Ein Gericht in Moskau hat Grigorij Melkonjanz, einen der Köpfe der unabhängigen Wahlbeobachter von Golos (Stimme), zu fünf Jahren Haft verurteilt. Dem 44 Jahre alten Juristen wird vorgeworfen, die Tätigkeit „einer unerwünschten Organisation organisiert“ zu haben. Das Urteil, das die Richterin Jewgenija Nikolajewa am Mittwoch verkündete, blieb ein Jahr unter der am Montag von der Anklage geforderten Höchststrafe unter diesem Repressionstatbestand.
Vom politischen Charakter der Verfolgung, die Menschenrechtler bestätigt haben, zeugt, dass Melkonjanz dem Urteil zufolge nach der Haft noch neun Jahre lang keine zivilgesellschaftliche Tätigkeit ausüben dürfen soll. Golos-Beobachter protokollieren seit vielen Jahren Verstöße, Unregelmäßigkeiten und Manipulationen russischer Wahlen und Abstimmungen. Aktivisten wie Melkonjanz stellten die Berichte vor.
Melkonjanz blieb trotz der Gefahr
Als im Jahr 2000 gegründete Organisation galt Golos seit 2013 als „ausländischer Agent“, wurde später von einem Gericht für aufgelöst erklärt. Doch setzten die Beobachter ihre Arbeit als Bewegung fort. Im August 2021 wurde diese abermals als „Agent“ auf ein erneuertes Register gesetzt, gilt aber nicht selbst als „unerwünscht“. Doch bezieht sich die Anklage formal nicht auf Golos, sondern auf das Europäische Netz von Wahlbeobachtungsorganisationen (ENEMO), eine internationale Nichtregierungsorganisation, die Moskau im September 2021 für „unerwünscht“ erklärt hat. Ihr gehörte zwar die frühere Organisation Golos an, aber nicht die Bewegung.
Melkonjanz hatte daher in seinem Schlusswort am Montag gesagt, die Anklage gegen ihn fuße auf „falschen Informationen“ und „fabrizierten Schlüssen“, und gefordert, ihn freizusprechen, „auch wenn solche Urteile heute nur 0,26 Prozent im Land ausmachen“. Er war Mitte August 2023 nach einer Razzia in seiner Moskauer Wohnung in Untersuchungshaft genommen worden; unter Anrechnung dieser Zeit soll er nun noch mehr als zweieinhalb Jahre in Haft bleiben. Viele Mitstreiter der Wahlbeobachter-Bewegung sind ins Ausland geflohen, Melkonjanz blieb trotz der Gefahr.
„Ich bin ein Bürger Russlands, ich liebe mein Land und ich schätze meine Verfassungsrechte und -freiheiten sehr“, sagte er dazu. In seinen zwölf Jahren bei Golos seien „Hunderttausende kompetente und ehrliche Menschen Wahlbeobachter geworden“, zu seiner eigenen Freude und zum Wohle Russlands. Am Mittwoch rief Melkonjanz seine Unterstützer im Gerichtssaal laut dem Portal Mediasona auf, nicht zu verzagen, auch er werde das nicht.