Stefan Raab wollte Deutschland beim Eurovision Song Contest wieder erfolgreich machen – und ist gescheitert. Doch es gibt Anlass zur Hoffnung.
Es gab mal eine Zeit im deutschen Fernsehen, da wurde alles, was Stefan Raab anfasste, zu Gold: Seine Late-Night-Show “TV Total” prägte eine gesamte Generation, abendfüllende Shows wie “Schlag den Raab” dominierten die TV-Quoten und seine Entdeckung Lena Meyer-Landrut gewann den Eurovision Song Contest 2010.
Mit dem 15. Platz für das Duo Abor & Tynna beim diesjährigen ESC in Basel findet die Ära Raab ein Ende. Der Entertainer hatte sich 2015 aus der Öffentlichkeit zurückgezogen – und kehrte vergangenes Jahr mit ambitionierten Projekten auf die Bildschirme zurück. Das ESC-Ergebnis ist nun die zweite herbe Niederlage für den Entertainer binnen weniger Tage, nachdem der Fernsehsender RTL in dieser Woche angekündigt hatte, seine Show “Du gewinnst hier nicht die Million” abzusetzen.
Raabs Niederlage beim ESC wiegt besonders schwer, weil er die Erwartungen so hoch ansetzte. Den Auswahlprozess für den deutschen Eurovision-Beitrag machte er zur “Chefsache”, bei der die anderen Jury-Mitglieder kaum ein Mitspracherecht hatten und die Wahl für die Zuschauer so sehr beschränkt wurde, dass Raabs Favoriten Abor & Tynna gewissermaßen schon als Sieger feststanden.
Am Ende lag es nur bedingt am sympathischen Geschwisterpaar aus Wien, dass Deutschland mit dem 15. Platz beim ESC in Basel die hohen Erwartungen enttäuschte. Ihr Lied “Baller” kam bei den internationalen Fans und bei den Jurys solide an. Seit Michael Schulte im Jahr 2018 holte kein anderer ESC-Beitrag so viele Punkte.
Das deutsche Hauptproblem des diesjährigen Eurovision Song Contest hieß vielmehr Stefan Raab. Noch kurz vor dem Wettbewerb schürte er die Erwartungen auf den maximalen Erfolg: “Ich bin immer noch der festen Überzeugung, dass wir heute Abend gewinnen”, sagte der Entertainer kurz vor dem Wettbewerb.
In einem Interview mit dem Schweizer Radio und Fernsehen (SRF) hatte er am Mittwoch erklärt, würde er nicht damit rechnen, zu gewinnen, wäre er gar nicht angetreten. “Das ist wie, wenn die Fußball-Nationalmannschaft sagt: ‘Wir fahren nicht zur WM. Wir könnten in der Vorrunde ausscheiden’.” Der Vergleich hinkt, denn beim ESC gibt es deutlich mehr Faktoren, die für einen Sieg ausschlaggebend sind als bei einem Fußballspiel. Es geht dabei nicht nur um die Stärke der Interpreten. Das Votum des Publikums in ganz Europa ist mitentscheidend – und das fällt oft sehr anders aus als das der Fachjurys.
Zuvor könnte Raab sogar dem Ansehen der deutschen Delegation in Basel geschadet haben, als er den Auftritt einer lokalen Band mit einer Blaskapelle störte, um Werbung für Deutschland zu machen. In den sozialen Medien kam diese Aktion jedenfalls nicht gut an.
Als Lichtblick an der Raab’schen Misere beim diesjährigen Eurovision Song Contest bleibt der Blick nach vorn. Weil der Österreicher JJ den Wettbewerb nach Österreich holte, wird er aller Voraussicht nach im Jahr 2026 nach Wien gehen. Doch dann wird Raab vermutlich keine Rolle mehr im deutschen ESC-Vorentscheid spielen. Eine weitere Zusammenarbeit mit ihm hatte die ARD von einem Erfolg in diesem Jahr abhängig gemacht. Ein 15. Platz, daran gibt es keinen Zweifel, ist das Gegenteil.
Zumal die ESC-Organisation nach vielen Jahren, in denen der Norddeutsche Rundfunk verantwortlich war, an den Südwestrundfunk (SWR) übergeht. Das ist eine echte Chance für einen Neuanfang – ohne Stefan Raab. Dann bekommen deutsche Eurovision-Fans hoffentlich wieder häufiger die magischen Worte zu hören: “12 points for Germany – 12 Punkte für Deutschland”.
Wie gefiel Ihnen dieser ESC? Schreiben Sie eine E-Mail an [email protected]. Bitte nutzen Sie den Betreff “ESC” und begründen Sie.