Frankreichs Premier verteidigt sich vor einem Untersuchungsausschuss

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Im Skandal um Missbrauch und Gewalt an einem katholischen Internat in Frankreich bestreitet Premierminister François Bayrou, sich schützend vor die Schule gestellt zu haben. Vor einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss sagte Bayrou am Abend in Paris, zu seiner Zeit als Bildungsminister zwischen 1993 und 1997 nach Hinweisen auf Gewalt einen Untersuchungsbericht zu der Schule beauftragt und einen Erlass zum Schutz von Schülern vor Gewalt und sexuellem Missbrauch verfügt zu haben.

Der Zentrumspolitiker Bayrou, der erst seit fünf Monaten Premierminister ist, steht politisch unter Druck, weil er im Skandal um das Internat im Februar erklärt hatte, damals von keinerlei gravierenden Gewalttaten gehört zu haben. Später korrigierte er sich und gestand ein, er sei auf dem Laufenden gewesen, dass einem Geistlichen sexuelle Gewalt vorgeworfen worden sei. Wenn Bayrou zu seinem damaligen Umgang mit der Schule keine Klarheit schafft und sich weiter in die Affäre verstrickt, könnte ihm nach Einschätzung französischer Medien der Rauswurf drohen.

In den vergangenen Monaten hatten rund 200 ehemalige Schüler des Internatsgymnasiums Notre-Dame-de-Bétharram Anzeige erstattet, weil sie dort nach ihren Angaben körperlich misshandelt und auch sexuell missbraucht worden waren. Die Staatsanwaltschaft befragte rund 100 zur Tatzeit zwischen 1955 und 2004 zwischen 9 und 17 Jahre alte Jungen, die zumeist von einem „Klima des Terrors“ berichteten. Die Enthüllungen haben zu Berichten über ähnliche Missstände auch an anderen Schulen in Frankreich geführt.

Das Brisante dabei: Bayrou hatte selber drei seiner sechs Kinder auf der Schule. Seine Frau unterrichtete dort Religion. Seine Tochter bekannte sich jüngst erst dazu, als 14-Jährige von einem Priester der Schule missbraucht worden zu sein. Sie habe das ihren Eltern nicht erzählt. Ihr Vater habe „das perverse System nicht durchschaut”, erklärte sie.