Bevor Donald Trump an den Golf reiste, hatte es in der Region zahlreiche Spekulationen gegeben, was der Präsident der USA dort womöglich verkünden werde. In Israel nahm die Nervosität zu. Kommentatoren äußerten – je nach politischer Haltung – die Befürchtung oder die Hoffnung, Trump werde seine politische Agenda ohne Rücksicht auf die Regierung von Benjamin Netanjahu vorantreiben.
Als Anzeichen wurden verschiedene Entwicklungen der vergangenen Wochen gewertet, etwa die Aufnahme von Atomverhandlungen mit Iran oder die Einigung mit der Huthi-Miliz im Jemen. Netanjahu sah sich sogar genötigt, in einem Video zu versichern, dass seine Beziehungen zu Trump weiterhin „exzellent“ seien. Kurz darauf wurde bekannt, dass Washington Gespräche mit der Hamas geführt hatte, um die Freilassung einer Geisel mit amerikanischem Pass zu erreichen. Ein israelisches Kabinettsmitglied beschwerte sich öffentlich darüber und kritisierte Trumps „unberechenbares“ Verhalten.
Netanjahus womöglich größte Befürchtung wurde aber nicht wahr: dass Trump vor seinen Gesprächen in Saudi-Arabien eine Waffenruhe im Gazakrieg erzwingt. Auch Edan Alexanders Freilassung durch die Hamas am Montag hatte nicht zur Folge, dass Israel seine Offensive infolge amerikanischen Drucks abgemildert hätte. In den vergangenen Tagen gab es im Gegenteil massive Luftangriffe, die zahlreiche Todesopfer forderten. Allein seit dem frühen Donnerstagmorgen seien mindestens 106 Menschen getötet worden, teilten Vertreter der teils von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde am Nachmittag mit. Die schwersten Attacken gab es den Berichten aus Gaza zufolge in der Stadt Khan Yunis, dort wurden mehrere Wohnhäuser bombardiert.
Hamas fordert ein Ende des Krieges
Gleichzeitig wird in Doha wieder über ein neues Gazaabkommen gesprochen. Die Hamas zeigt sich palästinensischen Berichten zufolge in mehreren Punkten flexibel. So soll sie Bereitschaft bekundet haben, dass einige ihrer Anführer ins Exil gehen. Auch eine Entwaffnung steht offenbar im Raum. Allerdings ist offen, wie ernst gemeint diese Kompromissbereitschaft ist. Denn Medienberichten zufolge hat Netanjahu der israelischen Delegation ohnehin die Anweisung erteilt, sie dürfe nur über einen einzigen Vorschlag sprechen.
Laut dem Plan, den Trumps Sondergesandter Steve Witkoff vor einigen Wochen vorgelegt hatte, soll die Hamas die Hälfte der noch lebenden Geiseln freilassen, im Gegenzug gibt es eine Waffenruhe von mehreren Wochen. In dieser Zeit soll über alles Weitere verhandelt werden. Die Hamas lehnt das ab, sie fordert unmittelbar ein endgültiges Arrangement, das ein Ende des Krieges vorsieht. Trump solle dafür eine persönliche Garantie abgeben. Ob und inwieweit dessen Besuch in Qatar sich auf die Gespräche auswirkte, war am Donnerstag unklar.
Die Hamas warf indessen Netanjahu vor, durch eine „bewusste Eskalation der militärischen Gewalt“ untergrabe er die Bemühungen der Vermittler. Auf beiden Seiten kann mögliche Verhandlungsbereitschaft jederzeit durch Gewalt beeinträchtigt werden. In Israel herrschte Betroffenheit, nachdem am Mittwochabend eine hochschwangere Israelin im nördlichen Westjordanland einem Terrorangriff zum Opfer gefallen war. Die 37 Jahre alte Frau und ihr Mann waren auf dem Weg zur Entbindung ins Krankenhaus, als auf ihr Auto gefeuert wurde. Die Ärzte konnten sie nicht mehr retten, aber ihr Kind – das vierte – noch durch einen Notkaiserschnitt zur Welt bringen. Nach den Tätern wurde am Donnerstag gefahndet. Mehrere Vertreter der ideologischen Siedler forderten, Israel solle palästinensische „Terrordörfer“ genauso zerstören wie den Gazastreifen.