Ungarns Parlament beschließt Austritt aus IStGH

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Die Ankündigung des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán, sein Land aus dem Statut für den Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) zurückzuziehen, ist am Dienstag durch einen Beschluss des Parlaments in Budapest in die Tat umgesetzt worden. Anlass für diesen Schritt ist der Haftbefehl des IStGH gegen den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu und den früheren israelischen Verteidigungsminister Yoav Gallant.

Ihnen wird vorgeworfen, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Gazastreifen zu verantworten. Orbán hat Netanjahu im April in Budapest empfangen, obwohl Ungarn nach dem Römischen Statut, dem es 2001 beigetreten ist, zu seiner Festnahme verpflichtet gewesen wäre. Orbán kündigte bei der Gelegenheit den Austritt Ungarns an.

Das Gericht sei „offensichtlich unseriös“

Am Dienstag stimmten im ungarischen Nationalrat 134 Abgeordnete für den Austritt, 37 dagegen, sieben enthielten sich. Die nationalkonservative Fidesz/KDNP-Regierungskoalition hat 135 Abgeordnete. Der Antrag wurde vom stellvertretenden Ministerpräsidenten Zsolt Semjén (KDNP) noch am Tag von Orbáns Ankündigung eingebracht. Orbán unterstützt das Vorgehen der Regierung Netanjahu im Gazakrieg ohne Vorbehalte. Als Mitglied der Europäischen Union hat Ungarn mehrfach Resolutionen der EU blockiert, die sich für Waffenruhen und mehr Rücksichtnahme auf die palästinensische Zivilbevölkerung im Gazastreifen aussprachen.

Außenminister Péter Szijjártó verbreitete am Dienstag eine Erklärung, in der er den Schritt begründete. Demnach habe der IStGH eine „inakzeptable“ Entscheidung getroffen, als er den israelischen Ministerpräsidenten zur Festnahme ausgeschrieben hatte. Außerdem hätten die Richter „unsinnige“ Dinge getan wie die Ausstellung von Haftbefehlen gegen tote Hamas-Führer, um den Haftbefehl Netanjahus scheinbar auszugleichen.

„Damit ist diese Institution nicht nur offensichtlich unseriös, sondern auch politisch motiviert, und für uns ist es inakzeptabel, dass die Arbeit eines Gerichts von der Politik motiviert ist,“ sagte Szijjártó. Folglich habe Ungarn in dieser Organisation nichts zu suchen. Da nun das Parlament für den Austritt gestimmt habe, werde er den Generalsekretär der Vereinten Nationen über diesen Schritt informieren, sagte der Außenminister. Sobald der Beschluss des Parlaments vom Präsidenten unterzeichnet und veröffentlicht sei, werde er den Brief abschicken.

Noch ist Ungarn ans Römische Statut gebunden

Gemäß dem Römischen Statut wäre Ungarn nach einer solchen Austrittserklärung noch ein Jahr an dessen Bestimmungen gebunden, und sowieso hätte das Land durch seine noch bestehende Mitgliedschaft die Verpflichtung gehabt, Netanjahu festzunehmen. Budapest führte jedoch ins Feld, dass Ungarn im Unterschied zu anderen Mitgliedstaaten das Statut nicht in sein nationales Recht übernommen habe. Deshalb könne auf dieser Grundlage niemand festgenommen werden, auch nicht der israelische Ministerpräsident.

Der IStGH führt Ungarn allerdings aufgrund der Ratifizierung offiziell als Vertragsstaat. Ungarn hat das Römische Statut von 1998, auf dessen Grundlage der IStGH errichtet worden war, mit einem Parlamentsbeschluss vom 6. November 2001 ratifiziert und dies am 30. November 2001 beim Generalsekretär der Vereinten Nationen hinterlegt. Die Ratifizierung geschah während der ersten Regierungszeit Orbáns von 1998 bis 2002. Der Text des Römischen Statuts selbst sollte in Folge als Gesetz im ungarischen Amtsblatt verlautbart werden, was jedoch nie geschah.

Darauf stützt sich nun die Behauptung der Regierung in Budapest, dem Haftbefehl gegen Netanjahu nicht Folge leisten zu können. Ungarn ist das erste europäische Land, das den im niederländischen Den Haag ansässigen Weltstrafgerichtshof verlässt. Bisher sind die Philippinen und Burundi aus dem IStGH ausgetreten.