Der nordrhein-westfälische Verfassungsgerichtshof (VerfGH) hat die von CDU, Grünen und SPD ins Werk gesetzte Reform des Kommunalwahlrechts am Dienstag verworfen. Gemeinsam mit der größten Oppositionsfraktion hatte Schwarz-Grün mit der Novelle verhindern wollen, dass die Räte in vielen Kommunen durch viele Kleinparteien immer mehr zerfasern. Aus der Sicht der drei Fraktionen werden kleine Parteien und Wählervereinigungen bisher durch überproportionale Rundungsgewinne bevorzugt. Das führe dazu, dass sie mehr Sitze bekämen, als ihnen zustünden und sie ein Gewicht bekämen, das ihnen der Wähler gar nicht gegeben habe. Mit den Stimmen von CDU, Grüne und SPD führte der Landtag deshalb im vergangenen Sommer das nach dem Grünen-Landtagsabgeordneten Simon Rock benannte „Rock-Berechnungsverfahren“ ein.
Dagegen klagten die nordrhein-westfälischen Landesverbände der Parteien Volt, Piratenpartei, BSW, FDP, Linke und Die Partei. Sie sahen sich durch das „Rock-Verfahren“ bei der Verteilung von Mandaten in den Räten und Kreistagen systematisch benachteiligt und in ihrem Recht auf Chancengleichheit verletzt. Zu dieser Einschätzung kam nun auch die – wenn auch denkbar knappe – Mehrheit der Verfassungsrichter. Mit vier zu drei Stimmen verwarf der VerfGH das Gesetz. Der Systemwechsel bei der Sitzverteilung sei mit dem Recht auf Chancengleichheit als politische Partei und auf Gleichheit der Wahl „nicht vereinbar, weil er sachlich nicht gerechtfertigt ist“, hieß es in der Begründung.
„Unser Vorschlag war ein mathematisch ausgewogener Kompromiss“
Der Landesgesetzgeber habe mit der Veränderung des Berechnungsverfahrens die bereits bisher bestehende Ungleichgewichtung nicht beseitigt. Vielmehr würden Aufrundungsgewinne allein den großen Parteien zugewiesen. Drei Richter gaben ein Sondervotum ab, in dem sie darlegten, dass es sich beim „Rock-Verfahren“ um ein „verfassungsrechtlich unbedenkliches Berechnungssystem“ handele, denn es „vermeide die bei Kommunalwahlen bislang regelmäßig auftretende relativ überproportionalen Rundungsgewinne kleiner Parteien“.
Der Vorsitzende der CDU-Fraktion, Thorsten Schick, und die beiden Chefinnen der Grünen-Fraktion, Verena Schäffer und Wibke Brems, äußerten, mit der Reform sei es darum gegangen, dass jede Stimme möglichst denselben Einfluss auf die Sitzverteilung hat. „Unser Vorschlag war ein mathematisch ausgewogener Kompromiss.“ Mehrere Sachverständige hätten ausdrücklich bestätigt, dass dieser Weg rechtlich möglich und sachlich gut begründet sei. „Dass das Verfassungsgericht nun zu einer anderen Bewertung kommt, respektieren wir.“ Allerdings könne es weiterhin passieren, dass eine Partei oder Wählergruppe mit nur wenigen Stimmen genauso viele Sitze bekommt wie andere mit deutlich mehr Stimmen.
Die Kläger-Parteien begrüßten das Urteil erwartungsgemäß. Der Landes- und Fraktionsvorsitzende der FDP, Henning Höne, sagte, „das schwarz-rot-grüne Machtkartell“ sei gestoppt worden. „Wer sich ein Wahlrecht nach eigenen Interessen maßschneidert, stellt parteitaktisches Kalkül über die Integrität der Demokratie.“