Die Bundesnetzagentur hat an diesem Montag Vorschläge für eine grundlegende Reform der Stromnetzentgelte gemacht. Dabei möchte die Behörde unter anderem Möglichkeiten ausloten, die Netzkosten „auf mehr Schultern zu verteilen“ und auch Stromproduzenten an den Netzkosten zu beteiligen.
Das wäre ein grundlegender Kurswechsel. Bislang zahlen ausschließlich Stromnutzer für das Netz. Das Argument für eine Änderung: Auch Einspeiser, zum Beispiel Solaranlagen, beanspruchen die Infrastruktur und sind auf ihren Ausbau angewiesen. Passieren könnte eine Beteiligung der Stromproduzenten der Bundesnetzagentur zufolge etwa über einspeiseabhängige Entgelte oder über ein Grundnetzentgelt, das auch Einspeiser zahlen.
„Wir müssen das System reformieren, nach dem Netzentgelte erhoben werden“, sagte der Präsident der Bundesnetzagentur, Klaus Müller. Die Zahl der Nutzer, die in voller Höhe Entgelte zahlen, werde immer kleiner, die Netzkosten würden immer größer. Die Netzentgelte machen derzeit mehr als ein Viertel des Strompreises aus. Zudem fehlten Signale, wie und wo Anlagen günstig betrieben werden können. Drittens gebe es „keine Anreize, die flexibles Verhalten belohnen, eher im Gegenteil“.
Große Autonomie der Netzagentur
Müllers Behörde muss das Netzentgelt-System ohnedies neu regeln, weil die alte Verordnung nach einem Gerichtsurteil ausläuft. Die Netzagentur hat in diesem Bereich große Autonomie und kann unabhängig entscheiden. Am Montag hat sie zunächst ein „Diskussionspapier“ veröffentlicht. Bis Ende Juni können Marktteilnehmer nun dazu Stellung nehmen.
Als eine weitere denkbare Möglichkeit bezeichnet Müllers Behörde in dem Papier die Einführung neuer Entgeltkomponenten, etwa eines Grundpreises. Im Moment sind die Netzentgelte rein davon abhängig, wie viel Strom ein Nutzer aus dem Netz bezieht. Allerdings verursache die Entnahme nicht zwingend zusätzliche Kosten, so die Netzagentur. Bei einem Grundpreis müssten dagegen alle Marktteilnehmer mit einem Stromanschluss eine zusätzliche Pauschale zahlen.
Auch einen Kapazitätspreis, der darauf basieren würde, wie viele Maschinen oder Anlagen gleichzeitig ein Marktteilnehmer maximal an das Netz anschließen möchte, bringt die Behörde ins Spiel. Als eine denkbare Möglichkeit nennt sie auch dynamische Netzentgelte, die sich nach der aktuellen tatsächlichen Auslastung des Netzes bemessen würden. Allerdings müssten dafür Netz und Nutzer vollständig digitalisiert sein. Neu überlegen möchte die Netzagentur auch, wie künftig mit Speichern umgegangen wird, die bislang weitgehend von den Netzkosten befreit sind.
BDEW: Einspeiseentgelte komplex und bürokratisch
Der Energieverband BDEW steht Einspeiseentgelten ablehnend gegenüber. Schon in der vergangenen Woche hatte er seinerseits ein Diskussionspapier veröffentlicht, in dem es unter anderem heißt, Einspeisenetzentgelte „würden die Komplexität maßgeblich erhöhen, mit bürokratischem Aufwand einhergehen und nicht zuletzt auf Grund der sehr heterogenen Nutzerstruktur zu unwägbaren Abweichungen von der Marktneutralität führen.“
Der BDEW stimmt jedoch mit der Netzagentur überein, dass eine Reform nötig sei. „Die Netzentgeltsystematik wird den Herausforderungen der Energiewelt von heute und morgen nicht mehr gerecht“, sagte BDEW-Chefin Kerstin Andreae in einer ersten Reaktion auf das Papier vom Montag. Es sei „gut, dass die Bundesnetzagentur die Weiterentwicklung jetzt vorantreibt“. Entscheidend sei: „Die Netzentgelte müssen verursachungsgerechter werden; also das bepreisen, was wirklich Netzkosten verursacht.“