ESC-Party und Proteste gegen Israel

5

News folgen

Der Eurovision Song Contest findet in diesem Jahr im schweizerischen Basel statt. Auch Israel nimmt wieder teil. Doch die Proteste sind deutlich kleiner als im vergangenen Jahr.

Tobias Schibilla berichtet vom Eurovision Song Contest aus Basel.

Donnerstagabend, kurz vor 19 Uhr: Vor der St. Jakobshalle in Basel stehen viele Tausend Menschen in langen Schlangen, sie wollen das zweite Halbfinale des Eurovision Song Contest sehen. Die Stimmung ist gut, viele Fans tragen bunte Kostüme in den unterschiedlichsten Nationalfarben.

Neben der Vorfreude auf ein musikalisches Spektakel liegt allerdings auch Spannung in der Luft. Denn auch in diesem Jahr nimmt Israel am Wettbewerb teil. Bereits im vergangenen Jahr hatte Israels Teilnahme beim ESC im schwedischen Malmö große Proteste ausgelöst und den Wettbewerb politisiert.

Proteste gibt es auch in diesem Jahr. Das Aktionsbündnis “ESCalate for Palestine” organisierte am Mittwoch einen Flaggenmarsch, bei dem etwa 200 Teilnehmer mit palästinensischen Fahnen durch die Baseler Innenstadt zogen und gegen die ESC-Teilnahme Israels demonstrierten.

Schon der traditionelle Empfang der ESC-Künstler in Basel am Sonntag vor dem Finale des Musikwettbewerbs stand im Zeichen des Protests gegen die israelische Teilnahme: Bei der Ankunft der Delegationen auf dem türkisfarbenen Teppich bestimmten palästinensische Fahnen das Bild. Ein Demonstrant versuchte friedlich, die Straßenbahn mit der israelischen Delegation zu blockieren – und wurde ebenso ruhig von zwei Beamten der Basler Polizei weggetragen.

Am Donnerstagabend rief “ESCalate for Palestine” dann zu Protesten vor der Halle auf. Das Polizeiaufgebot war groß, Beamte mit Maschinenpistolen patrouillierten in der Umgebung der St. Jakobshalle. Doch abgesehen von etwa zehn Aktivisten mit Palästinaflaggen blieb der Aufstand aus. Anders als viele Beobachter es erwartet hatten, ist Basel in diesen Tagen mehr Party- als Proteststadt.

Seit dem Überfall der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 und dem darauffolgenden Krieg im Gazastreifen hat die Teilnahme der israelischen Delegation am Eurovision Song Contest zu heftigen Diskussionen geführt – nicht nur bei ESC-Fans, sondern auch bei teilnehmenden Künstlern und Sendeanstalten. Wie selten zuvor wurde der ESC, der erklärtermaßen unpolitisch sein soll, dadurch politisiert.

In diesem Jahr veröffentlichten mehr als 70 ehemalige ESC-Teilnehmer aus 16 Ländern Anfang Mai einen offenen Brief, in dem sie dem israelischen Sender Kan “offene Komplizenschaft beim Genozid gegen das palästinensische Volk im Gazastreifen” vorwarfen und einen Ausschluss Israels forderten. Die öffentlich-rechtlichen Sender aus Irland, Spanien, Slowenien und Island forderten daraufhin eine “offene Diskussion” über die Teilnahme Israels am ESC. Doch die veranstaltende Europäische Rundfunkunion (EBU) vertagte diese, sie kündigte in einer Pressemitteilung an, eine solche Debatte erst nach dem ESC in Basel führen zu wollen. Offenbar sollte die Stimmung durch eine offene Kontroverse nicht noch angeheizt werden.

Zumindest bislang scheint dieser Plan aufgegangen zu sein. In Basel ist von Protest wenig zu spüren. Überall in der Stadt sind Konzertbühnen aufgebaut, auf einem Platz vor der Kunsthalle verkaufen verschiedene Anbieter Essen zu teuren Schweizer Preisen: Ein Hotdog kostet umgerechnet 13 Euro, für ein kleines Bier sind umgerechnet etwa neun Euro fällig.

Das tut der Stimmung allerdings keinen Abbruch: Auf der Bühne vor der Kunsthalle singen kleine und große Fans Popsongs bei einem Karaoke-Wettbewerb – und obwohl sie stimmlich keine Meisterleistung abliefern, werden sie von den Zuschauern unterstützt. Als ein etwa zehnjähriger Junge den Klassiker “Major Tom” singt, erheben sich die ersten Reihen von ihren Bierbänken und schmettern jede Zeile mit.

Wenige Meter weiter ertönt wieder Musik. Vor der Elisabethenkirche ist eine weitere Bühne aufgebaut, auf der das A-Kapella-Trio Troisette einige Songs zum Besten gibt. ESC-Fans und einheimische Baseler sitzen vor der Bühne auf Treppenstufen, nippen an ihrem Aperol-Spritz und genießen die Sonne, die die Stadt während der gesamten ESC-Woche in ein helles, freundliches Licht hüllt.