Die Polen müssen aller Voraussicht nach in einer Stichwahl am 1. Juni über einen neuen Präsidenten entscheiden. Erste Prognosen sahen den liberalkonservativen Kandidaten Rafal Trzaskowski aus dem Regierungslager von Donald Tusk bei 30,8 Prozent der Stimmen, Karol Nawrocki von der nationalkonservativen PiS erhielt demnach 29,1 Prozent.
Vor Anhängern gab sich Trzaskowski am Sonntagabend kämpferisch und richtete den Blick auf die bevorstehende Stichwahl. „Dieses Ergebnis zeigt, wie stark und entschlossen wir sein müssen, um die Präsidentschaftswahlen zu gewinnen. Das war von Anfang an klar“, so der Liberalkonservative mit Blick auf den geringen Abstand. Auch Nawrocki richtete den Blick am Abend nach vorne: „Wir werden diese Wahl gewinnen, wir sind dazu bereit, wir sind entschlossen, und am Ende wird es ein gemeinsamer Sieg sein, ein Sieg für Polen.“
Der bisherige Präsident Andrzej Duda darf nach zwei Amtszeiten nicht noch einmal antreten. Wer ihm nachfolgt ist entscheidend für den künftigen Spielraum der Regierung von Ministerpräsident Donald Tusk. Seit er mit seiner liberal-konservativen Bürgerkoalition Ende 2023 die Macht in Warschau zurückerlangte, hat sich das Verhältnis Polens zu Europa deutlich entspannt. In den acht Jahren davor hatte die nationalistisch-konservative Partei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) einen autoritär-isolationistischen, konfrontativen Stil verfolgt. Als sie auch die Unabhängigkeit der Justiz angriff, verklagte die EU-Kommission Polen und sperrte 137 Milliarden Euro Fördermittel.
Mit Duda als Präsident hatte die Pis allerdings weiterhin eine wichtige Position besetzt. Der Präsident hatte es Tusks Regierung so schwer wie möglich gemacht. Gesetze, welche die Regierungskoalition im Sejm, dem polnischen Parlament, beschlossen hat, unterschreibt er in der Regel nicht oder leitet sie „zur Prüfung“ an das Verfassungsgericht weiter, das nach wie vor mit PiS-Gewährsleuten besetzt und somit nicht unabhängig ist.