Business France-Chef Pascal Cagni spricht

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Herr Cagni, laut dem Beratungsunternehmen EY bleibt Frankreich das sechste Jahr in Folge Europas beliebtester Standort für ausländische Investoren. Das mag überraschen, schließlich war das vergangene Jahr von politischer Lähmung und schwachem Wirtschaftswachstum gekennzeichnet. Ist das den Investoren egal?

Unabhängig vom konjunkturellen Umfeld und den Höhen und Tiefen des politischen Lebens verfügt Frankreich über Trümpfe. Und nach zwei bis drei Jahrzehnten ohne klare Führung hat Präsident Macron das Land wirtschaftspolitisch auf Kurs gebracht. Er hat lange überfällige Reformen durchgeführt, etwa in der Steuerpolitik. Zugleich haben wir bei Business France eine Marketingoffensive gestartet. Es ist uns gelungen, die Franzosen zu mobilisieren und ihnen ihre Stärken bewusst zu machen.

Und die politische Instabilität mit mehreren Regierungswechseln hatte keinerlei Einfluss auf die Investitionspläne?

Ich bin seit acht Jahren in meiner Funktion tätig und habe mehrere fähige Minister kommen und gehen sehen. Ich sage nicht, dass die Politik bei Standortentscheidungen keine Rolle spielt, wie wir mit Blick auf Amerika sehen. Aber für Unternehmen bleibt Frankreich mit Blick auf Rechtsstaatlichkeit, qualifizierte Arbeitskräfte, Zugang zu Kapital sowie hochwertige Flughäfen, Zugverbindungen und große Häfen ein äußerst interessanter Standort. Hinzu kommt ein strategisch agierender Staat, der, wo nötig, Hand anlegt und investiert. Das ist nicht nur Regierungspropaganda. Ich selbst bin kein Staatsdiener, sondern ein Mann aus der Wirtschaft. Es ist nicht alles perfekt, aber wir haben Fortschritte gemacht.

Was kann Deutschland von Ihnen lernen?

Zunächst einmal haben wir in puncto regionaler Wirtschaftspolitik viel von Deutschland gelernt! Ich bin im Elsass geboren und habe immer wieder zu dem sehr familiären und bodenständigen Kapitalismus auf der anderen Rheinseite aufgeschaut, wo multinationale Unternehmen in ländlichen Gebieten entstanden sind. Heute finde ich es interessant zu sehen, wie uns deutsche Unternehmer um unsere strategische Positionierung und den Investorengipfel „Choose France“ beneiden. Damit schaffen wir es, die Welt zu mobilisieren und anzulocken. Gleiches ist uns mit dem KI-Gipfel im Februar gelungen. Der Staat muss angesichts eines totalen Paradigmenwechsels im globalen Handel und eines Krieges in Europa, der zu explodierenden Energiepreisen geführt hat, strategischer vorgehen. Für mich war es eine große Freude, als mir der Chef von BASF sagte: „Pascal, Sie machen einen guten Job, wir wünschten, unsere Regierung wäre so aktiv wie Sie.“

Welche neuen Investitionstrends erfreuen Sie besonders?

Zum einen tut sich viel in der Agrar- und Lebensmittelindustrie. Große, insbesondere angelsächsische Unternehmen wie Mars investieren verstärkt in Frankreich. Zum anderen gibt es allein 42 neue Investitionsprojekte im Bereich der Künstlichen Intelligenz. Die Tatsache, dass Open AI ein Büro in Frankreich eröffnet hat und Microsoft und Google hier investieren, ist meiner Meinung nach ein extrem starkes Signal. Und ich möchte betonen, dass 75 Prozent der Projekte außerhalb der Metropolregion Île-de-France geplant sind. Das bedeutet, dass das gesamte französische Staatsgebiet und auch kleine Gemeinden jenseits von Paris davon profitieren. Deutsche Unternehmen sind hier im Übrigen die zweitgrößten Investoren hinter den Amerikanern.

Wenn das Investitionsklima doch so positiv ist, warum ist Macron bei den Franzosen so unbeliebt, und es herrscht so viel Frustration in der Bevölkerung vor?

Mit der Globalisierung sieht sich ein großer Teil der europäischen Bevölkerung mit der Realität des globalen Wettbewerbs konfrontiert. Zunächst kam neue Konkurrenz aus Osteuropa, heute kommt sie von den 500 Millionen Chinesen, die in weniger als 15 bis 20 Jahren der Armut entkommen sind, und von Indien, das sich zu einem Titanen entwickelt. Ich habe in Arc investiert, ein legendäres französisches Unternehmen mit mehr als 200 Jahren Geschichte, das im Norden 4000 Menschen beschäftigt. Wir sind der größte Lieferant von Tischglas für Ikea. Nach Corona stieg die Gasrechnung um das Siebenfache, von 17 auf 127 Millionen Euro, mit Folgen für die Verschuldung und die Beschäftigung.

Was bedeutet das politisch?

Die Mitarbeiter, die ihre Arbeitsplätze bedroht sehen und mit stagnierenden Löhnen konfrontiert sind, neigen dazu, extreme Lösungen zu wählen. Wir haben keine andere Wahl, als Risiken einzugehen und sie davon zu überzeugen, dass es einen vernünftigen Mittelweg gibt, der es uns durch Investitionen ermöglicht, wieder auf den Weg zu grünem Wachstum zurückzukehren und den geschaffenen Wohlstand zu teilen. Selbst nach all den Jahren, in denen ich Fabriken geleitet und 60 Investitionen in Unternehmen getätigt habe, habe ich keine andere Antwort als Kapitalinvestitionen, unternehmerisches Risiko und politischen Mut.