Dem Bund könnte Commerzbank-Ausstieg ohne Verlust gelingen

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Bis auf 26,20 Euro ist der Kurs der Commerzbank -Aktie in dieser Woche geklettert. Zuletzt wurde im April 2011 so viel für diese lange von Anlegern verschmähte Bankaktie bezahlt. 80 Prozent ist die Commerzbank heute mehr wert als vor einem Jahr, in sechs Monaten hat sie 60 Prozent zugelegt. Nur Rheinmetall und Siemens Energy waren im Sechsmonatszeitraum unter den 40 Dax-Werten besser. Fast unbemerkt hat auch der Bund in dieser Betrachtung der Superlative einen kleinen Meilenstein erreicht.

Wie viele Anleger hat auch der Staat seit seinem Einstieg in die Commerzbank im Winter 2008/2009 viele Tiefen mit der Aktie erlebt. Im Winter 2008/2009 sah sich die Bundesregierung gezwungen, mit zwei Kapitalspritzen die Commerzbank mit 18,2 Milliarden Euro zu stützen. Sonst wäre sie wohl in der Finanzkrise an der 14 Tage vor der Insolvenz von Lehman Brothers vereinbarten Übernahme der Dresdner Bank zerbrochen. Nur ein kleiner Teil des staatlichen Kapitals in der Commerzbank wurde anfangs in Aktien gehalten, den mit 16,4 Milliarden Euro weit größeren Teil brachte der Bund zunächst als stille Einlage ein.

Martin Blessing führte die Commerzbank ab Mai 2008 als Vorstandschef durch die Finanzkrise und wechselte ab Mai 2016 zur UBS.
Martin Blessing führte die Commerzbank ab Mai 2008 als Vorstandschef durch die Finanzkrise und wechselte ab Mai 2016 zur UBS.Helmut Fricke

Bis Mai 2013 hielt der Staat 25,1 Prozent der Commerzbank-Aktien, die er in mehreren Schritten und durch die Beteiligung an Kapitalerhöhungen zu einem Durchschnittskurs von 13,70 Euro erworben hatte. Dann realisierte er einen Verlust von 2,5 Milliarden Euro, indem er Aktien verkaufte, um sich nur mit dem Erlös an einer Kapitalerhöhung zu beteiligen. 5,05 Milliarden Euro steckten dann vom Bund in Commerzbank-Aktien. Der Staatsanteil aber fiel auf 16,5 Prozent, und der Durchschnittskurs für den Bund betrug seitdem 26,40 Euro. Diesen Kurs hat die Commerzbank-Aktie in dieser Woche fast wieder erreicht. Bis dahin war es ein weiter Weg.

Der seit Mai 2016 amtierende Commerzbank-Chef Martin Zielke musste im zweiten Halbjahr 2020 gehen.
Der seit Mai 2016 amtierende Commerzbank-Chef Martin Zielke musste im zweiten Halbjahr 2020 gehen.Reuters

Immer wieder wurde die Commerzbank in ihrer Sanierung zurückgeworfen: Schiffskredite und die Griechenland-Staatspleite im Jahr 2011 kosteten ebenso Geld und verursachten Verluste wie strategische Fehler. Im Februar 2020 gab der damalige Vorstandsvorsitzende Martin Zielke ein Eigenkapitalrenditeziel von vier Prozent aus. Das war potentiellen Aktionären auch in der Niedrigzinsphase viel zu wenig – in Anbetracht der Risiken, die das Commerzbank-Aktienengagement mit sich bringt. Im September 2018 war die Bank wegen ihrer schlechten Kursentwicklung sogar aus dem Dax geflogen und wurde ausgerechnet durch das spätere Skandalunternehmen Wirecard ersetzt. Doch das war noch nicht der Tiefpunkt.

Im Sommer 2020 wurden nicht einmal mehr vier Euro für eine Commerzbank-Aktie gezahlt. Der mutlose Zielke und sein Aufsichtsratsvorsitzender Stefan Schmittmann legten ihre Ämter nieder – nachdem der zeitweilig hinter dem Bund zweitgrößte Aktionär, der Hedgefonds Cerberus, heftige Kritik an Strategie und Führung geäußert hatte. Von nun an ging’s bergauf: Unter dem ab Januar 2021 amtierenden Vorstandsvorsitzenden Manfred Knof fasste die Commerzbank schnell Tritt, zahlte wieder Dividenden und feierte im Februar 2023 eine in der Belegschaft viel umjubelte Rückkehr in den Dax.

Manfred Knof, von Januar 2021 bis September 2024 Vorstandsvorsitzender der Commerzbank
Manfred Knof, von Januar 2021 bis September 2024 Vorstandsvorsitzender der Commerzbankdpa

Viele derjenigen Aktionäre, die sich an diesem Donnerstag erstmals seit der Corona-Pandemie wieder persönlich auf einer Hauptversammlung treffen und die Aktie schon vor 2008 im Depot hatten, sitzen indes noch auf Verlusten. 2007 ist die Aktie bereinigt um Kapitalmaßnahmen schließlich schon mal mehr als 220 Euro wert gewesen, im März 2002 wurden sogar mehr als 260 Euro für sie bezahlt. Auch für den Bund sind die einstigen 26,40 Euro nicht mehr der „wahre“ Einstandspreis, wohl aber so etwas wie eine „erste Gewinnschwelle“ (siehe Grafik).

Denn im September entschloss sich die Ampelbundesregierung unter Federführung von Finanzminister Christian Lindner (FDP), den im Vergleich zum Tiefstkurs mehr als dreimal so hohen Aktienkurs zum Teilverkauf zu nutzen. Ein Aktienpaket von 4,5 Prozent aller Commerzbank-Aktien bot die federführende Finanzagentur des Bundes an, und zur Überraschung aller gab die italienische Bank Unicredit ein hohes Angebot für alle Aktien ab. Die Finanzagentur hatte nach eigener Aussage keine rechtliche Handhabe, den schon eingeleiteten Verkaufsprozess zu stoppen – obwohl erkennbar das Ziel gewesen war, die Aktien breit zu streuen.

Wie sich wenig später herausstellte, besaß Unicredit nun schon fast zehn Prozent und hat sich inzwischen mithilfe befreundeter Banken wie Jefferies, Barclays und Citigroup über Derivate Zugriff auf insgesamt fast 30 Prozent gesichert. Bundesregierung und Commerzbank-Vorstand lehnen aber eine offensichtlich geplante Komplettübernahme durch Unicredit ab. Die Finanzagentur des Bundes plant auch, keine weiteren Commerzbank-Aktien zu verkaufen.

Bettina Orlopp, erst Finanzchefin und nun seit Oktober 2024 Vorstandschefin der Commerzbank
Bettina Orlopp, erst Finanzchefin und nun seit Oktober 2024 Vorstandschefin der CommerzbankFrank Röth

Unicredit-Chef Andrea Orcel gibt sich gelassen und behauptet, er habe bis 2027 Zeit, um Bedenken der Bundesregierung zu entkräften. Auch an den guten Geschäftszahlen der Commerzbank im ersten Quartal 2025 findet er Makel. Tatsächlich schaffte die Commerzbank den höchsten Gewinn in einem Auftaktquartal in ihrer Unternehmensgeschichte. Die Nettoeigenkapitalrendite war mit elf Prozent erstmals seit Langem zweistellig und lag damit in einer Größenordnung, die Aktionäre als Kapitalkosten fordern. Die neue Commerzbank-Chefin Bettina Orlopp, die den nicht zur Vertragsverlängerung bereiten Knof Anfang Oktober 2024 wegen des Übernahmekampfes gegen Unicredit sogleich ablöste, hat indes für die Zeit von 2027 an ein Eigenkapitalrenditeziel von 15 Prozent gesteckt.

Die höheren Gewinne der Commerzbank und der Kampf von Unicredit um weitere Aktien treiben den Kurs. Der Bund hat seinen alten Einstandspreis von 26,40 Euro fast wieder erreicht. Im September verkaufte er 4,5 Prozent der Commerzbank-Aktien für 13,20 Euro an Unicredit, was damals als guter Preis galt. Dem Erlös von 700 Millionen Euro stand aber ein nahezu gleich hoher Verlust im Vergleich zum Einstandspreis gegenüber.

Dem Bund verbleiben zwölf Prozent aller Commerzbank-Aktien im Wert von derzeit rund 3,7 Milliarden Euro. Rechnet man den im September realisierten Verlust auf das verbleibende Aktienpaket um, muss der Bund nach Informationen der F.A.Z. dafür einen Kurs von 30,60 Euro je Commerzbank-Aktie erreichen – wenn er sein Engagement in der Commerzbank ohne Verlust beenden will. Das schien vor wenigen Monaten noch utopisch. Aber angesichts der guten Kursentwicklung der Commerzbank wird es immer realistischer, dass der Bund diese „zweite Gewinnschwelle“ erreicht.

Denn Analysten setzen nach den Quartalszahlen höhere Kursziele für die Commerzbank-Aktie, etwa HSBC mit 29 Euro und Kepler Cheuvreux sogar mit 31 Euro. Die Bank of America hob in dieser Woche ihr Kursziel von 27 auf 30 Euro an. Der Businessplan der Commerzbank weise einen guten Weg, und die Aktie sei ein „Top Pick“ in Europa. Denn die Commerzbank sei ein großer Nutznießer von der durch staatliche Konjunkturpakete zu erwartenden Wachstumserholung der deutschen Volkswirtschaft. Tatsächlich will die Commerzbank etwa durch die Kreditvergabe an Rüstungsfirmen wachsen, litt aber zuletzt auch an mehr ausfallgefährdeten Krediten nach drei Jahren Rezession in Deutschland.