Die Schiffe der industriellen Fischerei pflügen mit ihren Grundschleppnetzen den Meeresboden um, wühlen Sedimente auf und bringen die Ökosysteme durcheinander. Drei Viertel der Tiere, die im Netz landen und sterben, sind zudem Jungfische, Vögel, Wale oder Schildkröten, die nicht für die menschliche Nahrung gedacht sind. Gerade in den Kinos angelaufen, zeigt ein Dokumentarfilm von David Attenborough, wie die Schäden durch die großen Schleppnetze aussehen.
Die sichtbaren Zerstörungen sind nicht die einzigen Schäden, die diese Art des Fischfangs verursacht. Der Meeresboden ist ein Kohlenstoffspeicher, organische Substanzen sind eingelagert und können dort Millionen von Jahren überdauern. Sie gelangen zurück ins Wasser, wenn Sand und Schlamm aufgewirbelt werden, und reagieren mit dem Sauerstoff zu Kohlendioxid (CO₂). Das Wasser wird lokal saurer, und innerhalb von sieben bis neun Jahren entlässt das Meer das Kohlendioxid dann in die Atmosphäre, wo es zur Klimaerwärmung beiträgt. Wie Forscher um den Meeresbiologen Enric Sala in den USA und Australien berechnet haben, wurden durch die Grundschleppnetzfischerei zwischen 1996 und 2020 weltweit jedes Jahr bis zu 370 Millionen Tonnen des Treibhausgases frei. Das ist doppelt so viel, wie die Dieselmotoren sämtlicher Fischereischiffe und Fischerboote global ausstoßen. Zum Vergleich: Deutschland emittierte im Jahr 2023 fast 700 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalente.
Problemfall Ostsee
Zu den Gebieten, in denen der Fischfang mit Grundschleppnetzen den größten Einfluss auf die CO₂-Emissionen hat, zählen die Nord- und die Ostsee. In der Ostsee trägt auch noch die Zusammensetzung der Sedimente dazu bei, dass das klimaschädliche Gas frei wird: Der Schlamm auf dem Meeresgrund enthält das eisenhaltige Mineral Pyrit. Das wird ebenfalls aufgewirbelt und verstärkt durch eine Kaskade an chemischen Reaktionen die Freisetzung von Kohlendioxid aus dem Wasser, wie Geochemiker des Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung GEOMAR in Kiel herausgefunden und kürzlich im Fachjournal „Communications Earth & Environment“ veröffentlicht haben.
Die Kosten, die die industrielle Fischerei mit Grundschleppnetzen in Europa verursachen, haben Wissenschaftler aus den USA und Kanada in einer aktuellen Studie ausgerechnet. Demnach kosten allein die erhöhten CO₂-Emissionen aus den Sedimenten die Gesellschaft zwischen 3,6 und 13 Milliarden Euro jährlich, dazu kommen noch die Emissionen durch die Verbrennung von Treibstoffen und Subventionen. Die Grundschleppnetzfischerei erwirtschaftet dagegen einen Umsatz von etwa 4,5 Milliarden Euro im Jahr. Selbst wenn der Benefit durch Arbeitsplätze und Proteinversorgung noch einbezogen wird, seien die Kosten höher als der Nutzen, schreiben die Autoren der Studien. In den Rechnungen der Wissenschaftler sind die zerstörten Ökosysteme am Meeresboden noch nicht eingepreist, und auch andere Formern der Fischerei bleiben unberücksichtigt. Die Arbeit ist allerdings noch nicht begutachtet worden, sondern steht seit März auf dem einem Preprint-Server.
In der EU findet Grundschleppnetzfischerei selbst in den Meeresschutzgebieten statt: So stammt in Deutschland und einigen anderen EU-Ländern etwa ein Viertel des Fangs aus Gegenden, die unter Schutz stehen, und das ganz legal. Nach einem Vorschlag der EU-Kommission soll dies bis zum Jahr 2030 nicht mehr möglich sein.
Zudem müssen, so das Fazit der GEOMAR-Forscher, dringend noch die Gebiete, in denen der Meeresgrund mit feinkörnigen, schlammigen Sedimenten mit hohem Pyritgehalt bedeckt ist, unter Schutz gestellt werden. Nur so sei zu verhindern, dass aus einer Kohlenstoffsenke in der Ostsee eine Kohlendioxidquelle werde.
Von einer Beschränkung der Schleppnetzfischerei würden nicht nur das Leben im Meer und das Klima profitieren, sondern am Ende auch die Fischer selbst, schrieb Enric Sala bereits im Jahr 2021 auch in einer Studie im Magazin „Nature“: Intakte Meeresökosysteme und eine gebremste Erwärmung der Meere sichern die Fischbestände.