In Portugal setzen die Rechtspopulisten ihren Aufstieg fort. Bei der vorgezogenen Parlamentswahl lieferte sich Chega ein Kopf-an-Kopf-Rennen um den zweiten Platz mit der sozialistischen Partei (PS), die bis 2023 mit absoluter Mehrheit regierte. Die rechtspopulistische Chega-Partei und die PS erhalten nach dem vorläufigen Ergebnis jeweils 58 Mandate; bei der Prozentzahl hat die PS einen Vorsprung von knapp 0,8 Prozent. Schon in der Wahl 2024 hatte Chega mit 18 Prozent die Zahl ihrer Mandate mehr als vervierfacht. „Wir haben das Zweiparteiensystem in Portugal getötet“, triumphierte in der Wahlnacht der Chega-Vorsitzende André Ventura. Bisher hatten sich die bürgerliche PSD, deren Chef Luís Montenegro ist, und die PS an der Regierung abgelöst.
Der amtierende Ministerpräsident Montenegro hat bereits angekündigt, dass er weiterhin nicht mit den Rechtspopulisten koalieren will. Er möchte seine rechte Minderheitsregierung fortsetzen. Das von ihm geführte konservative Bündnis „Demokratische Allianz“ (AD) profitierte ebenfalls vom Rechtsruck und legte im Vergleich zur vorgezogenen Wahl im März 2024 um rund 4 Prozent auf gut 32 Prozent zu, ohne jedoch eine absolute Mehrheit zu erhalten.
Dritte Wahl seit 2022
Viele portugiesische Wähler ließen sich offenbar nicht von Vorwürfen gegen Montenegro beirren, die zum frühen Sturz seiner Regierung und zur dritten Parlamentswahl seit 2022 geführt hatten. Nach weniger als einem Jahr im Amt hatte Montenegro im März die von ihm gestellte Vertrauensfrage verloren. Ihm werden Interessenskonflikte wegen einer Beratungsfirma vorgehalten, die er noch als Anwalt gegründet hatte und die heute Familienangehörige führen. In Umfragen hatte sich jedoch schon gezeigt, dass dieses Thema für viele Portugiesen weniger wahlentscheidend war als die große Wohnungsnot, die Krise des Gesundheitswesens und die zunehmende Migration.
Die Wahlbeteiligung war – ähnlich wie 2024 – mit rund 64 Prozent für portugiesische Verhältnisse hoch. „Davon profitierten schon im vergangenen Jahr die Rechtspopulisten, die Nichtwähler mobilisieren konnten“, sagt der portugiesische Politikwissenschaftler David Pimenta. Trotz mehrerer Skandale in den eigenen Reihen habe die erst 2019 gegründete Chega-Partei offenbar besonders unter jungen Männern viele Stimmen gewonnen – und nach ersten Analysen auch von früheren Wählern linker Parteien, sagt Pimenta, der an der Universität Lissabon über rechtsextreme Parteien in Portugal und Spanien forscht: „Anders als Chega, die rechtsliberale IL und in einem gewissem Maß auch die AD haben die Sozialisten vor allem ältere Wähler.“
Sozialisten bauen ab
2022 hatte die PS noch die absolute Mehrheit gewonnen. Ende 2023 trat die Regierung des heutigen EU-Ratspräsidenten António Costa nach Korruptionsvorwürfen zurück. 2024 erzielte dann die PS eines ihrer schlechtesten Wahlergebnisse, jetzt schnitt sie noch schlechter ab und könnte bis zu 20 Mandate verlieren. Montenegros Wahlbündnis AD überholte die Sozialisten vor einem Jahr nur mit einem Vorsprung von 54.000 Stimmen.
Jetzt geht Montenegros konservatives Bündnis mit 89 Abgeordneten gestärkt aus der Wahl hervor. Aber nur mit Chega würde er über die absolute Mehrheit verfügen und sie sogar noch übertreffen. Doch eine Koalition oder eine Tolerierung schließt Montenegro aus. Die rechtsliberale IL erhöhte die Zahl ihrer Mandate auf neun, konnte aber Montenegro zu keiner Mehrheit verhelfen.
Noch sind die Auslandswahlkreise nicht ausgezählt. Aber schon jetzt ist klar, dass Portugal immer weiter nach rechts rückt. Schon im aufgelösten Parlament gehörten mehr als 60 Prozent der Abgeordneten rechten Parteien an. Ihre Zahl ist nun weiter gewachsen. Die Linke, die zwischen 2015 und 2023 die portugiesische Politik dominierte, verliert immer mehr an Unterstützung. Die Kommunisten, die einst zu den größten Parteien zählten, sind mit voraussichtlich nur noch drei Abgeordneten nur noch ein Schatten ihrer selbst, der Linksblock (BE) hat nur noch ein Mandat. Nur die kleine Linkspartei Livre wurde stärker. Zum ersten Mal schaffte es die Regionalpartei JPP aus Madeira ins nationale Parlament.
In Portugal ist bei der Regierungsbildung keine Vertrauensabstimmung vorgeschrieben. Spätestens im Herbst steht jedoch die Verabschiedung des neuen Haushalts an. 2023 hatte die PS Montenegro noch dabei geholfen, diese Hürde zu nehmen. Nach einem Scheitern des Budgets gab es in Portugal in den vergangenen Jahren immer Neuwahlen.