Was die Wahlen für Europa bedeuten

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Das gibt es nicht oft: In gleich drei EU-Staaten wird an diesem Sonntag gewählt. Auch in Berlin und Brüssel wird das genau verfolgt.

Polen: Tusk will seine Fesseln sprengen

In Polen ist an diesem Sonntag wieder einmal Schicksalswahltag. Die Abstimmung über einen Nachfolger für Präsident Andrzej Duda, der nach zwei Amtszeiten nicht mehr antreten darf, ist entscheidend für den künftigen Spielraum der Regierung von Ministerpräsident Donald Tusk. Seit er mit seiner liberal-konservativen Bürgerkoalition Ende 2023 die Macht in Warschau zurückerlangte, hat sich das Verhältnis Polens zu Europa deutlich entspannt. In den acht Jahren davor hatte die nationalistisch-konservative Partei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) einen autoritär-isolationistischen, konfrontativen Stil verfolgt. Als sie auch die Unabhängigkeit der Justiz angriff, verklagte die EU-Kommission Polen und sperrte 137 Milliarden Euro Fördermittel.

Ein klarer Pro-Europa-Kurs: Rafał Trzaskowski will dafür sorgen, dass Tusk nicht mehr ständig gegen eine Wand stößt.
Ein klarer Pro-Europa-Kurs: Rafał Trzaskowski will dafür sorgen, dass Tusk nicht mehr ständig gegen eine Wand stößt.Reuters

Stichwahl in Rumänien: Simion versucht, seine radikalen Ursprünge zu verwischen

In den vergangenen Wochen, insbesondere nach seinem Sieg in der ersten Wahlrunde Anfang Mai, versuchte der Politiker sich allerdings einen maßvolleren Anstrich zu geben. Wie Sauerbier boten seine Weggefährten westlichen Medien Interviews mit ihrem Idol an, und wenn er die Chance bekam, versuchte der selbst ernannte „Souveränist“ in solchen Gesprächen, seine radikalen Ursprünge zu verwischen oder seine Koketterie mit Protagonisten aus der Zeit des rumänischen Faschismus in Abrede zu stellen. Simion nennt Donald Trump als sein großes Vorbild. Er ist strikt gegen weitere Waffenlieferungen für die Ukraine, aber nicht gegen eine Wiedereinführung der Monarchie in Rumänien.

In den Städten ist Dan populär: Seine Anhänger versammelten sich am 11. Mai in Bukarest.
In den Städten ist Dan populär: Seine Anhänger versammelten sich am 11. Mai in Bukarest.dpa

Sein Gegenkandidat Nicușor Dan, der 2020 zum Bürgermeister von Bukarest gewählt und 2024 mit klarer Mehrheit im Amt bestätigt wurde, will anders als Simion weder Nachbarstaaten annektieren noch Experimente mit der Staatsform wagen oder die rumänischen Ableger ausländischer Investoren verstaatlichen. Dan gilt als wertkonservativer Liberaler. Er nennt seinen Gegenkandidaten einen „Isolationisten“.

Dan machte sich als Aktivist gegen Korruption im Bukarester Bauwesen einen Namen und gewann so landesweit an Ansehen. Allerdings erhielt er in der ersten Wahlrunde nur etwa 21 Prozent und lag damit 20 Prozentpunkte hinter Simion. Aufholen kann er den Rückstand nur durch eine gewaltige Mobilisierungskampagne im Inland, da die Diaspora mehrheitlich Simion unterstützt.

Der starke Rückhalt für Simion hat nicht zuletzt mit der Wut vieler Wähler über die dubiose Annullierung der Präsidentenwahl im vergangenen Jahr zu tun. Deren erste Runde hatte der pro-russische Verschwörungstheoretiker Călin Georgescu gewonnen. Georgescu wurde von einer neuerlichen Kandidatur ausgeschlossen, nachdem ihm Falschangaben zu seiner Wahlkampffinanzierung nachgewiesen worden waren und im Umfeld seiner Unterstützer Waffenlager entdeckt wurden. Simion hat das Protestpotential der Stimmen für Georgescu geerbt.

Rumänien ist zwar keine Präsidialrepublik, doch das Staatsoberhaupt hat erhebliche Befugnisse und vertritt das Land bei Gipfeln der NATO sowie der EU. Auch kann der Präsident vorgezogene Neuwahlen zum Parlament einleiten. Besonders im Fall eines Wahlsiegs von Simion gilt eine solche Entwicklung als möglich oder sogar wahrscheinlich. Rumäniens Präsident schlägt den Regierungschef vor und ernennt ihn nach Bestätigung durch das Parlament. Lehnt das Parlament auch den dritten Vorschlag des Präsidenten ab, wird es aufgelöst und es kommt zu Neuwahlen. Simion hat versprochen, den pro-russischen Radikalen Georgescu zum Regierungschef zu ernennen. Der hat nach jetzigem Stand keine Aussicht, vom Parlament die nötige Mehrheit zu erhalten. Dies könnte den Weg zu Neuwahlen ebnen, bei denen Simions nationalistische „Allianz für die Vereinigung der Rumänen“ Aussichten hätte, stärkste Kraft zu werden.

Portugal: Migrationspolitisch im neuen Mainstream

In Portugal ist es die dritte vorgezogene Parlamentswahl in gut drei Jahren. Nach weniger als einem Jahr im Amt war der konservative Ministerpräsident Luís Montenegro bei einer Vertrauensabstimmung gescheitert. Dem Chef der Minderheitsregierung werden Interessenkonflikte wegen einer Beratungsfirma vorgeworfen, die er als Anwalt gegründet hatte, bevor er in die Politik ging. Laut Umfragen könnte Montenegros AD-Bündnis den bisher knappen Vorsprung gegenüber den Sozialisten (PS) noch leicht ausbauen. Drittstärkste Kraft wird voraussichtlich wieder die rechtspopulistische Chega-Partei, die erst wenige Jahre alt ist. Wenn das alles so kommt, werden sich also auch in der Europäischen Union keine neuen Mehrheitsverhältnisse durch die Neuwahl ergeben.

Sein Korruptionsskandal scheint kaum einen zu stören: Ministerpräsident Luis Montenegro (hier am 16. Mai in Lissabon) hat gute Aussichten, weiterregieren zu können.
Sein Korruptionsskandal scheint kaum einen zu stören: Ministerpräsident Luis Montenegro (hier am 16. Mai in Lissabon) hat gute Aussichten, weiterregieren zu können.EPA

Das gilt wohl auch für die Frage, ob die Rechtspopulisten in Europa salonfähiger werden. Obwohl Montenegro nur mit Chega zusammen eine tragfähige absolute Mehrheit hätte, schließt er eine Koalition oder eine Tolerierung durch die Rechtspopulisten weiterhin aus. Einige Umfragen sahen auch eine kleine Chance für eine knappe Mehrheit mit der rechtsliberalen IL-Partei.

Bis 2022 hatten in Portugal die Sozialisten unter der Führung des heutigen EU-Ratspräsidenten António Costa regiert, die über eine Korruptionsaffäre gestürzt waren. Sie konnten sich aber in der Opposition bisher nicht regenerieren. Die Portugiesen zeigten sich in den vergangenen Wochen eher wahlmüde. Im Wahlkampf ging es um die große Wohnungsnot, die Krise der Gesundheitsversorgung und Migration. Die geschäftsführende Regierung hat Tausende Migranten aufgefordert, das Land zu verlassen und schlägt damit nun einen Ton an, der anderswo in Europa schon länger vorherrscht.

Aus europäischer Sicht wird interessant sein, ob die rechtspopulistische Chega-Partei weiter zulegt und die rechte Mitte noch stärker unter Druck setzt, ohne der Regierung anzugehören. Bei der Europawahl hatte Chega zuletzt schlechter abgeschnitten als erwartet.