Wirtschaftsweise Malmendier: „Trump hat einen Hundertjahresplan“

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Donald Trump greift massiv in die Wissenschaftsfreiheit ein und kürzt auch der University of Berkeley, an der Sie forschen, Millionen Dollar. Wann kommen Sie zurück nach Deutschland?

Im Moment ist das nicht geplant. Wir müssen uns in Deutschland schon klarmachen, dass die USA es geschafft haben, in vielen Forschungsgebieten die absolute Vorherrschaft zu erringen und so für Forscher weltweiter Anziehungspunkt zu sein – so wie es Deutschland bis zu den Dreißigerjahren war.

Sie selbst haben aber dafür geworben, jetzt Spitzenforscher aus Amerika abzuwerben.

Ja, aber damit das klappt, braucht es einen echten Kraftakt. Die Spitzenforscher sind vor allem deshalb in Amerika, weil an den Top-Universitäten andere gute Forscher sind, mit denen sie ihre Ideen austauschen können. Das muss man in Deutschland neu kreieren. Es bringt nichts, einzelne Forscher abzuwerben, man müsste sich auf Forschungsgebiete fokussieren und ganze Gruppen holen. Solche Bemühungen sehe ich bislang nicht.

Trumps Kampf gegen Forschung, die ihm nicht passt, richtet bislang also kaum Schaden für Amerika an?

Doch, man hört von Fällen, in denen Forscher aus dem Ausland wegen der politischen Lage nicht nach Amerika wechseln wollen. Und für die PhD-Studenten, für die es bislang das Nonplusultra war, in Amerika Karriere zu machen, ist es nicht mehr selbstverständlich, hier zu bleiben. In San Francisco ist es allerdings auch so, dass die Leute spüren, dass im Bereich der Artificial General Intelligence, also auf Deutsch der Künstlichen Allgemeinen Intelligenz, der nächste Durchbruch bevorsteht und zwar im Silicon Valley – und das wollen sie nicht verpassen.

In Amerika droht die Rezession, die Börsen haben sehr nervös auf Trumps Zollpolitik reagiert. Kann das Trump von seinem wirtschaftlichen Konfrontationskurs abbringen?

Trump wird ja oft vorgeworfen, dass er sich von der Börse leiten lässt. Ich finde den Blick auf die Börse sehr gut, da bin ich mir ausnahmsweise mit ihm einig. Die Börse zeigt uns, welche künftigen Erträge zu erwarten sind, wenn Ankündigungen in die Tat umgesetzt würden. Und wenn das Ergebnis wie bei Trumps Zollankündigungen furchtbar aussieht, muss man reagieren. Wir haben es zu großen Teilen der Börse zu verdanken, dass Trump die Zölle erstmal abgeschwächt hat.

Ja, allerdings gibt es andererseits in der Trump-Administration schon eine langfristige Idee von einem autarkeren Amerika. Trump hat einen Hundertjahresplan dafür, Amerika weniger abhängig von anderen Ländern zu machen. Oder zumindest für eine Globalisierung mit anderen Regeln. Das ist jetzt anders als in Trumps erster Amtszeit.

Die Ratingagentur Moody´s hat Amerika gerade herabgestuft. Sehen Sie die Stabilität der amerikanischen Staatsfinanzen in Gefahr?

Ja, die sehe ich in Gefahr und zwar auch unabhängig von Trump. Wir rasen seit längerer Zeit auf das Unglück der überbordenden Staatsschulden in Amerika zu. Ich würde Trump fast zugutehalten, dass er dieses Thema jetzt angeht. Er sieht, dass die enormen Zinsausgaben den Staatshaushalt stark belasten und er versucht Schritte zu unternehmen, das einzudämmen, indem er sparen will. Leider hält er es auch für richtig, den Zentralbankchef einzuschüchtern, damit der die Zinsen senkt. Ich bin froh, dass ihm das bislang nicht gelingt.

Fürchten Sie eine neue Finanz- oder Staatsschuldenkrise?

Dass die Überschuldung der USA zu einer Finanzkrise á la 2008/2009 führt, glaube ich nicht. Ich sehe eher eine langsame Abwendung der Investoren von amerikanischen Staatsanleihen. Das tut uns in Deutschland gut, weil dann mehr Geld nach Deutschland fließt und unsere Zinsausgaben sinken könnten.

In Deutschland keimt konjunkturell etwas Hoffnung, die neue Bundesregierung will im Sommer Entlastungen auf den Weg bringen. Ist das tiefe Tal durchschritten?

Sicherlich gibt es Hoffnung, dass es, wenn auch nicht dieses, dann im kommenden Jahr wieder bergauf gehen wird. Daran hat sich trotz der schlechten Nachrichten aus Amerika nichts geändert. Es wird aber vieles davon abhängen, wie sich die Weltwirtschaft und die geopolitische Lage entwickeln werden. Es gibt durchaus das Szenario, dass Trump uns in eine globale Rezession reinreißen wird, der wir uns nicht so schnell werden entziehen können.

Die Schuldenbremse wurde für Verteidigungsausgaben geöffnet, die neue Bundesregierung hat ein 500-Milliarden-Infrastrukturpaket auf den Weg gebracht. Ist das die Weichenstellung, die Deutschland gebraucht hat?

Ich bin nach wie vor Fan der Schuldenbremse – auch wenn sie reformiert werden muss. Man sieht in Amerika und vielen anderen Ländern, wie Politiker die Verschuldung immer weiter hochtreiben. Politökonomisch ist das verständlich, weil sich immer ein Grund findet, warum ausge­rechnet dieses Jahr doch noch ein bisschen mehr Geld ausgegeben werden muss. Darum hätte ich mir gewünscht, dass die Regierung in Deutschland dem Reformvorschlag des Sachverständigenrates stärker gefolgt wäre.

Unsere Idee war vor allem, dass man sich nur dann mehr verschulden darf, wenn der Schuldenstand niedrig ist, dann aber auch wieder sparen muss.

Auch die Bundesländer dürfen sich jetzt verschulden, richtig so?

Ja, absolut. Man hätte sie aber im Gegenzug zu der Zusage bringen sollen, mehr in Bildung zu investieren. Ich hätte mir sehr eine Mindestquote von Ausgaben pro Schüler gewünscht. Denn an den Schulgebäuden und Lehrergehältern wird im Zweifelsfall zuerst gespart.

Und das Infrastrukturpaket?

Deutschland muss bei den Infrastrukturinvestitionen nachholen. Die große Summe des Finanzpakets schafft auch die Möglichkeit langfristiger Aufträge und damit Planungssicherheit für Unternehmen, damit sie in den kommenden Jahren Leute einstellen und Maschinen anschaffen. Dann werden auch die Preise nicht so sehr steigen. Ich hätte den Fonds aber gerne noch länger verstetigt, zum Beispiel durch eine Maut-Finanzierung.

Ist sichergestellt, dass das Geld richtig ausgegeben wird?

Das ist mein größte Sorge. Mütterrente und Agrardiesel sind zum Beispiel konsumtive Ausgaben, die das Wachstum nicht langfristig stärken. Nur wenn das Geld wirklich investiv und nicht konsumtiv ausgegeben wird, geraten wir auch nicht in Konflikt mit den europäischen Fiskalregeln.

Wir sprechen hier beim Ostdeutschen Wirtschaftsforum. Hätte noch mehr Geld in den Osten fließen müssen, auch mit Blick auf den Erfolg der rechtsextremen AfD?

Ich würde es nicht an Ostdeutschland versus Westdeutschland festmachen, sondern an Regionen, die an strukturellen Umbrüchen leiden, im Westen zum Beispiel dem Ruhr- oder Saargebiet. Da, wo Industrien und Berufe weggefallen sind, muss man proaktiver reingehen und es für die betroffenen Menschen attraktiv machen, neue Qualifikationen zu erwerben und eine Zukunft in anderen Tätigkeiten zu sehen. Zweitens hätte die Regierung zukunftsorientierte Bereiche, allen voran die Bildung, auch im Koalitionsvertrag noch mehr betonen müssen. Ich habe aber die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass da am 25. Juni noch mehr kommt. Dann können wir uns wieder sprechen.

Bei den drängenden Themen Rente und Gesundheit setzt die Regierung erst einmal Kommissionen ein. Glauben Sie, dass die Regierung die Kraft für große Reformen wie die Hartz-Reformen unter Kanzler Schröder hat?

Mit solchen Kommissionen habe ich keine guten Erfahrungen gemacht, insbesondere wenn am Ende statt dreier Kernmaßnahmen 317 mögliche Maßnahmen rauskommen, die dann als Vorwand dienen, nichts zu machen. Allerdings habe ich zugleich die Hoffnung, dass der Generationenwechsel in den beiden Regierungsparteien dazu führt, dass bisherige rote Linien auch mal überschritten werden. Für manche jüngere Sozialdemokraten ist zum Beispiel die 48-Prozent-Haltelinie in der Rente nicht unantastbar. Und bei der Rente werden die Probleme auch immer drängender. Gewisse Hoffnung habe ich da also.

Der Vorschlag für die Öffnung der Schuldenbremse und den Infrastrukturfonds kam von einer Gruppe von Ökonomen um Jens Südekum und Clemens Fuest. Vom Sachverständigenrat, in dem Sie Mitglied sind, hat man in dieser heißen Phase nichts gehört.Wie ist das zu erklären?

Teilweise damit, dass wir nicht die Öffentlichkeit gesucht haben, sondern verlässliche Ansprechpartner für die Politik ohne die Medien sein wollten. Natürlich gibt es im Rat unterschiedliche Meinungen, das wird in der Presse ja hinreichend ausgetragen. Ich weiß aber nicht, ob das in dem Fall der heiße Punkt ist.

Zwischen Veronika Grimm und dem Rest des Rates scheint es ja kaum noch Einigkeit zu geben.

Wir hätten schon etwas gemeinsam hinbekommen. Aber wir konnten auch so Einfluss nehmen. Unter anderem hat es die sogenannte Frühstartrente, für die wir uns schon lange einsetzen, ja eins zu eins in den Koalitionsvertrag geschafft.

Ja, wer sechs Jahre alt wird, soll künftig bis zur Volljährigkeit jeden Monat zehn Euro vom Staat in ein Depot überwiesen bekommen und so lernen am Kapitalmarkt aktiv zu sein und aktiv für das Alter vorzusorgen.

Ja , wobei so aktiv soll es gar nicht sein. Es geht eher darum, dass es total langweilig und sicher ist, Geld in einem breit gestreuten Fonds anzulegen und dass es sich trotzdem lohnt, wenn ich es lange genug behalte. Dass es für das eigene Anlageverhalten einen großen Unterschied macht, eigene Erfahrung mit Anlageentscheidungen zu machen, ist eine zentrale Erkenntnis meiner Forschung. Es reicht nicht, über die Vorteile aufzuklären und die finanzielle Bildung zu erhöhen. Die ist eh gar nicht so schlecht in Deutschland.

Kritiker sehen das Instrument als einen weiteren Transfer aus Steuergeld, der wenig zielgenau ist.

Es ist ein Transfer, allerdings ist er ziemlich klein. Es geht in Summe um 1440 Euro je Kind und hoffentlich um ziemlich gute Erträge. Selbst wenn das System voll angelaufen ist, geht es um 1,3 Milliarden Euro im Jahr. Die Forschung spricht dafür, dass das viel bewirkt.

Was ist der größte Fehler, den die Politik dabei machen kann?

Das Anlageprodukt muss unbedingt ein global breit gestreuter Fonds mit niedrigen Gebühren sein. Es darf auf keinen Fall der Fehler der Riester-Rente wiederholt werden, nämlich, dass Anbieter ein bisschen mehr Sicherheit garantieren und dafür mehr Gebühren verlangen. Dann werden aus sechs Prozent Rendite schnell ein oder zwei Prozent.

Musste man Sie eigentlich auch zur Finanzanlage jenseits des Sparbuchs treiben?

Ja, obwohl ich Finanzprofessorin bin, habe ich erst damit angefangen, als man mir bei meinem ersten Job genau so eine kapitalgedeckte Altersvorsorge angeboten hat.