Einigung mit Großbritannien, Entspannung im Konflikt mit China, keine Bewegung in den Gesprächen zwischen der EU und der US-Regierung. So lässt sich die Entwicklung im Zollkonflikt seit dem von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Präsident Donald Trump am Rande der Beerdigung von Papst Franziskus in Aussicht gestellten Treffen zusammenfassen.
Die mächtige Generaldirektorin für Handelspolitik in der Europäischen Kommission, Sabine Weyand, war zwar gemeinsam mit von der Leyens Handelsberater, Tomas Baert, in Washington. Beim Treffen der EU-Handelsminister am Donnerstag in Brüssel wird die Kommission berichten. Der Bericht von Handelskommissar Maroš Šefčovič dürfte aber kurz ausfallen, heißt es in der Kommission. Es bleibt dabei: Trump lässt die EU am langen Arm verhungern.
Der wachsende Frust in Brüssel darüber ist spürbar. „Das Weiße Haus sagt uns nicht, was es überhaupt will“, klagen EU-Diplomaten. Sinnbildlich ist der Umgang mit Šefčovič. Den hatte Handelsminister Howard Lutnick eigens nach der Ankündigung der 90-Tage-Zollpause für die EU nach Washington eingeladen, um über einen Ausweg aus dem Zollkonflikt zu reden, wird in Brüssel kolportiert. Nur um dem verdutzten Šefčovič nach seiner Ankunft mitzuteilen, dass er, Lutnick, leider doch kein Mandat dafür habe.
Von der Leyen bleibt trotz Kritik gelassen
Auch die jüngste trumpsche „Charmeoffensive“ hat nichts geändert. Ende der vergangenen Woche hatte er von der Leyen gleich zweimal als „so phantastisch“ bezeichnet und betont, er hoffe, sie zu treffen. Von der Leyens kühle Reaktion darauf – „Wenn ich ins Weiße Haus komme, muss es ein Paket geben, das wir besprechen können“ – hat ihr Kritik eingebracht. Diplomaten äußern jedoch auch Verständnis dafür, dass sie in diesem Fall „klare Kante gezeigt habe“.
Unabhängig davon äußern einige in Brüssel Zweifel daran, ob von der Leyen die richtige Frau für Verhandlungen mit Trump ist. Der möge sie noch so sehr „phantastisch“ nennen, er schätze sie schon deshalb nicht, weil sie zu eng mit seinem Vorgänger Joe Biden zusammengearbeitet habe, sagen zwei Quellen der F.A.Z. unabhängig voneinander. Das ändere aber nichts daran, dass die Mitgliedstaaten weiter geschlossen zur Strategie der Europäischen Kommission ständen.
Die gibt sich gelassen. Trump habe sich mit den am von ihm zum „Befreiungstag“ erklärten 2. April verhängten Zöllen mit der ganzen Welt angelegt, heißt es dort. Es fehlten seiner Regierung schlicht die Kapazitäten mit allen zugleich zu verhandeln. Im Übrigen sei der von Großbritannien erzielte Mini-Deal und die mit China vereinbarte Zollpause kein Grund, die EU als abgehängt zu betrachten. Šefčovič habe in seinen Gesprächen mit und in Washington den Rahmen für Verhandlungen gesetzt. Darauf lasse sich schnell aufbauen.
Diverse Zugeständnisse stehen zur Wahl
Tatsächlich hat die EU inzwischen eine Art Menü an Zugeständnissen erarbeitet, aus dem die Trump-Regierung nur wählen muss. Das Angebot, alle Zölle abzuschaffen, steht darauf ebenso wie eine Streichung der bestehenden Autozölle, der Kauf von mehr Gas (LNG) oder Soja. Konkrete Zahlen enthält das Menü nicht. Šefčovič hatte im Interview mit der „Financial Times“ aber Einkäufe von 50 Milliarden Euro in Aussicht gestellt. Das entspricht dem Handelsdefizit der USA mit der EU, wenn man anders als Trump neben Gütern auch Dienstleistungen berücksichtigt. Auch den Abbau regulatorischer Hürden bietet die EU auf ihrem Menü an. Das gelte aber nicht für die von Trump kritisierten Digitalgesetze oder die Vorgaben für sensible Agrarprodukte, wird in der Behörde betont.
Parallel dazu arbeitet die EU an neuen Gegenzöllen. Die Mitgliedstaaten beraten gerade über ein Paket, das Importe im Wert von 95 Milliarden Euro treffen soll, darunter Boeing-Flugzeuge, Autos und Bourbon-Whiskey. Es wäre die Antwort auf die von Trump am 2. April verhängten und momentan teilweise ausgesetzten Zölle von 20 Prozent auf die meisten EU-Importe und die Zölle von 25 Prozent auf Autos. Hinzu kommen die schon beschlossenen Gegenzölle auf Importe im Wert von 21 Milliarden Euro, die die EU in Reaktion auf die Stahl- und Aluminiumzölle beschlossen und im Zuge der Zollpause ausgesetzt hat. Zudem will sie die Ausfuhr von Metallschrott einschränken, die die US-Stahlhersteller benötigen.
Was die EU mit dem Kurs aus Zuckerbrot und Peitsche erreichen kann, wagt in Brüssel kaum jemand vorherzusagen. Ursprünglich ging die Kommission davon aus, dass die höheren Sektorzölle auf Stahl oder Autos für Trump tabu sind. Dann aber hatte der britische Premierminister Keir Starmer für Großbritannien genau das erreicht, muss aber hinnehmen, dass der von Trump im April verkündete Basiszollsatz von zehn Prozent auf fast alle Warenimporte bleibt.
Wenn es auch für die EU darauf hinausliefe, dass die Zölle für die Einfuhr beinahe aller Waren von 20 auf zehn Prozent sänken, wäre das kein allzu schlechter Ausgang, heißt es nun in der Kommission. Sicher ist nur, dass nichts so sein wird wie vor dem 20. Januar, sagt der Vorsitzende des Handelsausschusses im Europaparlament, Bernd Lange (SPD).