssen. Eine konkrete Einladung gibt es aber offenbar noch nicht.