Springspinnen werden leicht übersehen, denn sie sind oft nur wenige Millimeter groß. Wie ihr Name verrät, sind sie Meister im Weitsprung. Häufig legen sie in einem Satz das Zehn- bis Fünfzehnfache ihrer Körperlänge zurück – auf menschliche Dimensionen übertragen, wären das Sprünge von 25 Metern. Wenn Springspinnen über einen Spalt hüpfen, sich auf Beute stürzen oder Angreifern entwischen, machen sie von dieser Fähigkeit ausgiebig Gebrauch. Dabei ziehen sie stets einen Sicherheitsfaden hinter sich her, an dem sie sich, wie bei Spinnen üblich, notfalls abseilen.
Eine weitere Eigenart der Springspinnen ist ihr exzellentes Sehvermögen. Im Gegensatz zu den meisten anderen Spinnen orientieren sie sich vorwiegend mit ihren Augen. Die beiden mittleren, die mit einer beweglichen Netzhaut die Umgebung scannen, prägen groß und rund das Gesicht der Springspinnen. Wenn männliche Exemplare das andere Geschlecht umwerben, spielen optische Signale eine wichtige Rolle.
Männchen der Gattung Maratus, auch Pfauenspinnen genannt, legen sich dabei besonders ins Zeug: Vergleichbar mit einem Pfau, der sein Rad schlägt, stellen diese in Australien heimischen Springspinnen ihren meist farbenprächtigen Hinterleib zur Schau. Dabei breiten sie oft seitliche Hautlappen aus, die sich sonst eng um den Körper schmiegen. Gleichzeitig untermalen die Spinnenmännchen ihre Show, indem sie mit ihrem besonders langen und auffällig gefärbten dritten Beinpaar eifrig gestikulieren.

Am Beispiel der Pfauenspinne Maratus splendens haben Ajay Narendra und Anna Seibel von der Macquarie University in Sydney herausgefunden, dass gerade diese Schmuckstücke unter den Springspinnen mit ihrer Sprungkraft alle bisher getesteten Spezies übertreffen.




Beim Springen müssen Spinnen auch zwei Beingelenke strecken, denen spezielle Streckmuskeln fehlen. Statt der Beinmuskulatur kommen hier Muskeln ins Spiel, die den Rücken mit den Flanken des Vorderleibs verbinden. Sie können sich derart zusammenziehen, dass das Spinnenblut, Hämolymphe genannt, in bestimmte Beine gepresst wird und sie dadurch zwangsläufig streckt. Diesen hydraulischen Mechanismus nutzten auch die Springspinnen, die im Dienste der Wissenschaft von einer horizontalen Plattform spontan auf eine vier Zentimeter entfernte Wand hüpften. Die Schnellsten brauchten weniger als zwanzig Millisekunden für den Absprung und starteten mit einer Geschwindigkeit von einem Meter pro Sekunde. Dass Pfauenspinnen so erstaunlich flott unterwegs sind, mag damit zusammenhängen, dass sie flinken Beutetieren nachstellen oder dass sie Angreifern sehr schnell entkommen müssen.
Balz oder Flucht?
Videoaufnahmen mit fünftausend Bildern pro Sekunde zeigten, dass die Springspinnen vor dem Absprung stets die beiden vorderen Beinpaare, die bei der Landung zuerst Bodenkontakt aufnehmen sollen, schräg nach oben streckten. Vermutlich, um den Sicherheitsfaden zu befestigen, berührte der Hinterleib danach kurz die Plattform. Anschließend stieß sich die Spinne zunächst mit dem vierten Beinpaar ab und ganz zum Schluss mit dem dritten. Mit der vollständigen Streckung dieser Beine erreichten die Spinnen ihre maximale Beschleunigung, so berichten Narendra und Kollegen im „Journal of Experimental Biology“. Folglich leistet das dritte und längste Beinpaar beim Absprung den größten Kraftbeitrag.

Das wirft die Frage auf, welches Risiko männliche Springspinnen eingehen, wenn sie ihr drittes Beinpaar bei der Choreographie der Balz einsetzen, anstatt sprungbereit zu bleiben. Schließlich müssen die Tiere damit rechnen, dass das umworbene Weibchen sie als Beute betrachtet statt als möglichen Partner. Dann müssten die Männchen schnellstmöglich das Weite suchen. Immerhin profitieren sie davon, dass sie im Durchschnitt nur halb so groß sind wie die Weibchen. Sie können deshalb schneller davonspringen, wenn ein Angriff droht.
Beim Absprung unter wissenschaftlicher Beobachtung setzte sich die Pfauenspinne Maratus splendens im Durchschnitt einer Belastung aus, die etwa dem 13-Fachen der Fallbeschleunigung durch die Schwerkraft der Erde entspricht. Für Spinnen ist das ein Rekord.
Bei den Insekten erreichen die Champions allerdings noch höhere Werte. Wie Malcolm Burrows von der University of Cambridge entdeckte, erzeugen sechs Millimeter große Wiesenschaumzikaden der Gattung Philaenus bei ihren besten Sprüngen eine Beschleunigung, die dem 550-Fachen der Schwerkraft entspricht. Damit hüpften sie bis zu 70 Zentimeter in die Höhe, schreibt der Forscher im „Journal of Experimental Biology“. Allerdings arbeiten diese weitverbreiteten Zikaden, die sich als Larven in einen schützenden Schaummantel hüllen, mit einem besonderen Trick: Mit Muskelkraft bauen sie zunächst eine hohe mechanische Spannung auf, die sich dann plötzlich entlädt und das kleine Insekt mit einer Geschwindigkeit von 4,7 Metern pro Sekunde starten lässt.