Heute sind deutlich mehr Frauen berufstätig als vor zwei Jahrzehnten. Das hat offenbar auch mit einem gesellschaftlichen Wandel zu tun, denn der Zuwachs lässt sich nicht allein mit der seither insgesamt verbesserten Beschäftigungslage erklären – er geht deutlich darüber hinaus. Allerdings ist dabei nicht allein die Zahl der vollzeiterwerbstätigen Frauen gestiegen. Noch stärker hat sich in diesem Zuge die Zahl der Frauen in einer Teilzeiterwerbstätigkeit erhöht. Das zeigen neue Ergebnisse des Mikrozensus, einer großen Bevölkerungsbefragung, die das Statistische Bundesamt am Montag veröffentlicht hat.
Demnach gingen hierzulande im vergangenen Jahr 74 Prozent der Frauen im Alter von 15 bis 64 Jahren einer Erwerbstätigkeit nach. In Jahr 2005 waren es nur 59 Prozent gewesen. Allerdings hat sich innerhalb der nun größeren Gruppe der erwerbstätigen Frauen zugleich der Anteil der Teilzeitbeschäftigten erhöht, und zwar von 43 auf 49 Prozent. Die Erwerbstätigenquote von Männern ist derweil von 71 auf 81 Prozent gestiegen. Der Anteil der teilzeiterwerbstätigen Männer erhöhte sich von sieben auf zwölf Prozent.
Eine politische Debatte über diese Entwicklungen hatte schon am Wochenende begonnen. Sie nahm aber weniger den Anstieg der Erwerbstätigkeit in den Blick als die weniger willkommenen Aspekte. „Die Arbeitgeber müssen die Arbeitswelt so gestalten, dass mehr Mütter in Vollzeit arbeiten können“, verlangte Arbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) und begründete dies in der Zeitung „Bild am Sonntag“ damit, dass Frauen „unfreiwillig in der Teilzeitfalle“ säßen. Auch fehlende Kinderbetreuung sei ein Problem. Ähnlich äußerte sich der neue SPD-Generalsekretär Tim Klüssendorf in der ARD.
90 Prozent der Väter mit kleinen Kindern sind erwerbstätig
Die Erhebung verdeutlicht, dass sich das Arbeitszeitgefälle zwischen Männern und Frauen verschärft, wenn kleine Kinder im Haushalt leben. Unter den Müttern mit Kindern unter drei Jahren sind heute 40 Prozent berufstätig. Das ist zwar ein starker Zuwachs seit 2005, als nur 28 Prozent dieser Mütter arbeiteten. Der Unterschied zu den Vätern ist aber noch immer groß. In ihrer Gruppe sind etwa 90 Prozent erwerbstätig. Das ist etwas mehr als von zwanzig Jahren. Es dürfte wesentlich durch die heute geringere Arbeitslosigkeit zu erklären sein.
Einen großen Einfluss haben kleine Kinder in der Familie aber auch dort, wo Mütter zwar ihre Erwerbstätigkeit nicht aufgeben, aber ihr berufliches Pensum anpassen. Während insgesamt 49 Prozent der erwerbstätigen Frauen Teilzeit arbeiten, ist diese Quote unter den erwerbstätigen Müttern mit kleinen Kindern noch einmal deutlich höher. Betrachtet man nur jene Gruppe der 40 Prozent, die überhaupt berufstätig sind, dann beträgt die Teilzeitquote dort 73 Prozent. Unter den vielen erwerbstätigen Vätern von Kleinkindern beschränkten sich indes nur neun Prozent auf Teilzeitarbeit; verglichen mit fünf Prozent vor zwanzig Jahren.
VdK fordert Abschaffung des Ehegattensplittings
Die Erhebung zeigt, dass familiäre Umstände einen starken Einfluss auf das Erwerbsverhalten von Frauen haben. Allerdings bleibt offen, inwieweit die Möglichkeit von Teilzeitarbeit zugleich dazu beiträgt, dass sich Mütter gegen einen vollständigen Rückzug aus dem Erwerbsleben entscheiden. Zumindest in Teilen könnte die insgesamt gestiegene Frauenerwerbsquote auch damit zu tun haben. Die politisch kritisierte „Teilzeitfalle“ besteht indes dort, wo Menschen eigentlich mehr arbeiten wollen, dies aber mangels passender Stellenangebote oder wegen widriger Umstände nicht realisieren können.
Der Sozialverband VdK bekräftigte am Montag auch seine Forderung nach Abschaffung des Ehegattensplittings bei der Einkommensteuer „zugunsten eines Besteuerungsmodells für Familien, das keine negativen Erwerbsanreize für Frauen setzt“. Im Koalitionsvertrag haben Union und SPD dazu allerdings keine Änderung vereinbart. Ein Vorhaben aus dem Vertrag, das unfreiwilliger Teilzeitarbeit entgegenwirken könnte, blieb indes zunächst unerwähnt: Es ist geplant, die Hinzuverdienstregeln im Bürgergeld zu „reformieren“ und die sogenannten Transferentzugsraten unterschiedlicher Leistungssysteme „besser aufeinander abzustimmen“.
Es lohnt sich oft kaum, von Teil- auf Vollzeitarbeit umzusteigen
Bisher trägt der Sozialstaat selbst dazu bei, dass es sich für erwerbstätige Bezieher von Bürgergeld, Wohngeld oder Kinderzuschlag finanziell kaum lohnt, von Teil- auf Vollzeitarbeit umzusteigen. Zum Beispiel ist es im Bürgergeld so, dass zusätzlich erzielter Arbeitslohn voll mit der staatlichen Leistung verrechnet wird, sobald 1200 Euro im Monat überschritten sind (für Bezieher mit Kindern sind es 1500 Euro). Diese Grenze wurde seit 2005 nicht geändert, real hat sie sich seither wegen der Inflation halbiert.
Hinweise auf Folgen liefert die Statistik der Bundesagentur für Arbeit. Sie weist aus, dass insgesamt 780.000 Menschen Bürgergeld beziehen, die auch arbeiten, aber davon allein ihren Lebensunterhalt nicht bestreiten können. Unter diesen Aufstockern haben 253.000 Personen eine Teilzeitarbeit und 280.000 nur einen Minijob; die Teilzeitquote der Aufstocker beträgt damit mehr als zwei Drittel.
Ihnen werden mindestens 70 Prozent des zusätzlich erzielten Arbeitslohns vom Bürgergeld abgezogen, falls sie von einem Minijob auf eine Teilzeitstelle umsteigen. Und wer ausgehend von einer 1200-Euro-Teilzeitstelle mehr Stunden arbeitet, hat so lange Abzüge von 100 Prozent, bis er ganz aus dem Bürgergeld „herausgeklettert“ ist. Erst danach sinken die Abzüge auf das niedrigere Niveau, das durch Sozialbeiträge, Einkommensteuer und gegebenenfalls das Ehegattensplitting verursacht wird.