NRW novelliert sein Verfassungsschutzgesetz

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Die Arbeit des Verfassungsschutzes in Nordrhein-Westfalen soll auf eine umfassend überarbeitete gesetzliche Grundlage gestellt werden. „Bewährtes bleibt, doch wo die Realität uns fordert, müssen wir unseren Nachrichtendienst mit mehr Befugnissen ausstatten“, sagte Innenminister Herbert Reul (CDU) am Montag bei der Vorstellung der Novelle des Gesetzes, das in der Grundkonzeption aus dem Jahr 1994 stammt.

Es gelte auf die neue Weltlage mit ihren vielfältigen Bedrohungen, Krisen und Kriegen zu reagieren. Auch bei Cyberattacken, Spionage und Sabotage handle es sich nicht mehr um Einzelfälle, sagte Reul. Zudem gelte es, Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts umzusetzen. Die Novelle ist Teil des Sicherheitspakets, das die schwarz-grüne Landesregierung nach dem mutmaßlich dschihadistischen Terroranschlag von Solingen im vergangenen Spätsommer angekündigt hatte.

Zu den wichtigsten Neuerungen der Novelle zählt die Normierung einer speziellen, aus Sicht der Ermittler in der digitalen Welt unabdingbaren Telekommunikationsüberwachung (TKÜ), der Quellen-TKÜ. Sie ist nötig, um nicht mehr nur die immer unwichtigeren Kommunikationswege von mutmaßlichen Tätern wie Telefon, Briefe und Faxnachrichten, sondern auch Dienste wie Telegram überwachen zu können. „Terroristen und Extremisten telefonieren nicht, sie kommunizieren über verschlüsselte Messenger. Da sind wir bisher blind“, sagte Reul.

Mithilfe einer heimlich auf Smartphones oder andere Endgeräte aufgespielten Überwachungssoftware können Nachrichten noch vor der Verschlüsselung mitgelesen werden. Durch die Regelung bekommt der nordrhein-westfälische Verfassungsschutz dieselben Befugnisse, wie sie das Bundesamt für Verfassungsschutz bereits seit 2021 hat.

Pionier bei KI-Regelung

Neu ist auch die Befugnis zur Funkzellenabfrage. Dabei werden alle Verkehrsdaten erhoben, die innerhalb eines definierten Tatzeitraums über einen oder mehrere Mobilfunkmasten abgewickelt worden sind. Ebenfalls nach dem Vorbild des Bundesverfassungsschutzgesetzes soll der Kampf gegen Extremisten, Terroristen und Agenten fremder Mächte mit der neuen Kontostammdatenabfrage Finanzermittlungen erleichtert werden. Die „Befugnis zur Abfrage bei Verkehrsunternehmen“ soll es wiederum ermöglichen, mithilfe von Flug- oder Fernbusbuchungen Reisewege einfacher nachzuverfolgen.

Zu den Pionieren zählt NRW bei der Regelung des Einsatzes von Künstlicher Intelligenz (KI). Das werde dem Verfassungsschutz unter anderem dabei helfen, Trends in sozialen Medien zu erkennen, sagte Reul. „Im Internet geschieht so viel an Radikalisierung, das kann kein Mensch allein mehr im Blick haben.“ Dem Verfassungsschutz wird es aber verboten sein, „selbst weiterlernende Systeme“ einzusetzen. KI darf nur unter menschlicher Kontrolle trainiert werden. Zudem darf KI zwar zur Filterung, Sortierung und Priorisierung von Daten verwendet werden, deren Analyse muss dann aber stets durch menschliche Bearbeiter stattfinden.

Wo es mehr Befugnisse gebe, müsse es auch gute Kontrolle geben, sagte Reul. Dem trage das Gesetz ebenfalls Rechnung. Bislang prüft die G-10-Kommission in NRW nur TKÜ-Maßnahmen des Verfassungsschutzes. Nach der Novellierung muss – ähnlich wie bisher bei polizeilichen Maßnahmen – ein Einzelrichter unter anderem V-Mann-Einsätze oder Wohnraumüberwachungen genehmigen. Der Gesetzentwurf soll vor der Sommerpause in den Landtag eingebracht werden und 2026 Kraft treten.