Wie schlimm stand es wirklich um Joe Bidens Gesundheit?

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Ein Rollstuhl im Wahlkampf wäre ein Ding der Unmöglichkeit gewesen, so viel sei allen klar gewesen. Ein verheerendes Signal an die amerikanischen Wähler. Doch Joe Biden habe körperlich so abgebaut, dass Berater darüber diskutierten, ob der amerikanische Präsident nach einer möglichen Wiederwahl nicht besser einen Rollstuhl benutzen sollte.

Das zumindest schreiben die beiden Journalisten Jake Tapper und Alex Thompson in ihrem Buch über Bidens Zustand im Wahlkampf, das in der kommenden Woche erscheint. Gewarnt habe demnach auch Bidens Leibarzt: Solle er noch einmal schwer stürzen, könne für die Genesung ein Rollstuhl nötig sein.

Sechs Monate nach der Präsidentenwahl rückt das Buch der beiden Hauptstadtkorrespondenten die Debatte über Bidens Gesundheitszustand noch einmal in den Mittelpunkt. Der damals 81 Jahre alte Demokrat hatte trotz offensichtlicher Zeichen des Alters bis zuletzt behauptet, allein er könne Trump schlagen. Viele in seiner Partei lasten ihm Kamala Harris’ Niederlage an – sie habe nach seinem späten Rückzug nicht mehr Fuß fassen können. Doch wie schwerwiegend Bidens gesundheitliche Beeinträchtigungen tatsächlich waren, kommt erst langsam ans Licht.

Interviews mit mehr als zweihundert Personen

Tapper und Thompson haben dafür nach eigener Aussage mit mehr als zweihundert Personen gesprochen, den meisten nach der Wahl. Einige frühere Berater Bidens äußern sich in dem Buch, aus dem bisher nur Auszüge veröffentlicht wurden, nach wie vor beschwichtigend. Körperliche Alterserscheinungen beeinträchtigten die mentale Fitness nicht, heißt es etwa an einer Stelle. Doch viele berichten auch von geistigen Aussetzern.

Dass der Schauspieler und demokratische Großspender George Clooney nach einer Veranstaltung mit Biden im Sommer 2024 entsetzt von dessen Zustand war, ist kein Geheimnis. Clooney schrieb nach der desaströsen Fernsehdebatte gegen Trump schließlich in der „New York Times“, der Biden, den er jüngst gesehen habe, sei nicht mehr der Mann von 2020. Es sei Zeit für einen Wechsel. In dem Buch „Hybris. Verfall, Vertuschung und Joe Bidens verhängnisvolle Entscheidung“ beschreiben die Autoren die Begegnung nun im Detail. So habe ein Berater den Präsidenten damals mehrfach daran erinnern müssen, wer da vor ihm stehe.

„Du kennst George“, soll er gesagt haben, „George Clooney“. Biden soll daraufhin geantwortet haben: „Jaja, danke, dass Sie hier sind.“ Clooney war der Gastgeber der Spendenveranstaltung. Die Autoren schreiben, der Schauspieler sei „bis ins Mark erschüttert“ gewesen, dass Biden ihn trotz jahrelanger Bekanntschaft offensichtlich nicht wiedererkannt hatte. Andere Besucher hätten gesagt, Bidens Auftritt sei „furchtbar“ gewesen, man habe es kaum mit ansehen können.

Sie haben versucht, es zu verbergen

Dabei gab es laut Tapper und Thompson nach wie vor gute und schlechte Tage. „Es war keine gerade Linie des Verfalls.“ Doch Biden habe sich bis zum letzten Tag seiner Präsidentschaft geweigert, zu akzeptieren, dass „seine Energie, seine kognitiven Fähigkeiten und seine Kommunikationsfähigkeit“ sich erheblich verschlechtert hatten. „Schlimmer noch“, Biden und sein engster Kreis hätten versucht, es zu verbergen. Beide Autoren haben im vergangenen Jahr selbst intensiv über den Wahlkampf berichtet und damals weitaus weniger Augenmerk auf Bidens Gesundheitszustand gelegt als es ihr Buch nun tut.

Thompson äußerte beim jährlichen Treffen der „White House Correspondents’ Association“ Ende April denn auch Selbstkritik. Der Verfall Bidens zeige, dass jedes Weiße Haus, unabhängig von der Partei, zu „Täuschung fähig“ sei, sagte er in seiner Rede. Doch man müsse sich auch eingestehen, dass „uns, mich eingeschlossen, vieles an dieser Geschichte entgangen ist“. Man trage eine Mitverantwortung an dem geringen Vertrauen in die Medien, hob Thompson hervor. „Ich sage das, weil das Eingestehen von Fehlern Vertrauen schafft, und weil eine defensive Haltung dieses Vertrauen weiter untergräbt.“

Präsident Donald Trump ist nur unwesentlich jünger als Biden, er wird im Juni 79 Jahre alt. Doch der Republikaner spricht beinahe täglich mit Journalisten während Biden am Ende kaum noch Pressekonferenzen hielt oder Interviews gab. David Plouffe, Mitarbeiter in Harris’ Präsidentschaftskampagne und 2008 Wahlkampfmanager Barack Obamas, gibt Biden in dem Buch offen die Schuld an der Niederlage der Demokratin. Plouffe sagt, er habe nach besorgten Anrufen von Spendern über Bidens Zustand noch versucht, Genaueres herauszufinden. Doch der habe „uns total verarscht“.