Nicușor Dan kann nicht nur rechnen, sondern auch berechnend sein. Als der Mathematiker und Antikorruptionsaktivist vor einem Jahrzehnt eine Partei gründete, war nicht ausgemacht, dass er Erfolg haben würde. Akademiker sind schon oft gescheitert in den Schlammschlachten rumänischer Innenpolitik. Aus hartem Holz muss geschnitzt sein, wer sich hier behaupten will.
Dan ist aus solchem Holz. Geboren 1969 in der Kleinstadt Făgăraș in Siebenbürgen, kam er Ende der Achtzigerjahre zum Studium der Mathematik nach Bukarest. Die Stadt lag damals in den letzten, besonders dunklen Jahren der Ceaușescu-Diktatur. Bald nach dem Sturz Ceaușescus 1989 ging Dan zur Fortsetzung seines Studiums nach Paris, wo er seinen Doktortitel erwarb. Er kehrte nach Rumänien zurück und erlebte nach Jahren in der Hauptstadt Frankreichs die üblen politischen Zustände in seiner Heimat.
Nicht nur tüftelnder Professor
Entrüstet über die offene Korruption vor allem im Bauwesen, in dem gegen Schmiergeld Parks zugebaut und historische Häuser abgerissen wurden, gründete Dan „Rettet Bukarest“. Aus dem Verband wurde einige Jahre später die Partei „Union rettet Bukarest“. Dan kandidierte als Bürgermeister und wurde nach zwei erfolglosen Versuchen im Jahr 2020 auch gewählt. Rasch zeigte sich, dass er nicht nur ein tüftelnder Professor, sondern auch ein ebenso zupackender wie machtbewusster Politiker ist.
Aus der „Union rettet Bukarest“ wurde 2016 die „Union rettet Rumänien“, deren Gründer auch ihr erster Vorsitzender war. Dan zog sich aber schon 2017 zurück, nachdem er in einem Richtungsstreit der eigenen Basis unterlegen war. Es ging um die Frage, wie sich die Partei zu einer Initiative verhalten solle, die danach strebte, die Ehe in der Verfassung als Bund ausschließlich zwischen Mann und Frau definieren zu lassen.
Die liberale Basis von Dans Partei entschied, sich gegen diese konservative Haltung zu positionieren. Dan hingegen warb dafür, dass sich die Partei in dieser Frage neutral verhalten solle. Er wollte, dass seine Partei sich breiter aufstellt, sich konservativeren Schichten und der Landbevölkerung öffnet, um nicht auf die Zentren der Großstädte beschränkt zu bleiben. Da er sich nicht durchsetzen konnte, legte er den Parteivorsitz nieder. Seine klare Wiederwahl als Bürgermeister 2024 gelang ihm als unabhängigem Kandidaten, der jedoch von seiner alten Partei unterstützt wurde.
Dan fordert nicht nur den Kampf gegen die Selbstbedienungsmentalität in der rumänischen Politik, er lebt ihn auch vor. Mit seiner Partnerin und zwei Kindern lebt er in einer Dreizimmerwohnung in einem bescheidenen Viertel der Stadt, von der aus er künftig als Präsident die Geschicke Rumäniens mitbestimmen wird.