Abnehmspritzen könnten nicht nur beim Abnehmen helfen, sondern auch das Risiko für Alzheimer senken. Doch Experten sind skeptisch.
Schätzungen zufolge leben in Deutschland rund 1,8 Millionen Menschen mit Demenz. Deren häufigste Form ist die Alzheimer-Demenz. Die Erkrankung führt dazu, dass Menschen zunehmend ihr Gedächtnis, ihre Orientierung und schließlich ihre Selbstständigkeit verlieren. Abnehmspritzen könnten hier möglicherweise helfen und das Alzheimer-Risiko senken. Das zeigen aktuelle Studien.
Doch trotz dieser vielversprechenden Ergebnisse bleibt die Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN) vorsichtig und warnt vor möglichen Nebenwirkungen.
Zu den heute als “Abnehmspritzen” bekannten Wirkstoffen gehören die sogenannten GLP-1-Rezeptoragonisten und SGLT2-Inhibitoren. GLP-1-Rezeptoragonisten sind Medikamente, die ursprünglich zur Behandlung von Diabetes Typ 2 entwickelt wurden. Sie stimulieren die Insulinproduktion, verlangsamen die Magenentleerung und verringern so den Appetit. In der Folge sinkt der Blutzuckerspiegel und Patienten nehmen ab. Häufige Vertreter dieser Klasse sind Liraglutid und Semaglutid (Handelsname Wegovy).
SGLT2-Inhibitoren wie Dapagliflozin und Empagliflozin, die ebenfalls zur Blutzuckersenkung bei Diabetes eingesetzt werden, fördern die Ausscheidung von Zucker über den Urin und führen so zu Gewichtsverlust und Blutdrucksenkung.
Eine kürzlich durchgeführte Studie, bei der elektronische Gesundheitsdaten von über 30.000 Personen ausgewertet wurden, zeigt, dass Menschen, die diese Medikamente einnahmen, ein signifikant geringeres Risiko für Alzheimer hatten. Interessanterweise zeigte sich kein Unterschied zwischen GLP-1-Rezeptoragonisten und SGLT2-Inhibitoren. Einen ähnlichen Effekt auf Demenzerkrankungen hatten auch schon andere Studien ergeben.
Die genauen Mechanismen, warum diese Medikamente das Alzheimer-Risiko senken könnten, sind bislang nicht vollständig verstanden. Es gibt jedoch verschiedene Hypothesen. GLP-1-Rezeptoragonisten könnten entzündliche Prozesse im Gehirn verringern und die Gefäßgesundheit verbessern – beides Faktoren, die eine Rolle bei der Entstehung von Alzheimer spielen. SGLT2-Inhibitoren wiederum könnten durch ihre Wirkung auf den Zuckerstoffwechsel und die Nieren die Gehirngesundheit positiv beeinflussen.
Doch die Hoffnung auf eine Demenzprävention durch diese Medikamente ist laut der der DGN mit Vorsicht zu genießen. Der Grund: Es handelte sich um nachträglich gewonnene Daten aus Beobachtungsstudien, nicht um Ergebnisse aus kontrollierten Studien, bei denen die Teilnehmer zufällig ausgewählt und in verschiedene Gruppen eingeteilt werden, erklärt Prof. Dr. Peter Berlit, Generalsekretär der DGN in einer Pressemitteilung. Es sei noch zu früh, um eine klare Empfehlung auszusprechen. Weitere Studien, insbesondere solche, die über längere Zeiträume durchgeführt werden, seien notwendig.
“Die möglichen Risiken einer Langzeittherapie sind auch noch nicht vollständig geklärt”, erklärt er. Bekannte Nebenwirkungen der Abnehmspritzen sind etwa Magen-Darm-Beschwerden, Hypotonie, Synkopen, Arthritis, Nephrolithiasis, interstitielle Nephritis und arzneimittelinduzierte Pankreatitis.
Ein weiteres Problem ist, dass diese Medikamente keine dauerhafte Lösung für die Ursachen von Übergewicht oder Diabetes sind. Sie bekämpfen nur die Symptome, nicht die Ursachen, schreibt die Fachgesellschaft. Und wenn sie abgesetzt werden, ist es wahrscheinlich, dass die Behandelten schnell wieder ihr Ausgangsgewicht erreichen.
“Eine aus Wissenschaftssicht spannende Frage ist, was dann im Hinblick auf das Demenzrisiko passiert. Es gibt mehrere Studien, die zeigen, dass relevante Gewichtsveränderungen, übrigens in beide Richtungen, im höheren Alter die Demenzentstehung nach fünf und mehr Jahren begünstigen könnten.”
Obwohl die Medikamente vielversprechend wirken, betonen die Experten, dass eine gesunde Lebensweise nach wie vor der beste Schutz gegen Alzheimer und andere Demenzen ist. Bewegung, eine ausgewogene Ernährung, die Pflege sozialer Kontakte und die Korrektur von Seh- und Hörstörungen können das Risiko um bis zu 45 Prozent senken – ganz ohne Nebenwirkungen und hohe Kosten.