Handgepäck kann schon vor dem Flug zum Streitgegenstand werden. Nämlich an Metallgestellen, an denen zu prüfen ist, ob ein Gepäckstück hineinpasst. Passt es nicht, kann schon die größere Handtasche extra kosten. Gegen diese seit Jahren in weiten Teilen der Luftfahrt übliche Praxis begehren nun Verbraucherschutzorganisationen aus mehreren EU-Staaten auf.
Der europäische Verbraucherschutz-Dachverband Beuc, dem auch der deutsche VZBV angehört, fordert, dass Reisenden grundsätzlich kein Aufschlag für Handgepäck abverlangt werden soll. In den laufenden Verhandlungen über eine Novelle der EU-Fluggastrechte sollte dies klargestellt werden. Gleichzeitig haben die Verbraucherschützer bei der EU-Kommission eine Beschwere über sieben Airlines eingereicht, die für Handgepäck kassieren – darunter sind die Billigflieger Ryanair, Easyjet und Wizzair sowie spanische Gesellschaften wie Volotea und Vueling.
Man gehe gegen Fluggesellschaften vor, „die Verbraucher ausbeuten“ und den Gerichtshof der EU „ignorieren“. Denn der habe entschieden, dass Gebühren für Handgepäck in angemessener Größe illegal seien, erklärt die Organisation Beuc wortgewaltig. Tatsächlich stammt aus dem Jahr 2014 eine Entscheidung, dass Handgepäck ohne Aufpreis zu transportieren sei – allerdings nur sofern angemessene Anforderungen an Größe und Gewicht eingehalten seien. Deshalb sehen Airlines ihr Handeln als rechtens an.
Airlines machen sehr unterschiedliche Vorgaben
Ryanair begrüßte die Beuc-Beschwerde gar. Eine Prüfung werde nun bestätigen, dass die Ryanair-Gepäckregelungen „vollständig mit dem EU-Recht im Einklang“ stehen. Eine Rechtsänderung brächte hingegen Nachteile für Reisende. „Würden Fluggesellschaften gezwungen, zusätzliches Handgepäck im Basistarif zu inkludieren, würde dies die Auswahlmöglichkeiten einschränken und die Ticketpreise für alle Passagiere erhöhen – zum Nachteil der Verbraucher“, erklärte Ryanair.
Als kreativ lässt sich die Gebührengestaltung von Fluggesellschaften dennoch bezeichnen. Denn sie erlauben Gratistaschen – bis zu vorgegebenen Höchstmaßen. Und die sind von Airline zu Airline unterschiedlich. Aus Beuc-Sicht ist das nicht haltbar. Politische Entscheidungsträger sollten rechtlich die angemessene Größe und das Gewicht für Handgepäck festlegen, „um Überraschungen am Flughafen zu vermeiden und letztendlich die Anzahl der Streitigkeiten zu reduzieren“.
Aktuell gestattet Ryanair Gratishandgepäck mit den Maßen 40 mal 20 mal 25 Zentimeter, der ungarische Billigflugrivale Wizzair nennt 40 mal 30 mal 20 Zentimeter. Easyjet erlaubt 45 mal 36 mal 20 Zentimeter, schreibt aber dazu, dass bei Rollkoffern die Rollen mitzumessen seien. Das lässt erahnen, worum schon mal mit Reisenden gestritten worden sein dürfte.
In Spanien wird besonders erbittert gestritten
Die deutsche Gesellschaft Condor hatte jüngst darauf reagiert, dass Geschäftsreisende öfter einen Computer oder eine Aktentasche dabei haben. Auf Städtestrecken mit höheren Geschäftsreisendenanteil ist dort auch im günstigsten Tarif wieder ein Minikoffer bis 55 mal 40 mal 20 Zentimeter inklusive. Auf Urlauberstrecken bleibt ein Billigtarif, der im Namen das Wort „Zero“ enthält. Gratistaschen dürfen dort nur zehn Zentimeter dick sein.
Großzügig gibt sich dagegen die Deutsche Lufthansa. Sie erlaubt in jedem Tarif mindestens ein Handgepäckstück, das acht Kilogramm wiegen und die Maße 55 mal 40 mal 23 Zentimeter erreichen darf. Für faltbare Kleidersäcke dürfen es sogar noch ein paar Zentimeter mehr sein.
Gepäck und die Kosten dafür sind ein Dauerthema in der Luftfahrt. Einst wünschten viele Airlines, dass möglichst wenig Taschen und Koffer zum Transport im Frachtraum aufgegeben werden, vor allem Billigflieger riefen hohe Aufschläge auf. Denn die Logistik um die Koffer kostet Geld und Zeit, aber die Standzeit eines Flugzeugs am Terminal sollte kurz sein.
Passagiere fügten sich – und nahmen mehr mit zum Sitzplatz. Mitunter sogar so viel, dass sich alle Taschen und Minikoffer nicht mehr sicher im Handgepäckfächern und unter Vordersitzen verstauen ließen. Dann mussten Taschen noch ganz kurzfristig vor dem Abflug im Frachtraum verstaut werden, was Zeit kostete, die die Airlines eigentlich gerade sparen wollten. Es folgte neue Gepäckgebühren beinahe als Branchenstandard – diesmal aber für Handgepäck.
In Spanien ist der Streit um Handgepäck zuletzt wieder hochgekocht. Behörden haben Fluggesellschaften Millionenstrafen auferlegt, wogegen die aufbegehren. Auch die erste Entscheidung des EU-Gerichts aus dem Jahr 2014 betraf einen spanischen Disput. Behörden wollten damals die Gesellschaft Vueling zwingen, Handgepäck ohne Aufschlag mitzunehmen – womit sie scheiterten.
Ryanair argumentiert, die Entscheidung habe klargestellt, dass Airlines „berechtigt sind, Gebühren für zusätzliches Gepäck zu erheben, solange die Mitnahme unverzichtbarer persönlicher Gegenstände im Ticketpreis enthalten ist“. Beschwerden der Verbraucherschützer und Gegenreden aus der Luftfahrt deuten an, dass Handgepäck ein Streitgegenstand bleiben dürfte.