Mohammed Bin Salman will gar nicht aufhören zu strahlen. Mehrmals hebt er die Arme und klatscht kräftig. Dann bricht im Saal des „King Abdulaziz“-Kongresszentrums in Riad Jubel aus. Der saudische Kronprinz erhebt sich von seinem Platz und begibt sich auf die Bühne, wo Donald Trump gerade seine Rede beendet hat. MBS, wie er genannt wird, reicht dem amerikanischen Präsidenten die Hand. Trump aber greift jovial die Schulter seines Gastgebers – nicht ganz protokollgerecht, aber der Kronprinz hat offenkundig nichts dagegen. Aus den Lautsprechern ertönt „YMCA“ von den Village People – der Song, der sonst auf den MAGA-Kundgebungen zum großen Finale aufgelegt wird. Die Ironie, dass die versammelten Prinzen in ihren weißen Gewändern und der rot-weißen Kopfbedeckung in der Hauptstadt des wahhabitischen Königreichs zur alten Hymne der LGBTQ-Bewegung rhythmisch klatschen, ist an diesem Tag nur eine schräge Szene von vielen.
Im Kern geht es auf der ersten Auslandsreise des Präsidenten um Geschäfte: In Saudi-Arabien steht ein Rüstungsdeal im Wert von 142 Milliarden Dollar im Mittelpunkt – angeblich der größte, der jemals geschlossen wurde. Trumps Botschaft an sein amerikanisches Publikum lautet: Er sorge für Wachstum und Arbeitsplätze. Der Präsident hat es sich in seiner Rede nicht nehmen lassen, dem Publikum auf der saudisch-amerikanischen Investitionskonferenz zunächst von seinen Erfolgen daheim zu berichten: von der Bekämpfung der illegalen Migration bis zur „rockenden“ Wirtschaft. Dann schlug er den Bogen zu seinem Gastgeber: Das „goldene Zeitalter“, das er gerade in Amerika schaffe, werde es auch auf der Arabischen Halbinsel geben. Was der Kronprinz mit seinem Königreich mache, sei nichts weniger als ein „modernes Wunder“.
Eine neue Air Force One für Trump?
So hatte der Präsident sich seinen ersten Trip wohl vorgestellt: Der große „Dealmaker“ berichtet der Welt von seinen Großtaten, und das Publikum öffnet die Scheckbücher. Der Kronprinz, der faktische Herrscher des Landes, sonnt sich in der Rolle des Modernisierers. Im Foyer des Kongresszentrums hängt ein großes Bild des Staatsgründers Abdulaziz, genannt Ibn Saud, das ihn mit Franklin D. Roosevelt zeigt. Das Foto entstand 1945 auf dem Kreuzer USS Quincy. Es war der Beginn der amerikanisch-saudischen Sonderbeziehungen: Öl gegen Sicherheit. Beide, Trump und MBS, gehen in ihren Reden auf das historische Treffen vor 80 Jahren ein. Der Kronprinz schwelgt aber ebenso wenig in der Vergangenheit wie der Präsident. Beide sind längst dabei, ihre Beziehungen zu diversifizieren. Daher die saudischen Investitionszusagen.
Das Ganze wiederholt sich am Mittwoch in Doha, der zweiten Station der Reise. In der qatarischen Hauptstadt steht ein Großauftrag für den zuletzt kriselnden Flugzeugbauer Boeing im Mittelpunkt. Es geht um 160 Flugzeuge für die staatliche Fluggesellschaft Qatar Airways. Trump und sein Gastgeber, Scheich Tamin bin Hamad Al-Thani, sind bei der Vertragsunterzeichnung dabei. Medial wird der Deal überschattet vom Angebot des Emirs, Trump eine Boeing vom Typ 747 im Wert von 400 Millionen Dollar zu schenken, die zur neuen Air Force One umgebaut werden könnte.
In seiner ersten Amtszeit hatte Trump eine Bestellung bei Boeing aufgegeben, doch verzögerte sich das Projekt, sodass er nun weiter mit der 30 Jahre alten Präsidentenmaschine fliegen muss. Von Doha aus, wo die traditionellen Dhau-Boote an der Corniche anstelle von Segeln die Flaggen beider Staaten aufgezogen haben, geht es am Donnerstag nach Abu Dhabi, wo wieder Verträge unterzeichnet werden.

Die Botschaft, die Trump von seinen Gesprächspartnern am Golf wenig verhüllt erhält, ist auch politischer Natur: Die arabische Welt sei eine wirtschaftliche Gelegenheit für Amerika. Washington möge sich also nicht länger seine Außenpolitik von Israel diktieren lassen. Soll heißen: Die Golfmonarchien sind zwar zu einem pragmatischen Umgang mit Israel bereit, auch wenn der Gazakrieg mehr als nur ein Rückschlag in der Normalisierungspolitik war. Man glaubt aber Amerika mehr bieten zu können als der jüdische Staat. Das zeigt bei Trump Wirkung. In seiner ersten Amtszeit war der Republikaner in Israel gleichsam als Messias gefeiert worden. Und auch beim ersten Besuch Netanjahus in Washington nach Trumps Rückkehr ins Weiße Haus herrschte zwischen beiden noch eitel Sonnenschein. Das war die Zeit, als Trump von einer Riviera des Nahen Ostens in Gaza träumte und Netanjahu sagte: Trump habe binnen kurzer Zeit so viel erreicht – man möge sich vorstellen, wo man in vier Jahren sein könne.
Inzwischen ist vieles anders. Die Beziehungen zwischen beiden Staaten sind merklich abgekühlt. Das hat unterschiedliche Gründe. Der wichtigste: Iran. Auf seiner Reise in die Golfmonarchien wurde abermals deutlich, dass Trump im Atomkonflikt mit Teheran auf eine diplomatische Lösung setzt. Am Donnerstag sagte er mit Blick auf die Bemühungen seines Sondergesandten Steve Witkoff, man müsse abwarten, es gebe aber „sehr ernsthafte Verhandlungen mit Iran über einen langfristigen Frieden“. Teheran habe „gewissermaßen den Bedingungen zugestimmt“. Womöglich komme man einem Deal nahe.
Nach der Absetzung Mike Waltz’ als Nationalem Sicherheitsberater hatte jemand im Weißen Haus durchgestochen, dass es zwischen diesem und Trump im Februar zu Differenzen gekommen war. Konkret: Waltz hatte sich aus Sicht des Präsidenten zu wohlwollend über Netanjahus Bestreben geäußert, gemeinsam mit Washington auf eine militärische Option zu setzen, um die iranischen Atomanlagen zu zerstören. Netanjahu misstraut einer Verhandlungslösung. Er führte kürzlich aus: Ein schlechter Deal sei schlimmer als kein Deal. Trump aber will sich, wie in seiner ersten Amtszeit, nicht in einen Krieg hineinziehen lassen, so gern er mitunter militärisch die Backen aufbläst.
Belastete Männerfreundschaft
Auch im Umgang mit den Huthi im Jemen kam es zu Meinungsverschiedenheiten zwischen den Vereinigten Staaten und Israel. Hier hatte das Pentagon Trump zu verstehen gegeben, dass das militärische Vorgehen gegen die Miliz aufwendiger sei als vermutet. Trump verkündete daraufhin, dass Washington die Luftschläge gegen den Jemen einstelle, da die Huthi zugesagt hätten, amerikanische Handelsschiffe im Roten Meer nicht mehr anzugreifen. Israel wurde durch die Ankündigung überrascht – dem jüdischen Staat gegenüber machte die Miliz nämlich keine Zusagen. Netanjahu äußerte sich beleidigt: Israel werde sich selbst verteidigen. „Wenn andere dabei helfen, etwa die amerikanischen Freunde, gut.“ Wenn nicht, werde Israel es allein tun. Der amerikanische Botschafter in Israel, Mike Huckabee, zeigte sich unbeeindruckt: Washington sei nicht verpflichtet, eine israelische Erlaubnis (für den Deal mit den Huthi) einzuholen.
Dann kam noch Trumps Botschaft in Riad dazu: Den Kronprinzen forderte der Präsident zwar auf, die Beziehungen zu Israel zu normalisieren, doch solle er selbst darüber entscheiden, wann die Zeit gekommen sei. Und schließlich traf Trump relativ spontan noch mit dem syrischen Übergangspräsidenten Ahmed al-Scharaa zusammen, dem einstigen Dschihadisten, dessen Beziehung zum Staat Israel, gelinde gesagt, kompliziert ist. Die Männerfreundschaft zwischen Trump und Netanjahu ist also belastet.
Trump wird gewiss in dem Bewusstsein aus dem Nahen Osten heimkehren, wieder Großes bewirkt zu haben. Manches in seiner außen(handels)politischen Zwischenbilanz nach vier Monaten erinnert aber an das Stückwerk und das Chaos seiner ersten Amtszeit: das Zurückrudern im Handelskonflikt mit China etwa. Oder der Krieg in der Ukraine, der doch etwas komplexer ist, als Trump sich das offenbar vorgestellt hatte, was er letzthin gegenüber Spendern in Florida eingestand. In den vergangenen Tagen gab es ein Hin und Her: Trump erwog, zu den Ukraine-Gesprächen in die Türkei zu fliegen, um Wladimir Putin zu locken, selbst in Istanbul zu erscheinen. Das gelang aber nicht. So schickte er seinen Außenminister Marco Rubio. Am Donnerstag aber sagte Trump, wenn etwas passiere, könnte er am Freitag dazustoßen. Und auch: Es werde nichts passieren, bis er mit Putin zusammentreffe.
In Abu Dhabi, seiner letzten Station, war man jedenfalls froh, dass Trump seine Reise nicht abbrechen musste. Die Tage auf der Arabischen Halbinsel waren gleichsam ein Heimspiel für den Präsidenten. Im nächsten Monat geht es zum G-7-Gipfel nach Kanada. So wie die Zeiten sind, wird das Treffen der großen westlichen Industriestaaten ein echtes Auswärtsspiel für ihn.