Baerbock und Faeser warnen Assads „Folterknechte“

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Außenministerin Annalena Baerbock warnt alle Unterstützer der gestürzten syrischen Herrscherfamilie al-Assad, in Deutschland unterzutauchen. „Wer von Assads Folterknechten darüber nachdenken sollte, jetzt nach Deutschland zu fliehen, dem kann ich nur klar sagen: Wir ziehen all die Schergen des Regimes mit der vollen Härte des Gesetzes für ihre furchtbaren Verbrechen zur Rechenschaft“, sagte die Grünen-Politikerin der „Bild am Sonntag“. Dazu müssten jetzt die internationalen Sicherheitsbehörden und Nachrichtendienste aufs engste zusammenarbeiten.

In Syrien hat eine Rebellenallianz unter Führung von Islamisten die Macht übernommen. Der gestürzte Machthaber Baschar al-Assad ist mit seiner Familie nach Russland geflohen. Unter seiner Herrschaft wurden Zehntausende unrechtmäßig inhaftiert; Unterdrückung und Folter waren alltäglich.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) verwies auf Kontrollen der Sicherheitsbehörden an allen Grenzen. „Wir sind äußerst wachsam. Wenn Schergen des Terrorregimes von Assad versuchen sollten nach Deutschland zu fliehen, dann müssen sie wissen, dass kaum ein Staat ihre Verbrechen so hart verfolgt wie Deutschland. Das sollte davor abschrecken, diesen Versuch zu wagen“, sagte sie der Zeitung.

Gewerkschaften: Syrische Arbeitskräfte werden gebraucht

In der Debatte über eine mögliche Rückkehr von Hunderttausenden Syrern, die hierzulande aufgenommen wurden, wies Verdi-Chef Frank Werneke darauf hin, dass viele gebraucht werden. „Sei es in der Pflege, in Krankenhäusern, bei Post- und Paketdiensten, im Versandhandel oder vielen anderen Berufen. An sehr vielen Stellen sorgen aus Syrien geflüchtete Menschen dafür, dieses Land am Laufen zu halten.“

Auch die IG-Metall-Vorsitzende Christiane Benner sagte der „Bild am Sonntag“: „Wir brauchen Fach- und Arbeitskräfte aus dem Ausland.“

Skepsis gegenüber Rebellen in Damaskus

Eine Woche nach dem Sturz des syrischen Machthabers Baschar al-Assad setzen sich westliche und arabische Politiker für einen friedlichen Übergang zu einer neuen politischen Führung in dem Bürgerkriegsland ein. Zugleich lassen regionale Mächte wie Israel und die Türkei erkennen, dass sie das gegenwärtige Machtvakuum in Syrien für ihre eigenen Interessen zu nutzen gedenken. Die neue Führung in Damaskus will sich indes nach eigenem Bekunden dem Wiederaufbau widmen. Am Sonntag vor einer Woche hatte eine Rebellenallianz, angeführt von Islamisten, die Macht übernommen.

Beobachter in der arabischen Welt betrachten die syrische Rebellenallianz mit gemischten Gefühlen. „Wir hören von ihnen vernünftige und rationale Erklärungen über Einheit und darüber, nicht allen Syrern ein System überzustülpen“, sagte Anwar Gargasch, der diplomatische Berater des Präsidenten der VAE, Scheich Mohammed bin Sajid Al Nahjan, auf einer Sicherheitskonferenz in Abu Dhabi.

„Aber andererseits sind die Natur dieser neuen Kräfte, ihre Verbindungen zur (islamistischen) Muslimbruderschaft und zu Al-Kaida sehr besorgniserregende Indikatoren“, zitierte ihn die in London ansässige Internet-Zeitung „thelevantnews.com“. Man müsse aber sowohl optimistisch als auch mit Vorsicht an das neue Syrien herangehen.

Gargasch kritisierte Israel für seine Kampagne der Zerstörung der syrischen Militärkapazitäten. „Aus israelischer Sicht mag das richtig sein, aber ich denke, es ist eine dumme Politik.“ Vielmehr sollte man „in der Vergangenheit gemachte Fehler“ vermeiden. Der Berater spielte auf den Einmarsch der Amerikaner im Irak 2003 an. Das US-Militär hatte den Zerfall der irakischen Armee nach dem Sturz des Diktators Saddam Hussein gefördert, worauf das Land in ein jahrelanges Bürgerkriegschaos versank.

Israel bombardiert große Waffenlager

Israel setzte unterdessen seine Luftangriffe auf Militäranlagen im Umland von Damaskus fort. Allein am Samstag bombardierte die Luftwaffe 35 Ziele, teilte die in London ansässige Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte mit. Darunter seien Bergstollen, in denen das Militär der Assad-Regierung Raketen und schwere Munition gelagert hatte. Das israelische Militär begründet seine Angriffe damit, dass es verhindern wolle, dass die Bestände an Kriegsmaterial Islamisten in die Hände fallen.

Der Anführer der islamistischen Aufständischen in Syrien, Ahmed al-Scharaa, äußerte sich nach dem Sieg seiner Rebellenallianz erstmals kritisch über die israelischen Militäreinsätze in Syrien. Israels Vorwände seien ungerechtfertigt, sagte der Chef der stärksten Rebellengruppe Haiat Tahrir al-Sham (HTS) im oppositionellen Sender Syria TV. Bis vor kurzem war er unter seinen Kampfnamen Mohammed al-Dschulani aufgetreten.

Israel führte seit dem Umsturz in Syrien nach Angaben der Beobachtungsstelle nicht nur 430 Luftangriffe aus, sondern verlegte auch Truppen in Gebiete jenseits der Waffenstillstandslinie auf den Golanhöhen. Israelische Soldaten rückten in eine sogenannte Pufferzone ein, die gemäß dem Waffenstillstandsabkommen von 1974 unter UN-Überwachung steht.

Al-Scharaa sagte: „Die Israelis haben eindeutig die Waffenstillstandslinie in Syrien überschritten, in eine Weise, dass dies zu einer unnötigen Eskalation in der Region führen kann.“ Zugleich betonte er, dass sich die neue Führung Syriens auf den Wiederaufbau konzentrieren und sich nicht in neue Konflikte ziehen lassen wolle.

Bericht: Israel und Jordanien führten geheime Gespräche zu Syrien

Vertreter aus Israel und Jordanien sind einem Medienbericht zufolge unterdessen zu geheimen Gesprächen über die Lage in Syrien zusammengekommen. Bei den Gesprächen sei es unter anderem um Sicherheitsbelange der beiden Länder gegangen berichtete das Nachrichtenportal „Axios“ unter Berufung auf mehrere israelische Beamte. Beide Länder grenzen an Syrien, das in dieser Umbruchphase besonders fragil ist. An den Gesprächen nahmen demnach auf der israelischen Seite der Direktor des Inlandsgeheimdienstes Shin Bet und ranghohe Offiziere der Armee sowie auf jordanischer Seite der Direktor des Geheimdienstes und hochrangige jordanische Militärkommandeure teil.

Gipfel in Jordanien

Bei einem Gipfeltreffen im jordanischen Rotmeer-Bad Akaba hatten arabische und internationale Diplomaten zuvor dem neuen Syrien ihre Unterstützung ausgesprochen. „Wir alle stehen Syrien in der Wiederaufbauphase nach Jahren des Tötens zur Seite“, sagte der jordanische Außenminister Aiman al-Safadi. Er sprach von einem historischen Moment.

US-Außenminister Antony Blinken sagte vor Journalisten: „Wir waren uns einig, dass der Übergangsprozess unter syrischer Führung und in syrischer Verantwortung erfolgen muss und eine inklusive und repräsentative Regierung hervorbringen sollte.“ Der türkische Außenminister Hakan Fidan sagte: „Die nächsten Tage werden nicht einfach sein, aber die Türkei wird weiterhin Seite an Seite des syrischen Volks stehen.“ Die Türkei, die die siegreichen Rebellen unterstützt, wird nach dem Machtwechsel als einflussreichster ausländischer Akteur gehandelt.

Anwesend bei dem Treffen waren auch die Außenminister aus Saudi-Arabien, Irak, Libanon, Ägypten, den Vereinigen Arabischen Emiraten (VAE), Bahrain und Qatar. Auch der UN-Sondergesandte für Syrien, Geir Pedersen, nahm an dem Sondergipfel teil. Syrische Vertreter waren nicht anwesend.