Rund die Hälfte der Patienten nimmt ihre Blutdruck-Medikamente nicht richtig ein. Was sie damit riskieren – und wie Ärzte dieses Problem beheben wollen.
Viele Menschen mit Bluthochdruck lassen ihre Tabletten einfach weg – oft aus Angst vor Nebenwirkungen. Dabei lässt sich das Risiko für schwere Folgen wie Herzinfarkt oder Schlaganfall mit der richtigen Therapie deutlich senken.
Blutdruckmedikamente retten Leben – trotzdem nehmen viele Menschen sie nicht regelmäßig ein. Laut einer Analyse sind bei mehr als der Hälfte der Betroffenen einzelne Medikamente im Blut oder Urin nicht nachweisbar. Rund ein Drittel nimmt sogar kein einziges der verordneten Präparate ein.
Diese Zahlen stammen aus klinischen Studien – im Alltag könnte die Lage sogar noch problematischer sein. Das berichtete Harm Wienbergen von der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK) auf einer aktuellen Jahrestagung.
“Die Nicht-Adhärenz gegenüber der medikamentösen Therapie ist ein großes Problem”, sagte der Kardiologe. Wer Bluthochdruck unbehandelt lässt, riskiere nicht nur eine stärkere Gefäßverkalkung, sondern auch Herzinfarkt, Schlaganfall und Demenz.
Nicht-Adhärenz, auch als Non-Adhärenz oder Nicht-Therapietreue bezeichnet, ist das Nichtbefolgen der gemeinsam mit dem Arzt vereinbarten Therapieempfehlungen.
Die neue Leitlinie der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie (ESC) greift das Thema auf und empfiehlt zwei einfache, aber wirksame Strategien:
- Medikamente in möglichst einfacher Form verschreiben
- Patienten eng begleiten und motivieren
Kombinationspräparate (Fixkombinationen) gelten dabei als Schlüssel. Sie enthalten mehrere Wirkstoffe in nur einer Tablette – das erleichtert die tägliche Einnahme.
Studien belegen: Wer eine Fixkombination nimmt, erreicht deutlich häufiger stabile Blutdruckwerte. Eine Lancet-Studie zeigte etwa, dass vier Wirkstoffe in niedriger Dosierung (Irbesartan, Amlodipin, Indapamid, Bisoprolol) wirksamer waren als eine Hochdosis-Einzeltherapie – bei gleicher Verträglichkeit.
Trotzdem werden Kombinationspräparate in Deutschland noch viel zu selten verschrieben. Der Anteil sank von 16 Prozent im Jahr 2016 auf nur 11 Prozent im Jahr 2020 – obwohl Leitlinien längst dazu raten. “Wir sollten uns vornehmen, diese Präparate häufiger zu verordnen”, forderte Wienbergen. Denn sie könnten nicht nur den Blutdruck effektiver senken, sondern auch dabei helfen, die Therapie durchzuhalten.

Auch der Zeitpunkt der Einnahme spielt bei der Therapietreue eine Rolle: morgens oder abends? “Nehmen Sie Ihre Tabletten dann, wenn Sie sie am wenigsten vergessen”, so der Rat vieler Experten. Wichtig sei allein die regelmäßige Einnahme.
- Ohne Tabletten: Das senkt Bluthochdruck effektiv
Neben der Art der Medikamentenverordnung ist auch das Gespräch mit dem behandelnden Arzt entscheidend. Laut Wienbergen funktioniert das besonders gut, wenn gemeinsam Vor- und Nachteile der Behandlungsoptionen besprochen werden. Und nicht zuletzt: Warum die Behandlung für den einzelnen Patienten wichtig ist.
Besonders überzeugend wirke oft das Argument, dass gute Blutdruckwerte das Risiko für Demenz senken könnten. Studien zeigen tatsächlich: Bei gut eingestelltem Blutdruck sinkt die Gefahr für geistigen Abbau um bis zu 17 Prozent.
Viele Menschen fürchten Nebenwirkungen – dabei sind sie meist deutlich seltener als gedacht. Selbst sogenannte “häufige” Nebenwirkungen treten bei weniger als zehn Prozent der Patienten auf. “Wer das Medikament weglässt, geht ein größeres Risiko ein”, so Prof. Frank Erbguth von der Deutschen Hirnstiftung. Ein Beispiel: Ein Fünftel aller von Schlaganfall Betroffenen in Deutschland erleidet eine zweite Attacke – oft vermeidbar durch konsequente Therapie.
Wer Fragen oder Bedenken hat, sollte sich nicht scheuen, ärztliche Hilfe zu suchen – auch nach dem Praxisbesuch. Denn nur dann, wenn Arzt und Patient gemeinsam an einem Strang ziehen, lässt sich das Risiko schwerer Folgeerkrankungen senken.