Vor sechs Monaten tauchte ein Mann im afghanischen Bergbauministerium auf, der sich als Abgesandter des Trump-Vertrauten Elon Musk ausgab. Ein Gerücht machte in Kabul die Runde: Amerika sei an Afghanistans Lithium interessiert. Im Ministerium winkt man auf Nachfrage ab. Der vermeintliche Musk-Vertreter, ein Mann aus dem Königreich Bahrain, sei ein Schwindler gewesen. Ein Brancheninsider berichtet, der Mann habe wochenlang im Serena-Hotel gewohnt, der edelsten Unterkunft in Kabul.
Die Vorstellung, dass der Chef des Elektrofahrzeugherstellers Tesla ausgerechnet mit den Taliban ins Geschäft kommen könnte, hält man im Bergbauministerium keineswegs für abwegig. „Offiziell gibt es zwar keine Kontakte zwischen dem Ministerium und Elon Musk“, sagt der Leiter der Abteilung für Investitionsförderung, Khalil Rahman Zhwand, im Gespräch mit der F.A.Z. „Aber sie brauchen vielleicht Lithium, und Afghanistan hat reiche Lithiumvorkommen.“
Den Taliban ist das Interesse von US-Präsident Donald Trumps an Bodenschätzen nicht entgangen. Zhwand betont, man sei bereit, mit allen Ländern zusammenzuarbeiten. „Auch mit Tesla.“ Der Investitionsförderer hat schon unter der Vorgängerregierung gearbeitet, als amerikanische Berater in dem Ministerium noch ein- und ausgingen. „Wir wollen, dass sie wiederkommen und mit uns zusammenarbeiten.“ Ein Deal mit dem früheren Kriegsgegner? Für die Taliban ist das kein Tabu.
Eigentlich wollte China investieren
Überhaupt scheint die Hoffnung der Taliban, China könnte ihr „wichtigster Partner“ werden, verblasst. Ein Unternehmer sagt abfällig: „Die Chinesen lassen sich gern mit dem roten Teppich empfangen, aber sie investieren nicht.“ Pekings Zurückhaltung lässt sich an der Kupfermine Mes Aynak ablesen, für die der Staatskonzern China Metallurgic Group schon 2008 die Schürfrechte erwarb. Bis heute ist dort nichts passiert. Bei einem Treffen mit Vertretern des Unternehmens machten die Taliban kürzlich keinen Hehl aus ihrer Ungeduld: MCC müsse „alle Probleme lösen, die für die Verzögerungen verantwortlich sind“. Unmut herrscht auch darüber, dass die Chinesen ihre eigenen Arbeiter mitbringen und nur wenige Afghanen einstellen.
Im Bergbauministerium werden jetzt Investoren aus anderen Ländern hervorgehoben: Indien, die Emirate, Russland, Usbekistan, Iran. Zhwand empfängt nach dem Gespräch mit der F.A.Z. eine Delegation aus Kasachstan. Kein Ministerium hat mehr internationale Kontakte. Die Bodenschätze sollen helfen, die international nicht anerkannte Regierung aus der Isolation zu holen.
„Als die Amerikaner sich 2021 aus Afghanistan zurückzogen, wurde angenommen, dass China die Lücke füllen würde“, sagt der Politikwissenschaftler Jalal Bazwan, der an der Zhejiang-Universität im chinesischen Hangzhou zu den chinesisch-afghanischen Beziehungen forscht. „Aber für China steht in Bezug auf Afghanistan noch immer die Sicherheits- und nicht die Wirtschaftspolitik im Vordergrund.“
Die Taliban vergeben viele Bergbaulizenzen
Um die afghanischen Bodenschätze im großen Stil zu heben, sind erhebliche Investitionen nötig. Es mangelt an Straßen, Schienen, Strom und Wasser. In Ländern wie Kongo und Bolivien könne China seinen Rohstoffbedarf leichter decken, sagt Bazwan. Hinzu kommen die Sanktionen, der fehlende Zugang zum internationalen Zahlungsverkehr und die mangelnde Rechtssicherheit. „Solange der Westen die Regierung nicht anerkennt, wird es keine Milliardeninvestitionen in Afghanistan geben“, meint er.
Das bedeutet nicht, dass die Taliban im Rohstoffsektor nicht erfolgreich wären. Seit ihrer Machtübernahme haben sie nach Angaben des Ministeriums rund 150 Verträge für kleine Minen und 30 für größere Vorhaben unterzeichnet. Das ist viel. Laut einer Analyse des Centre for Information Resilience vergaben die Islamisten 2022 viermal so viele Lizenzen wie die Vorgängerregierung 2020.
Investitionsförderer Zhwand begründet das damit, dass viele Ausschreibungen fertig in der Schublade lagen, als die Republikregierung zusammenbrach. Die Taliban hätten einfach die bestehenden Regeln übernommen. Ein Ingenieur, der bis vor Kurzem im Ministerium gearbeitet hat, vermutet noch einen anderen Grund: Die Lizenzen würden „ohne technische Erwägungen“ wie Umweltschutz und Wassermangel vergeben. „Ein paar Mullahs gehen zu einer Mine, gucken und schreiben einen Bericht.“
Die Taliban haben ihre Einnahmen aus dem Bergbau auch dadurch gesteigert, dass sie die Minen schärfer kontrollieren. „Früher lief der meiste Verkauf unter der Hand, nur ein kleiner Teil wurde offiziell in Auktionen versteigert“, sagt ein Smaragdhändler aus der Provinz Pandschir. „Der Staat hat das geduldet, weil sie alle aus Pandschir waren.“ Die Edelsteinminen in der Provinz wurden jahrzehntelang von Milizen ausgebeutet. In der Republik kontrollierten dann die früheren Milizenchefs große Teile des Staatsapparats.
Schmuggel ist ein Problem
Der Händler sitzt mit zwei indischen Käufern in seinem Verkaufsraum in Kabul und breitet Smaragde vor sich aus. Die Steine würden in der Mine unter den Augen von Aufsehern bis zur Auktion veredelt, erklärt er. Der Taliban-Staat erhalte zehn Prozent des Erlöses und bei einem Export noch einmal fünf bis sechs Prozent Ausfuhrsteuer. „Man braucht loyale Arbeiter.“ Leute, welche die Steine nicht runterschlucken, um sie unter der Hand zu verkaufen. Smaragde abzubauen, sei harte Arbeit. „Sie kommen aus dem härtesten Gestein von den höchsten Bergen.“ Schweres Gerät müsse mit Hubschraubern hinauf geschafft werden. Der Minenbesitzer gehört zu jenen Unternehmern, die in der Republik gutes Geld verdient haben. Heute lebt er in Saudi-Arabien, damit seine Töchter, wie er sagt, eine gute Ausbildung bekommen können.
Die Taliban scheinen derweil ihre eigenen Leute bedacht zu haben. Jedenfalls berichtet ein früherer Taliban-Kommandeur, dass er ohne entsprechendes Vorwissen Lizenzen für acht Jade-Minen erworben habe. Mit Jade kann man in China hohe Preise erzielen. Er habe ein Joint Venture mit einem chinesischen Geschäftspartner gegründet, um von ihm zu lernen. Für die Vorgängerregierung hat der Mann nur Verachtung übrig. Sie seien „Sklaven“ fremder Mächte gewesen. Die damaligen ausländischen Berater und Ausbilder im Bergbauministerium betrachtet er als „Spione“.
Trotzdem plädiert auch er dafür, den Amerikanern das afghanische Lithium anzubieten. „Geschäft ist Geschäft.“ Im Gegenzug, hofft er, würden die USA die Taliban anerkennen – und die Europäer würden folgen. In seinen Worten: „Wenn der Ehemann vorgeht, kommen die Frauen hinterher.“