Die Ozonschicht schützt das Leben auf der Erde vor schädlicher UV-Strahlung. Vor 40 Jahren finden Forscher darin ein Loch. Schnell handelt die Weltgemeinschaft – mit Erfolg. Doch noch ist das Loch nicht verschwunden.
Es ist nur ein kurzer Artikel, der am 16. Mai 1985 im Wissenschaftsjournal “Nature” erscheint – mit einigen Schwarz-Weiß-Grafiken und vielen chemischen Formeln. Er beschreibt die Entdeckung einer tödlichen Bedrohung des Lebens auf der Erde. Und gleichzeitig, wie man heute weiß, den Ausgangspunkt für den größten Erfolg der internationalen Umweltpolitik.
Niedrige Ozonwerte über dem Südpol gemessen
Autoren der Publikation sind drei Forscher, die für das Polarforschungsprogramm British Antarctic Survey am Südpol Gase in der Atmosphäre messen. Sie beschreiben, dass sie regelmäßig ab Oktober, wenn die Polarnacht endet, “große Verluste” von Ozon in der Stratosphäre, in 15 bis 30 Kilometern Höhe, beobachten. Dort schützt die Ozonschicht das Leben auf der Erde vor dem schädlichen Teil der UV-Strahlung. Ohne diese “Sonnenbrille” drohen Hautkrankheiten bis hin zu Hautkrebs und Augenschäden wie Grauer Star; Pflanzen würden eingehen.
Auf den Spuren der Treibhausgase
Die drei britischen Forscher vermuten, dass Fluor-Chlor-Kohlenwasserstoffe (FCKW), diese Ozonverluste verursachen. Diese sehr stabilen, ungiftigen Chemikalien wurden erstmals 1928 hergestellt, als Ersatz für giftige Kühlmittel wie Ammoniak. Außer für Kühlschränke und Klimaanlagen bewährten sie sich auch als Treibgase für Sprühdosen und Schaumstoffe.
Weil sie so stabil sind – und damit nicht leicht zerfallen oder sich in andere Verbindungen umwandeln -, fragt sich der US-amerikanische Chemiker Sherwood Rowland: Was wird aus diesen Gasen? Sein junger Mitarbeiter Mario Molina entwickelt eine Theorie: Sie gelangen bis in die Stratosphäre und werden dort von “harter” UV-Strahlung gespalten. Dadurch entstehen sehr reaktionsfreudige Chloratome, die wiederum Ozon spalten – es beginnt eine Kettenreaktion.
“Ich hatte das Gefühl, als würde ich über eine Klippe schauen und könnte den Boden nicht sehen”, erinnerte sich Sherwood Rowland in einem Interview. “Zwischen dem Freiwerden der FCKW auf der Erde und dieser Kettenreaktion in der Stratosphäre liegt ja eine Zeitverzögerung, also wussten wir nicht, was noch auf uns zukommen würde.” Die Nachricht über diese Theorie erschien 1974 nach einer Pressekonferenz in 400 Zeitungen weltweit mit 100 Millionen Lesern.
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Ozonloch im Vergleich von 1985 zu 2024
Abbau der Ozonschicht war noch schlimmer als vermutet
Schon diese Theorie war so beängstigend, dass die USA und Schweden sehr schnell FCKW in Sprühdosen verboten. Und im März 1985 verabschiedeten die Vereinten Nationen das Wiener Abkommen zum Schutz der Ozonschicht – eine reine Absichtserklärung. Erst sechs Wochen später wurde die Entdeckung des Ozonlochs bekannt.
Sie bestätigt allerdings nicht die Theorie von Rowland und Molina – denn die hatte den Ozonabbau in einer anderen Region der Stratosphäre beschrieben. Dennoch waren die Forscher des British Antarctic Survey sicher: Auch der extreme Ozonverlust über dem Südpol wird durch FCKW verursacht.
“Es war schwierig, das tatsächlich auf FCKW zurückzuführen”, erinnerte sich später Jonathan Shanklin, einer der drei Autoren. “Aber es war klar: Die FCKW wurden mehr, Ozon wurde weniger.” Später wurde der Zusammenhang auch bestätigt. Das Besondere über der Antarktis ist, dass Eiskristalle für die fatale Kettenreaktion eine entscheidende Rolle spielen.
Die Weltgemeinschaft handelt
Nach der Entdeckung des Ozonlochs war klar: FCKW müssen verboten werden, um diese Entwicklung so schnell wie möglich zu stoppen. Im September 1987 wurde das Montreal-Protokoll verabschiedet, das diese Chemikalien schrittweise weltweit verbieten sollte, und die ihnen ähnlichen Halone, die als Feuerlöschmittel dienen. Es ist das bislang einzige UN-Umweltabkommen, das von allen Mitgliedsstaaten ratifiziert wurde.
Nicht immer ist der Ersatz durch andere Gase so einfach wie bei Sprühdosen. Deutsche Kühlschrankhersteller sagten 1991 zu, ein chlorfreies Kühlmittel zu verwenden – das allerdings klimaschädlich ist, ähnlich wie die FCKW selbst. Für die Schaumstoffisolierung der Geräte wollten sie aber nicht auf FCKW verzichten. Mehr sei erstmal nicht möglich.
Das Ozonloch unterliegt Schwankungen: 2023 war es so groß wie lange nicht. Als Grund vermutete die Europäische Weltraumbehörde ESA einen vorangegangen Vulkanausbruch. 2024 fiel das Ozonloch wieder kleiner aus, wie die Grafik oben im Text zeigt.
Entwicklung von Alternativen
Ein kleines Unternehmen in Chemnitz, das von der Treuhand abgewickelt werden soll, hat indes eine Komplettlösung: Propan und Butan, zwei Gase, die nur aus Kohlenstoff und Wasserstoff bestehen, als Kältemittel und für den Schaumstoff. Greenpeace unterstützt die Idee, das Ergebnis ist der Kühlschrank namens “Greenfreeze”. Sehr schnell steigen jetzt auch die großen Hersteller um.
Wilfried Mahlmann, damals ein Mitarbeiter des Bundesumweltministeriums, erzählte später, welche langfristige Wirkung diese Geschichte hatte: “Das hat uns geprägt und sehr skeptisch gemacht, wenn die Industrie kommt mit irgendwelchen Horrorzahlen und Berechnungen, wie schlecht es ihr geht und dass es nicht machbar ist und so weiter. Da sind wir seitdem sehr, sehr skeptisch geworden.”
Das Ozonloch schließt sich langsam
Das Montreal-Protokoll wird immer weiterentwickelt, und es hat seinen Zweck erfüllt, die Verwendung von FCKW und Halonen zu beenden. Doch das Ozonloch ist immer noch nicht verschwunden.
FCKW aus dem 20. Jahrhundert richten bis heute Schaden an, weil sie so stabil sind. Für einige Anwendungen, etwa Feuerlöschmittel und Narkosegase, galten lange Übergangsfristen. Immer wieder wurden längst verbotene FCKW illegal produziert. Bei der Entsorgung von Kühlgeräten, beim Verschrotten von Autos oder beim Abbruch von Häusern mit Klimaanlagen werden die Gase nicht immer abgesaugt. Und schließlich fördert die Erwärmung der unteren Atmosphäre durch den Klimawandel auch den Ozonabbau.
Aber ohne die Entdeckung des Ozonlochs durch die drei britischen Antarktis-Forscher hätte die Weltgemeinschaft nicht so früh damit beginnen können, die FCKW einzudämmen – und damit weltweit Schäden bei Menschen, Tieren und Pflanzen durch schädliche UV-Strahlung zu verhindern.